Keramik mit Kammstrich?

Begonnen von Laurin5, 08. Oktober 2006, 12:33:43

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Laurin5

Guten Tag,
kann man diese Keramik (mit Kammstrich?) datieren?

wühlmaus

Hi Laurin5

kommt auf den Fundort an. Kannst Du eine ungefähre Angabe mache (Region reicht vollkommen).

Ich kann hier nur für die Landschaft sprechen in der ich mich so gut es geht auskenne. Westliches NRW/ südlicher Niederrhein.

Wenn es in dieser Gegend gefunden wurde:
Nicht auf der schnelldrehenden Töpferscheibe gemacht, Aufbaukeramik, sorgfältig geglättet, Kammstrichverzierung, vorrömische Eisenzeit 800 v Chr - 0

ciao
das Wühlmäusle

Silex

..Und bei uns in der Oberpfalz würde man das nicht "Kammstrichverzierung" nennen- weil nicht parallel und 2. nicht durchgehend. Mich lässt zumindest die Verzierung  in Richtung Jungsteinzeit denken...
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Laurin5

Guten Tag!
Bei der Region handelt es sich um Südtirol. Die Fundstelle ist sehr geschichtsträchtig. Wir haben dort bereits Duzende von Keramikstücken aller Epochen sowie 4 Fibeln (2 aus Bronze, 2 aus Eisen), einen eisernen Schildbuckel sowie einen Bronzering gefunden. Fibeln und Bronzering sind vermutlich römerzeitlich, der Schildbuckel eisenzeitlich. Im Rahmen von Sondierungen haben Archäologen mehrere Mauern angeschnitten, eine Datierung mittels Kohle, die gefunden wurde, steht allerdings noch aus
Herzliche Grüße und vielen Dank!
Laurin

wühlmaus

Also wenn ich die Beschreibung der Fundumstände so lese, dann habe habe ich wohl mit der Datierung zufällig (!!!) ins Schwarze getroffen.

Südtirol ist leider nicht meine Baustelle ...

Silex Einwand und Datierung kann ich komplett nachvollziehen, und wenn Du die Keramik einem Nord oder Ostdeutschen gezeigt hättest, wäre wahrscheinlich eine Datierung in die slawische Zeit in Erwägung gezogen worden ( als Fragment eines im Ganzen eigentlich geschwungenen Wellenbandes).
Ist halt alles nicht so einfach ...

Ganz dringende Bitte an Dich:
Mehr von dem Kram!!!! Ich mein das ganz ernst. Dieses Forum hat ein ganz klares Manko an Keramik!
Metall und Stein-Artefakte (mitlerweile!) sind ganz gut vertreten aber die Keramik kommt immer noch zu kurz. Auch wenn sich nicht alles auf Anhieb bestimmen läßt und Fotos von Scherben generell nicht so aussagekräftig sind wie der Augenschein vor Ort ...
Wichtig ist dass die Diskussionen auch in dieser Richtung in Gang kommen.

ciao
das Wühlmäusle

Rambo

@ Wühlmaus  ich gebe dir uneingeschränkt recht, was die Keramik hier betrifft. Leider wird gerade diese Sparte sehr oft vernachlässigt obwohl sie viel zu einer Datierung beitragen könnte.
Das Problem ist es einen "Scherben" nach einem Bild zu datieren. Es ist oft schon schwer auf einem Bild zu erkennen ob es sich um ein Randstück oder um ein Bodenstück handelt Größenangaben fehlen auch meistens. Man findet zum Beispiel kaum ein Bild vom Profil  eines Randstückes  und auch keine Beschreibungen aus der man wenigstens die wichtigsten Punkte wie Machart, Drehscheibenarbeit, Magerung, Härte usw entnehmen kann Dann  hat man sehr häufig Verzierungen welche  Zeitlos sind wie etwa Kammstrich welche vom  Neolithikum bis in die Neuzeit zu finde ist. So  wird es für den Interessierten schwer zu einem Stück etwas zu schreiben. Dann gibt es auch noch  unzählige ,,lokale" Unterschiede an manchen Orten wurden Keramiktypen über jahrhunderte unverändert verwendet an anderen Orten hat man mehr anscheinend experimentiert und andere Verzierungselemente benutzt.
Jetzt kommt noch das Problem hinzu, wer will schon eine Datierung abgeben von einem Keramikstück womöglich aus einer Gegend die man nicht genauer bezeichnet wurde, die Fundumstände sind meist unklar usw.  und dann stellt sich heraus man liegt weit daneben.
( Jeder will sein Bestes geben und wer macht schon gerne einen Fehler ?...)
Bei Beiltypen, Fibeln usw. es sich sicherlich leichter. Hier gibt es gute Literatur, bei Keramiken muss man sich durch einen Wulst von Büchern lesen, in unzähligen wissenschaftlichen Arbeiten findet man Beispiele, jedoch wie schon Anfangs erwähnt sind die meisten von lokalem Interesse. Vor allem sind in diesen ,,Büchern" die meisten Keramiken gezeichnet und dann kann man schon wieder mehr erkennen als auf einem Foto.
Ich habe zwar vor einen Anhalt für Keramiken hier reinzustellen jedoch bin ich zur Zeit sehr im Stress, ich habe noch ein paar Wochen an der Vorbereitung einer WM mitzuarbeiten. In den Wintermonaten wird es sich aber sicherlich ausgehen. Vielleicht können wir dann eine gemeinsame Sprache sprechen. Vielleicht können wir hier alle gemeinsam versuchen so etwas wie einen Leitfaden zur Keramikbestimmung auszuarbeiten.
Auf jeden Fall sollte man Keramiken nie unterschätzen sie sind ein wichtiger wenn nicht überhaupt der wichtigste Bestimmungsfaktor bei der Datierung von Funden.
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

