Projektilus interruptus

Begonnen von Silex, 25. August 2007, 21:17:31

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Silex

Zumindest stelle ich mir das in diesem Fall so vor.
Das Teil ging mir gestern im Grubbergegleisse (auf einer viel-vielperiodigen Flussterrasse) als einziges aufhebewürdiges Objekt in die Riffel.
Da hat, meiner Meinung nach,  vor ca. 4-5000 Jahren  jemand eine Jurahornsteinknolle gekappt und entdeckt dass da  im Rindenabschlag unter der Haut sich ein weißer, dann ein roter und ein folgender schwarzer Bereich befand. Die Qualität war gut und so begann er vergnügt von der Ventralseite her die Basis zu retuschieren -  dann eine Lateralseite und die auch gleich noch dorsal. Die Arbeit ging wunderbar voran und es schien ein schönes Teilchen zu werden...als  es aber in den angedachten Spitzenbereich ging  wurde es immer ärgerlicher ...die Rinde in diesem Bereich erwies sich als  viel dicker  wie im Arbeitseifer  ursprünglich angenommen. Zudem ließ sich die Rinde dort nicht anständig vom Mörderfeuerstein trennen....
Hastige, immer wütendere Schläge folgten vom terminalen Ende her... bis zum erlösenden Fluch mit gleichzeitiger Trennung vom Werkstück durch Schleuderung...
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

..so oder so ähnlich...
glaubt ihr auch an eine aufgegebene Pfeilspitze? Von diesem Platz stammt eine wunderschöne  mit Schaftdorn, 3  mittelmäßige und 2 sehr fragwürdige Vertreterinnen dieser Gattung.
Zuerst dachte ich "Kratzer" aber dann sah ich dass die Gegenseite auch retuschiert war.

Bis dann.
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

#2
hier noch ein Detail der ventralen Basis.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger


Non projektilus interruptus, ne intentionalis est !!

rolfpeter

Servus Edi,
könnte schon sein, das mit der verworfenen Pfeilspitze.
Vielleicht hat aber auch einer dran geübt, an dem Stück. Bis vorgestern hätte ich sowas auch nie geglaubt....da hat mir ein Sammler eine kleine flache Dechselklinge gezeigt. da war eine angefangene Hohlbohrung mitten in der Schneide. Ganz so, als hätte ein Kind oder ein Lehrrling das Bohren von Felsgestein geübt.
Sachen gibts...
Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger

Zitat von: rolfpeter in 26. August 2007, 00:26:12
Servus Edi,
könnte schon sein, das mit der verworfenen Pfeilspitze.
Vielleicht hat aber auch einer dran geübt, an dem Stück. Bis vorgestern hätte ich sowas auch nie geglaubt....da hat mir ein Sammler eine kleine flache Dechselklinge gezeigt. da war eine angefangene Hohlbohrung mitten in der Schneide. Ganz so, als hätte ein Kind oder ein Lehrrling das Bohren von Felsgestein geübt.
Sachen gibts...
Beste Grüße
RP

Nie und nimmer, Freunde !!!   :nono:

Silex

Hast du ne Idee...?? agersoe.
Ich bin mir fast sicher (dass du eine Idee hast....  und dass es  mehr als ein Pfeilspitzenrohling ist...Größe, Retuschierung...)
javascript:void(0);
Amen
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Leute !  :-)

Das Stück ist meiner Meinung nach weder eine Aufgegebene, noch eine intentionelle Pfeilspitze.

Erstens ist es sehr unwahrscheinlich, dass man so weit im Prozess noch Cortex auf dem Stück sehen würde.
Die beiden Seitenkanten müssten im Prozess ganz scharf bewahrt werden, damit man "über das Stück hinweg" Flächenretuschen machen kann.

Der eigentliche Grund, warum dies nicht ein Pfeilvorabeit sein kann, ist also einzig und allein von technischem Karakter.

Deine Bilder illustrieren das hervorragend Edi !


