Durchbohrtes LBK-Gerät?

Begonnen von rolfpeter, 01. März 2007, 16:19:02

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rolfpeter

Servus Freunde,

heute habe ich nochmal eine meiner ersten Fundstellen besucht. Zufällig sah ich, daß der Acker gepflügt war, Gummistiefel angezogen und rauf auf die sumpfige Scholle! Es handelt sich um eine seit mindestens 35 Jahren bekannte LBK-Siedlungsstelle auf der Aldenhovener Platte. 2004 hatte ich dort bereits ein Dechselbruchstück und einige Erntemessereinsätze gefunden, da geht man gerne wieder hin!
Inzwischen bücke ich mich nach jedem flachen, grünlichen Stein, es könnte ja eine Dechselklinge sein. Die flachen Dinger tarnen sich vortrefflich als Geröll!
Gefunden habe ich schließlich dieses Gerät: 71g schwer und 58 mm lang. Material scheint AHS-Schiefer zu sein. Es gibt 2 moderne Beschädigungen, die etwas dunkler als der übrige Stein sind, der Bruch der Klinge ist alt. Die Längsseiten sind geschliffen, eine Seite dorsal so, wie bei flachen Dechselklingen üblich, die andere ist runder, bis in die Ventralseite hinein.

Das Gerät zeigt aber m.E. 2 Besonderheiten:
Flache, in der Draufsicht trapezförmige Dechselklingen haben die Schneide immer? an der breiteren Seite. Die hier gezeigte Klinge ist aber an der schmaleren Seite angeschliffen.
Noch erstaunlicher ist eine viertel Bohrung an der Stelle, wo einst die Klinge gebrochen ist. Das Loch macht nicht den Eindruck, daß es in den Stein gepickt wurde, es scheint mir eine gedrillte Bohrung zu sein. Schräg im Gegenlicht betrachtet hat die Bohrung einen schönen Glanz mit tangential laufenden feinen Rillen. Ich bin nicht sicher, ob diese Rillen von der Bohrung herrühren oder ob es die Struktur des Schiefergesteines ist. Die Bohrung hatte einen Duchmesser von etwa 19 mm.

Um was handelt es sich bei dem Stück? Ich vermute, es ist ein Bruchstück einer flachen, durchbohrten Dechselklinge (in der Literatur auch manchmal Flachhacke genannt). Angenommen, die Bohrung wäre im Zentrum des ursprünglichen Gerätes gewesen, hatte dieses dann eine Größe von ca. 116*92*14 mm gehabt. Also eine sehr flache Angelegenheit! Nachdem die Dechsel zerbrochen war, hat man vielleicht eine Seite erneut angeschliffen und in kleineren Rahmen weitergehackt.

Als weitere Funde heute von diesem Ort: einen halben Läuferstein, einige kleine LBK-typische Flintklingen und eine verzierte Randscherbe, die ich auch hier in diesen Beitrag stelle.

Was meint ihr? Liege ich richtig mit meiner Vermutung?
Hier sind die Bilder:



Die angeschliffene Schneide ist auf dem Foto unten und verliert sich im Dunkeln.







Und die Randscherbe:



Ich freue mich schon auf eure Erklärungen!
Beste Grüße
RP


Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Ja , RP , ich bin etwas baff  ...was Du so an Steingeräten (und inzwischen wunderbaren Keramikteilen) rausholst....technologisch kann ich Dir gar nicht weiterhelfen  nur freundlich gratulieren.
Ich hoffe  dass meine Beile, Äxte und Dechsel noch etwas weiter unten warten.... bis ich in Rente gehe.
Ansonsten ists schon bedrohlich wie tief die Schichten schon  aus dem Untergrund geholt werden.
Oder sind da , bei Dir, auch stärker geneigte Fundhänge mit mehr Erosion  dabei?
Heute in der Mittagspause versuchte ich einen Schlammgang im Querregen...nach eineinhalb Minuten bei Windstärke 10...war ich braungesprenkelt

Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Servus Edi,
mit der Erfahrung kriege ich ein immer besseres Auge für Artefakte. Vor einem Jahr hätte ich mich wahrscheinlich garnicht für den Stein gebückt. Sieht eben aus wie ein normales Geröll. Dem Artefaktcharakter bemerkt man erst, wenn man des Stein in Händen hält, die Bohrung habe ich erst daheim bemerkt. Und ich bücke mich jetzt auch nach jeder schwärzlichen Bodenverfärbung. Hier wird viel mit Kläranlagen-Rückständen gedüngt, das Zeug sieht aus wie neolithische Keramik, besteht aber aus reiner xxxxx, ist gottseidank geruchsneutral! Eh ich eine Scherbe finde habe ich 20 Scheißknubben zerbröselt!
Ja, Du hast mit Deiner Vermutung recht. Die Hänge sind zwar nicht steil aber nachdem die Wälder gerodet waren, hats 3000 Jahre lang kräftig erodiert. Es ist irgendwo bei Pulheim mal untersucht worden und im Bachtal dort hatten sich (aus dem Kopf zitiert) 5 oder 7 m Sediment aufgebaut....nach der Bronzezeit! Die LBK-Leute haben wohl das Wasser gescheut, wie Der Deibel das Weihwasser! Haben immer auf Hängen und auf Kuppen gesiedelt, soweit ich weiß, niemals direkt am Wasserlauf. Werden wohl Gründe gehabt haben, Nichtschwimmer, kamen ja aus dem Morgenland  :narr:
Die Klinge ist vom Berghang, wohl runtergeschwemmt. Die Scherbe ist von der Kuppe.
Bin übrigens nicht der einzige Sammler am Ort, habe jetzt und auch beim Besuch vor 2 Jahren dort mäandrierende Fußspuren entdeckt.
Aber das Stück ist nix alltägliches! Wenn ich die Literatur richtig verstanden habe, gibt's net viel von dem Zeugs.

Beste Grüße
Viele Beile, Äxte, Hackerln und Spitzen wünscht
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Danke , RP ....."Eh ich eine Scherbe finde habe ich 20 Scheißknubben zerbröselt!".... dieser Satz hat meinen feisten Körper vor Lachen durchtremolieren lassen.... in der Tat ist Xxxxxxx auch ein wichtiges Thema beim Artefaktesuchen..... wie oft hab ich schon in kunstvoll gexxxx Vogelxxxxxx gegriffen....lanzett- dolch-, kratzer-, mikrolith-,pfeilspitzenförmig...den seidigen Glanz der erlesensten Rohmaterialien nachahmend... im milden Schein der  ewigen Sonne.
Desgleichen prangen auch verschiedenste , neuzeitliche "Errungenschaften"...von denen ich hier nur die etwas angejahrte weisse, schwarze  und graue  Plastikfolie  nennen will......
Aber die "HÄRTE" ist mein endpaläolithischer Hauptacker....dort schießen die Nobelbauern seit 20 Jahren auf Tontauben (Plastik). Und die splittern so phantasiereich lyditig, kreidefeuersteinig......
Und nach soviel Xxxxxx , wie weit waren Deine Leute vom Bachlauf/Fluss entfernt
Danke
Edi 
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Jaja der schwarze Plastikmüll! Sieht aus wie feinster Silex!
Die Klinge 85m, die Scherbe 155m. Allerdings gibt es bei uns kaum noch Bäche, die in ihrem nätürlichen Bett laufen dürfen. Alles nach dem Krieg begradigt. Jetzt werden vielerorts wieder Kunstschleifen reinnaturalisiert.
nadann gute Nacht
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert