Keramikscherbenfund in Niedersachsen, Bitte um Hilfe.

Begonnen von sludsen, 26. Juli 2010, 11:02:09

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sludsen

Hallo liebe Sucher-Community!
Ich begehe bereits seit Jahren die Felder und Äcker rund um mein Niedersächsisches Heimatdorf auf der Suche nach jeder Art von Spuren der Vergangenheit. Zahlreiche Keramikscherben habe ich bereits gefunden, die meisten tauchen sehr geballt auf und weisen auf mittelalterliche Orts- und/oder Höfewüstungen hin. In der örtlichen Feldmark sind mind. 5 Wüstungen anhand von Flurnamen und Keramikfunden nachweisbar. Bei den Funden handelt es sich in erster Linie um die typische mittelalterliche graue Irdenware und um spätmittelalterliches bzw. frühneuzeitliches Faststeinzeug und Steinzeug. Die Scherben stammen den Formen nach von Krügen, Kannen, Grapen, Bechern und deren Deckeln. Glasuren und dergleichen kommen auch in geringer Menge vor.
Nun habe ich bereits vor geraumer Zeit einen Fund gemacht über den ich schon lange nachdenke und den ich einfach nicht zuordnen kann. Es handelt sich um eine rötliche Keramikscherbe von ca. 40x45mm Größe und ca 8-9mm Dicke die mit Ritzungen und "Punkten" verziert ist; es ist die einzige Scherbe die bislang mit dieser Art Verzierung gefunden habe. Die Scherbe scheint völlig flach zu sein und somit nicht zu einer Art Gefäß zu gehören, sondern vielmehr zu einer Art Fliese oder Kachel.
Zum Fundort: Ich habe die Scherbe am Südhang des 82m hohen Buchberges gefunden, ca. 200m Orstrand entfernt. Das Flurstück dort heisst "Auf der Hausstelle", man hat dort bereits in den 30er und 60er Jahren Scherbenfunde gemacht die in das 10. und 11. Jahrhundert datiert wurden. Leider sind die Scherben inzwischen nicht mehr auffindbar, die Datierung erfolgte durch Hobbyhistoriker.
Ich bitte nun um Hlfe bei der "Identifizierung" dieser Scherbe. Kann es sich um mittelalterliche Keramik handeln? Oder ist die Scherbe älter? In den 30er Jahren hat man ein bronzeitliches Randleistenbeil gefunden, ca. 400m entfernt vom Scherbenfundort. War es eine Fliese oder Kachel? Was ist das für eine Art der Verzierung.
Ich bin für jeden Tipp und auch für weiterführende links sehr dankbar!
Mit freundlichen Grüßen
Sludsen

sven

Hallo sludsen,

willkommen im Forum.  :welcome: Ich denke Du bekommst noch mehr Antworten als meine.

Die Verzierung würde ich als Kammstrich (die Linien) und Kammstich (die Punkte) bezeichnen. Als vorgeschichtlich sehe ich die Keramik nicht an (ist doch sicherlich auch recht hart gebrannt?). Also wird es wohl mittelalterlich sein, wohl noch recht früh.

Viele Grüße

Sven

Silex

Servus Sludsen, herzlich willkommen.
Leider kann ich zu der Keramik nicht viel sagen (da aus dem Süden)....aber ich neige Svens Meinung zu.
Bleib dran an dieser  so interessant geschilderten Stelle!
bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

thovalo

Hmmmmmm   :kopfkratz:

Die Machart des "Scherben" wirkt neuzeitlich und die scheinbaren Muster können ganz schlicht auch der "Auffrauung" zum besseren Anhaften im Putz gedient haben!

Sicher keine urgeschichtliche, früh- oder hochmittelalterliche Keramik!!!!!!


Irgendwas aus dem 19. bis frühen 20.Jhs.  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

sludsen

Erstmal danke für die schnellen Antworten und das herzliche Willkommen  :winke:

@Thovalo:
"Auffrauung"?? Ich könnt auch mal wieder "aufgefraut" werden  :-D
hehe, versteh schon; das es sich um eine Aufrauung handeln könnte habe ich noch garnicht bedacht, danke für den Tipp!
Die Feldwege in der Nähe sind tw. mit modernem Bauschutt erstellt.
Ich werde den Fundort dennoch weiter im Auge behalten, nicht zuletzt wegen des Flurnamens und anderen Funden (angeblich mittelalterlich, aber ich bin selber skeptisch). Vielleicht finde ich weitere ähnliche Stücke dort.

Sollte noch wer Ideen zu der Scherbe haben, nur zu...
:zwinker:

Wutz

Hmm ich weiß nicht, das Teil sieht auch einer mittelalterlichen Bodenfliese recht ähnlich aus.  :kopfkratz:

thovalo

Belege von solchen (mittelalterliche Bodenfliesen) habe ich hier liegen und stelle mal Bilder ein! Deren Musterung sieht in der Regel anders aus! Muss aber jetzt erstmal ins Arbeitsleben!!!!