Auf diesem Foto sieht man ganz klar, dass die Kantenretuschen von der SELBEN Seite gemacht worden sind. Dies verhindert sehr effektiv eine Entfernung der Cortexschicht.
Sollte dies möglich sein, WÄREN die Retuschen auf der einen Kante von oben, auf der anderen von unten gemacht. Dadurch hätte man auf beiden Seiten Anhaftpunkte um Flächenabschlägchen zu machen, die die Cortexschicht entfernen könnten.
Diesen entscheidenen "Fehler" würde ein Flintschmied nie machen.


Auf diesem Bild 2, sieht man warum das nicht möglich ist. Die Kantenretuschen blokieren beim roten Strich die Möglichkeit eine Haftung des Druckgerätes, da die kleinen Retuschenabsplitterungen ein bisschen ins Stück dreht (die Kante abrundet) Da ist der Winkel weg, womit man Haftungspunkte für die weitere Arbeit (entfernung der Cortexschicht) hätte fortsetzen können.

Deshalb kann dies unmöglich ein Pfeilspitzenvorarbeit sein, da müsste das Stück schon überall auf der ganzen Kante so wie an der ventralen Basis aussehen !!

:winke:


Silex

Danke , agersoe, für die anschauliche Nachtarbeit!!!
Und es ist sehr logisch was Du hier zeigst.
Auf dem Bild "PfSP seit b"  und an der Spitze vermute ich allerdings die letzten verzweifelten Versuche den Cortex doch noch abzulösen.
Meine Vermutung auf "Pfeilspitze" gründet sich eigentlich auf die Gesamtform und den Ausschluss anderer Gerätefunktionen.
Wenn jemand hier eine Pfeilspitze herstellen wollte...dann war es in jedem Falle ein Unerfahrener.
Danke für Deine Einführung in die Technik des Steineschlagens...denn da fange ich erst an zu lernen.
Wenn ich was Neues erfahre schick ichs Euch

Muss noch ein bißchen nachdenken
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo wieder Edi  :-)

Ich kann ja natürlich nicht zurückweissen, dass hier ein Unerfahrener versucht hat eine Pfeilspitze herzustellen !!

In dem Fall hätte er aber "im Unterricht" besser zuhören müssen !!  :zwinker:


Silex

Mein Kreisheimatpfleger, dem ich das Ding inzwischen gezeigt habe, meinte spontan und ohne Schnörkel:

"Flintenstein!"
Ist das die Möglichkeit?

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger


Hmm, gibt es die mit Cortex ?  :platt:

Ich kenne mich da nicht aus, habe das aber nie gesehen ! Glaube es kaum !  :nono:

Der Khamsin wird uns da sicherlich aufklären können !  :super:

RonnyNisz

Flintensteine mit Rinde habe ich auch noch nicht gesehen. Einige aus französischer Produktion, die ich mal gesehen habe, waren z.T. sehr filigran gearbeitet. Als Größe habe ich so grob2,5 x 1 cm im Gedächnis, das könnte also in etwa hinkommen.

Gruß Ronny
Jeder Steinbruch ist meine Heimat

Khamsin

Salaam mes copains!

Zuerst einmal ist das ein wunderbares Beispiel für die Bedeutung von Kenntnis der praktischen Steinbearbeitung durch agersoe! Seinen kurzen, klaren und absolut nachvollziehbaren Einwänden gegen ein mutmassliches Halbfabrikat einer Pfeilspitze ist nichts hinzuzufügen. Danke Steen!

Vermutlich wird sich unser RP, nachdem er den Hinweis auf "Flintenstein" gelesen hat, schon sein Teil denken, habe ich Recht? Also in kleinen Schritten:

1. agersoe und RonnyNisz haben es angestossen bzw. pointiert: Flintensteine aus den grossen Manufakturen, d.h. England, Frankreich und Galizien (Kleinpolen), und das waren die damaligen "Weltzentren", für Skandinavien auf jeden Fall Seeland/Stevns Klint und einige weitere kleinere, Flintensteine aus diesen Zentren tragen nur in verschwindend geringer Zahl Rinde!
Dies macht ja auch Sinn im Hinblick auf a) Zündsicherheit und b) den festen Sitz zwischen den Hahnbacken!

