Plattenhornstein Typ Baiersdorf

Begonnen von osman.herberger, 22. Juni 2010, 21:50:35

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osman.herberger

Servus miteinander,

ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, die Silexabbaustelle des Baiersdorfer Plattenhornsteins zu besuchen.
Baiersdorf liegt in Bayern, westlich von Regensburg und gehört geologisch zur südöstlichen Frankenalb.
Laut J. Fries-Knoblach konnte für den Baiersdorfer Plattenhornstein ein Verbreitungsgebiet von 250 km festgestellt werden. Allerdings wurden auch schon im über 300 km entfernten Niederösterreich Steinartefakte aus Baiersdorfer Material gefunden: http://sciencev1.orf.at/urban/61845.html

Typisch für den Baiersdorfer Plattenhornstein sind die unterschiedlichen Rinden: Während die eine Rindenseite ziemlich glatt ist, ist die Rinde auf der anderen Seite rauh. Das Foto 4 zeigt ein Stück mit der glatten Seite nach oben, Foto 5 zeigt das gleiche Stück umgedreht, die rauhe Seite nach oben.
Auf dem dritten Foto liegen zwei Plattenhornsteine nebeneinander. Man sieht dort sehr gut die verschiedenen Cortex-Zustände.

Ebenfalls charakteristisch für das Baiersdorfer Material sind graue Wolken im bläulich-grauen Inneren. Ich denke, man kann diese auf dem Foto 7 gut erkennen.

Der von mir für diese Exkursion nach Baiersdorf gewählte Zeitpunkt war kein günstiger. Fast das gesamte Areal ist bereits dicht mit Getreide bewachsen, so dass ich lediglich am Ackerrand und auf einem Maisfeld diese hier gezeigten Stücke aufsammeln konnte. Zudem vermute ich, dass dieses Material wohl eher die minderwertige und seinerzeit verworfene Ausschussware ist.
Ich hoffe aber trotzdem, dass dieser Bericht einen kleinen Eindruck von diesem gerade im bayerischen Jungneolithikum sehr beliebten Material vermitteln kann.

Liebe Grüße

Stefan


P.S.: Ich habe die Informationen über den Baiersdorfer Plattenhornstein von folgenden Quellen bezogen:

http://www.uf.uni-erlangen.de/rohmat/bai_1.html
http://www.jknoblach.de/download/Fries-Knoblach_Silices.pdf
http://sciencev1.orf.at/urban/61845.html
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

Silex

Danke Stefan, für diese  Teilnahmemöglichkeit an Deiner Exkursion! Da leuchtet es einem erst richtig ein warum  dieser flache Plattensilex  im Neolithikum  so häufig zu Sicheln und  Dolchen verarbeitet wurde!
Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Marienbad

Auch ich möchte mich für den Beitrag bedanken  :super:
Die flachen Stücke ermuntern ja den ungeübtesten Steinschläger zu einem " Schlag". :zwinker:
Da möcht ich gern mal raufhauhen. :irre:

:winke:  Manfred

osman.herberger

Zitat von: Silex in 22. Juni 2010, 22:39:43
Da leuchtet es einem erst richtig ein warum dieser flache Plattensilex im Neolithikum so häufig zu Sicheln und Dolchen verarbeitet wurde!

Stimmt Edi, Sicheln aus Baiersdorfer Plattenhornstein waren ja scheinbar in den Zeiten des Jungneolithikums ein regelrechter Exportschlager.
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

thovalo

#4
Zitat von: osman.herberger in 22. Juni 2010, 21:50:35

Ich hoffe aber trotzdem, dass dieser Bericht einen kleinen Eindruck von diesem gerade im bayerischen Jungneolithikum sehr beliebten Material vermitteln kann.

Liebe Grüße

Stefan


Auch ich danke Dir sehr für diesen Beitrag, die Ansichten und vor allem die zusätzliche nähere Beschreibung!

Ich bearbeite zwar einen Fundkomplex am Niederrhein in NRW, doch auch hier sind Hornsteine gelandet. Ein Fundstück steht im Grundverdacht aus Plattenhornstein zu sein!

Es ist leider nur als Fragment überliefert, jedoch mit flacher ebenmäßiger Kortex und die zeigen nun auch die Bilder die Du eingestellt hast.   :glotz:

Das Fragment schau ich mir nochmal sehr genau an!!!! (und wenn ichs nicht verbasel stelle ich es hier Morgen mal als Bild mit ein)

JPG 10 zeigt oben rechts einen rezenten Ausbruch. An dieser Stelle ist die sonst überall erkennbare mehr oder weniger breite weiße Linie/Zone unterhalb der Kortex nicht vorhanden. Das bedeutet, dass die weiße Verfärbung ein Patinierungseffekt an älter gebrochenen Platten ist?

LG  thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Rambo

Danke für deinen Beitrag. Interessant zu sehen, wie schmal diese Platten sind
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

thovalo

#6
Hallo Stefan!

Ich hab Heute Bilder des Stücks gemacht das mich sehr stark an dieses Material erinnert, von dem ich NICHT wusste, dass es jeweils eine Seite mit feiner Kortex hat!  :glotz:

Die Bilder sind bei Tageslicht ohne Blitz entstanden und treffen sowohl die durch Patinierung eingetrübte graubräunliche Färbung wie auch Textur und Färbung der Kortex des Fragments.

Ich möchte Dich bitten, noch eine Nahaufnahme nur der flachen Kortex in direkter Aufsicht mit einzustellen, damit ein direkter Vergleich aus naher Ansicht möglich ist. So auf den Bildern scheint das Kortexmterial identisch zu sein!


Bild 1: die Partie scheint eine alte, natürlich entstandene Spaltfläche zu sein. (Die weißen Partien unterhalb der Kortex an Deinen Stücken sind erkennbar Patinierungseffekte).


Auch wenn es eine Ferndiagnose ist ........  mir scheint das Fragment hier sehr gut zum Baiersdorfer Plattenhornstein zu passen. Der Fundbeleg ist auf das Material bezogen hier unter Tausenden Artefakten stark abweichend. Die Entfernung zwischen Baiersdorf und dem Fundplatz beträgt exakt 450 Kilometer.
Der mögliche Austausch so weit nach Norden wäre in beide Richtungen eine facharchäologisch besonders wertvolle Information!

Würde mich sehr freuen, wenn Du mir Deinen Eindruck zurückgeben würdest und über jede andere Rückmeldung selbstverständlich auch!!!!!


LG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Mark77

Das Stück zeigt schon recht Ähnlichkeiten mit Baiersdorfer Plattenhornstein.
Was allerdings dagegen spricht ist zum einen die Transparenz - dein Stück ist Kanten-durchscheinend, Baiersdorfer völlig opak - und die Farbgebung - deines ist grau in grau, Baiersdorfer mehr grau mit Brauntönen und länglich fleckiger Maserung.
Dein Stück erinnert mich etwas an das unterste Stück vom Fundpunkt Hamberg bei Kehlheim, doch fehlt dann die typische leichte Bänderung.
Aber deine Vermutung war schon nicht ganz unbegründet! :super:

Schöne Grüße,
Markus

thovalo

#8
Ciao MARK!  :winke:

Das Stück hier ist tatsächlich völlig opak, die Kanten wirken nur in der Abbildung durchscheinend!

Die Färbung finde sich schwierig zu fassen. Die graubräunliche Färbung erscheint wie unter einem eintrübenden "Grauschleier".

Bild 1 zeigt wohl eine natürliche Bruchfläche und dürfte dem ursprünglichen Eindruck des Materials am nächsten kommen.

Noch ein Phänomen: das Material ist in diesem Stück absolut homogen und fühlt sich gegenüber Feuerstein "leichter" und ich drücke das mal in meinen Worten aus, eher wie "Plastik" an.

Im 5. Bild lässt sich auf dem Bild im Inneren das Material eine fein "grieselige" Struktur erkennen.

?????????????????????    :kopfkratz:

LG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

osman.herberger

Hallo Thomas,

herzlichen Dank für Deinen Beitrag und die interessanten Bilder!

Auf den ersten Blick würde ich bei Deinem Fundstück auch auf Baiersdorfer Hornstein tippen. Das Problem bei meinen Vergleichsstücken ist, dass sie wohl, wie Du ja schon angemerkt hast, eine gewisse Patinierung (Weißfärbung) aufweisen. Wenn Du Dir nun die nachfolgenden Fotos der glatteren Rindenseite ansiehst, gibt es auch in diesem Bereich bereits eine "Verweißlichung" des Materials, so dass eine Gegenüberstellung mit der Rinde auf Deinem Stück schwierig erscheint. Bei Deinem Stück wirkt die Farbe der Rinde mehr gelblich-ockerfarben.
Ich habe anbei verschiedene Stücke fotografiert. Ich finde, bei meinem letzten Foto besteht am ehesten eine Ähnlichkeit mit Deinem Fundstück.