Doch diese Anregung ist auch nicht zu verachten! Allerdings, wenn die Wege mit Bauschutt angereichert sind bleibt die Option doch eher wahrscheinlich, dass auch dieses Fragment solcher ist!


Die Aufrauung von Baukeramik zur besseren Haftung beim Verputz durch "Muster" wird bereits seit der römischen Zeit praktiziert!

GlG  thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

#7
Moin,

also gegen Bodenfließe spricht, das die Scherbe eigentlich zu weich gebrannt ist.

Weiterhin spricht die geringe Materialstärke gegen eine Bodenfließe.

Eher eine Wandkachel, wie Thomas schon bemerkt hat.

Mir sind diese Verzierungen auch eher dahingehend bekannt, um dem Putz mehr halt zu geben.

Bei uns in Nordhessen sind diese Kacheln gelegentlich in den Fachwerkhäusern unter dem Putz zu finden.

Das Alter ist dann ca. 18. bis 19. Jahrhundert.

Die einfachere Variante ist es jedoch, die mit  frischen Lehm verstrichenen Gefache anschließend mit einem Nagelkamm zu streichen, um ebenfalls dieses Muster als Haftgrund zu erhalten.


P.S. ach ja willkommen bei uns im Forum.

Über Bilder deiner verschiedenen Keramikfunde, auch Scherben, würden wir uns, gerade hier, sehr freuen.

Gerade Niedersachsen hat einige Töpferorte, mit Warenarten, die andernorts nur wenig oder sogar nahezu unbekannt sind.

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

sludsen

@ Thovalo
Auf die Bilder bin ich gespannt!

Also, wenn es sich um eine moderne Fliese (also so der letzten 100 Jahre) handeln sollte, dann muss sie schon einige Zeit der Witterung ausgesetzt gewesen sein.
Die Fliesen die ich im Bauschut der Wege finde sind allesamt (und es sind nicht viel) die typischen Badfliesen, also weiß-gräuliche Bruchkante und grelle Farbglasur auf der Vorderseite, gelb, hellgrün, babyblau. Die Rückseiten der Fliesensplitter auf dem Weg ist aufgeraut, allerdings fällt gerade an den Linien der Rückseiten auf, dass es sich um maschinelle Fertigung handelt.
Bei "meiner" Scherbe meine ich aber, dass es sich um Handfertigung handelt. Ich werde nochmal die Rückseite (Vorderseite?) fotografieren und posten, nachher nach Feierabend.

Zitat von: Levante in 27. Juli 2010, 08:51:32
Bei uns in Nordhessen sind diese Kacheln gelegentlich in den Fachwerkhäusern unter dem Putz zu finden.
Das Alter ist dann ca. 18. bis 19. Jahrhundert.
Wie ich schon im ersten Post geschrieben habe, habe eine ähnliche Scherbe oder (unglasierte) Fliese noch nicht gesehen.
Und ich habe einen guten Überblick darüber, was in den hiesigen Bauernhäusern verbaut wurde... aber oke, alles weiß ich natürlich net :dumdidum:

Zitat von: Levante in 27. Juli 2010, 08:51:32
Über Bilder deiner verschiedenen Keramikfunde, auch Scherben, würden wir uns, gerade hier, sehr freuen.
Gerade Niedersachsen hat einige Töpferorte, mit Warenarten, die andernorts nur wenig oder sogar nahezu unbekannt sind.
Ich werde nachher (nach der "Buckelei"...) mal nen Fred aufmachen mit dem "Best of" meiner Funde. Den link post ich dann.

lg
Sludsen

thovalo

Die am besten erhaltene Bodenkachel (Sammlung meines Urgroßvaters aus Bad Kreuznach) habe ich als eigenes Thema eingestellt, damit sie hier unter den vielen Antworten nicht unter geht!!!!

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,44018.msg268670.html#msg268670

:glotz:

GlG  thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

sludsen

Super, danke für das Bild!
Jetzt versteh ich warum Du gleich auf die Kachel/Fliese geschlossen hast, die Ähnlichkeit von Form und Material ist sehr hoch.
Die Rückseite Deiner Kachel sieht genauso aus wie die von meiner ominösen Scherbe. Auch die Bruchkanten weisen Ähnlichkeiten auf.

Dann danke für die Info. Mit einer Fliese/Kachel habe ich auch gerechnet, hatte aber gehofft, dass irgendwer das Muster identifizieren kann. Das mit der Aufrauung wäre mir selbst nie in den Sinn gekommen... :schaem:
wieda wat jelernt  :smoke:

Levante

Hallo,

hier nun noch einige Bilder aus dem Museum in Dieburg.
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)