2. Vor diesem Hintergrund darf man jedoch nicht übersehen, dass es regionale Flintensteinmanufakturen gab, in denen - sagen wir es so - weniger penibel gearbeitet wurde. Ich denke da an die Region des Markgräfler Landes in Südbaden/D sowie den Dinkelberg ebd., Region von Mons/B und die Monti Lessini im Hinterland von Verona/I, um nur einige in Europa zu nennen. Dort gibt es durchaus Steine mit Rinde, freilich - wie überall - niemals an der Zündkante!
Eine Ausnahme bildet hier allerdings - mein verbindlicher Gruss an Edi - die Manufaktur von Burglengenfeld nördlich von Regensburg. Diese Steine tragen niemals Rinde; sie waren nach Form das Feinste, wenn auch leider nicht so "schussfest" wie die Franzosen, das man seinerzeit erwerben konnte. 

3. Last but not least wurden überall Flintensteine fallweise aus vor Ort vorhandenem Flint/Hornstein nach Bedarf von den Flintenbenutzern hergestellt. Und hier scheint der Kreis zu Edis Fund zu enden. Dabei sind es besonders zwei Merkmale, die mich geneigt machen, mich der Meinung des Kreisheitmatpflegers anzuschliessen!

A) Auf einem von Edis Bildern sieht man die Ventralfläche und dort wiederum eine ventrale kurze Kantenretuschierung. Von Flintensteinen ist bekannt, dass die Zündkante zur Verstärkung ventral oder dorsal gebrochen worden ist, wenn auch zumeist als Perlretusche und nicht so markant wie auf Edis Bild. Freilich stehen da längjährig geübte Handwerker gegen einen mutmasslichen Laien-Knapper.

B) Benutzte Flintensteine weisen nicht selten auf der der Zündkante gegenüberliegenden Kante mittig konkave Buchten auf. Sie entstehen dadurch, dass die Steine bei den Schüssen minimal gegen die Hahnschraube geschlagen werden, wodurch die ursprünglich gerade Kante im Laufe der Zeit konkav aussplitterte.

Meine Frage an Edi: Findet sich die ventrale Kantenretuschierung gegenüber der Kante mit der Einbuchtung?

Aus allem ergäbe sich, dass der Stein mit der Ventralfläche auf der unteren Hahnbacke, mit der rindenbedeckten Dorsalfläche gegen die Unterseite der oberen Hahnbacke gepresst worden ist. Selbstverständlich war der Stein in ein Stoff- oder Lederstückchen, kaum in ein Bleiblechlein eingeschlagen.

Danke für das interessante Stück!

Schala gaschle KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Silex

Danke Khamsin für deine Erläuterungen. Die Fundstelle liegt übrigens in Sichtweite der "Saltendorfer Flintensteinmanufaktur".
Und obwohl ich von diesem Acker schon exquisite Teile ins Beutelchen fingerte zögerte  das LfD lange.. mit steinzeitlicher Datierung. Viele heute als eindeutig steinzeitliche Abkömmlinge eingeordnete Findlinge standen anfangs unter "Manufakturabfallverdacht".

Deine Frage:"Findet sich die ventrale Kantenretuschierung gegenüber der Kante mit der Einbuchtung?"

Wenn Du mit der "kurzen ventralen Retusche"  diejenige meinst die auf dem 2. Foto von oben ("PfSp u") am oberen Bildrand prangt

und mit der "Bucht" die obere Kante des Teiles auf dem ersten Foto ("PfSp o")....
dann liegen die tatsächlich gegenüber.....
und dann kann ich mir mein "Sondergerät" samt Geschichtlein in den Ventralen schieben....
aber den Dingen soll Gerechtigkeit und Wahrheit zukommen....dafür sind wir hier da.
Und schön wenn Sucher, Finder, Praktiker und Steinweise dies überzeugend- sogar bei unüblichen Stücken- schaffen.
Nochmals Danke an alle Mithelfer!

bis bald
mit hoffentlich erdfrischer Ware
Euer Edi   
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.