Bei Deinem fünften Foto ist mir aufgefallen, dass hier wohl die für den Baiersdorfer Hornstein so typischen grauen Wolken im bläulich-grauen Inneren zu sehen sind.

Ich bilde mir ein, ich habe hier bei mir ein Fundstück aus dem letzten Jahr rumliegen, dass genau den gleichen Rindentyp bzw. die gleiche Rindenfärbung wie Dein Fundstück aufweist. Ich versuche mal, heute Abend das Teil zu finden. Falls ich mich nicht täusche...

Liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

thovalo

#10
Das wäre echt klasse!!!!

An den Fundplatz am Niederrhein sind dem Eindruck nach Rohgesteine aus allen Himmelsrichtungen eingetroffen, was für einen überregional wirksamen Zentralort spricht, von dem aus wieder Materialien, Fertigprodukte und Anregungen ausgegangen sind.

Den Weg aus dem Süden haben absolut gesichert eine am Afrikamuseum in Tervuren/Belgien analysierte Prunkbeilklinge aus Jade vom Monte Beigua bei Genua (überliefert ist das Fragment der Schneidenpartie in sekundärer Überarbeitung) und Muschelschalen aus dem Mittelmeer hinter sich gebracht, die hier in der Sammlung mit vorliegen.

Ich halte für dieses Siedlungsareal das "Gaspedal" dauerhaft durchgedrückt und versuche weiterhin endlich klare Aktivitäten und Maßnahme des zuständigen Fachamtes und der Universitäten Köln oder Bonn zu initiieren.......   :kopfkratz:  

Wenn Du ein im Material nahes Vergleichsstück hättest, dass dem gezeigten entspricht.....  :staun:

Aber nach meinem xtem Vergleich der Kortex insbesondere mit Deinem Bild 002.jpg und 006.jpg  :glotz: sind wir eigentlich bereits "deckungsgleich"!

Die weißliche Struktur an Deinen Stücken scheint durch das Abreiben, Abdrücken der beigefarbigen Anteile dieser "Rinde" durch die Beweung im Erdreich verursacht worden zu sein, wodurch die weißliche Patinierung deutlicher freigelegt worden ist.


Lg thomas     :super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

osman.herberger

Hallo Thomas,

habs gestern Abend nicht mehr geschafft, meine Funde zu durchwühlen...
Ich meld mich heute noch mal!

Liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

osman.herberger

Hallo Thomas,

ich hab jetzt mal einen Großteil der Tüten durchforstet, aber es ist bisher kein Teil dabei, das mich bezüglich etwaiger Ähnlichkeiten zu Deinem Stück richtig zufrieden stellt.
Ein Fundstück - und womöglich hatte ich dieses im Kopf, als ich Deine Fotos sah - hat gewisse Parallelen, aber ich habe jetzt gesehen, dass es eine ganz leichte Bänderung aufweist. Und eine Bänderung gibt es ja bei Deinem Teil nicht oder ?

Falls mir noch was in die Hände fällt, melde ich mich natürlich !

Liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

thovalo

Zitat von: osman.herberger in 24. Juni 2010, 22:34:42
Hallo Thomas,

ich hab jetzt mal einen Großteil der Tüten durchforstet, aber es ist bisher kein Teil dabei, das mich bezüglich etwaiger Ähnlichkeiten zu Deinem Stück richtig zufrieden stellt.
Ein Fundstück - und womöglich hatte ich dieses im Kopf, als ich Deine Fotos sah - hat gewisse Parallelen, aber ich habe jetzt gesehen, dass es eine ganz leichte Bänderung aufweist. Und eine Bänderung gibt es ja bei Deinem Teil nicht oder ?

Falls mir noch was in die Hände fällt, melde ich mich natürlich !

Liebe Grüße



Danke Dir ganz herzlich für die Mühe!   :winke:

Einzig unter der Kortex liegt eine parallel führende dunkle Linie....  :glotz:


Aber ich habe den eindruck, die Richtung an sich stimmt schon. ich hab nochmal unter Hornstein allgemein gesucht und bemerkt wie reich die Vielfalt sein kann!

LG    thomas   :winke:

Stefan
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.