Laurin5

Guten Tag,
anbei noch ein Stück Keramik, welches wir an der gleichen Stelle gefunden haben wie die Keramik mit dem Kammstrich (siehe oben). Über die Fundtiefe kann ich leider nichts aussagen, weil die Stücke vom Aushubmaterial der Archäologen stammen, welches leider nicht gesiebt wurde.
Herzliche Grüße
Laurin5

wühlmaus

Hi Laurin5

Genau das meinte Rambo mit ordentlichen Keramikfotos. Perfekt!  :super:

Ich würde beide Scherben im Zusammenhang sehen. Wie gut ist dein Kontakt zu den Archäologen? Zeig sie ihnen doch mal.

Auch wenn das jetzt nach Blah Blah Blah klingt, aber meine Erfahrung (und auch die einiger anderer hier) ist es, dass man als historisch interessierter Heimatforscher doch ganz gute Karten hat, sich in das Thema Keramik einzufinden. Wenn man sich auf eine bestimmte Suchregion begrenzt läßt sich das Fundspektrum nach einiger Zeit eigentlich ganz gut überblicken.
Für mich waren immer drei Sachen wichtig 1. Das eigene Sammeln als Materialbasis und das Gespräch mit Experten über die Funde (Archäologen) 2. Alle Museen der Umgebung abklappern und sich beim Betrachten ordentlich Zeit lassen. 3. Literatur über die Archäologie der Umgebung

@Rambo
Was die Feinheiten wie Härte, Färbung und Magerung angeht kann ich Dir nur bedingungslos zustimmen. Ich hab gerade eine Fundstelle abgesucht auf der ganz klar römische und frühmittelalterliche (karolingerzeitliche) Keramik liegt. 99% der römischen Funde bestehen aus unverzierten Randscherben, diese von den unverzierten karolingischen zu trennen ist stellenweise zum  :heul: :platt: :irre: :wuetend: :idee: :staun: :prost: Rheinländer halt  :narr:
Das Zeug geht demnächst zu den Landesarchäologen. Mal schauen wie hoch meine Trefferquote war ...

ciao
das Wühlmäusle

Silex

servus Wühlmaus, Rambo, Laurin....
Wie ich meine Archäologin löchere damit endlich soetwas wie ein "Leitfaden für Ehrenamtliche" aufgelegt wird in Sachen Keramik...Im NETZ ist ausser dem "Landschaftsmuseum" kaum was brauchbares für uns zu finden......
Und Laurin , die letzte gezeigte Wandscherbe wäre bei uns vermutlich "Spätlaténezeit" unter allem Vorbehalt, vielleicht römerts schon, je nachdem wie gut disponiert Deine Fundstelle an den Haupthandelswegen liegt.
Du hast ein seltenes Glück: Dieses seltene Interesse an der Geschichte und   die Grundstücke dazu die diese Geschichte atmen.
Wenn ich den JACKPOT gewonnen hätte- hätte ich "meine " Fundstellen gekauft...
Behüt Euch Gott   und viele Funde
wünscht
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Laurin5

Guten Tag!
Beim Sieben eines kleinen Teiles des Aushubmaterials kamen neben mehreren Keramikstücken (u.a. siehe oben) auch zwei Stücke Bronzeschlacke ans Tageslicht. Es würde mich interessieren, welche Schlüsse daraus gezogen werden können. Könnte es auch sein, dass die ganzen Funde (4 Fibeln, Siegelring, Schuldbuckel, Keramik u.a.) lediglich mit der Ausbringung von Kuhmist auf den Acker gelangt sind?
Herzliche Grüße
Laurin5

Silex

Servus Laurin5,
ich glaube nicht dass diese Teile mit  dem Mist auf die Felder gelangten
1. ist man sich gar nicht sicher  ob damals (intensiv) mit Mist gedüngt wurde (viele Siedlungen waren - vor allem bei Böden mit schlechter Bonität- eher von Vieh- und Weidewirtschaft geprägt)
2. würden solche Teile (Schildbuckel,Fibeln, Siegelring)   nicht  weggeworfen, da die Wiederverwertung, bei den damaligen Schwierigkeiten der Materialbeschaffung, durch  erneutes Einschmelzen, ja gerade der Technologiesprung dieser Epoche war.
Ich bin mir sicher dass es sich  um Siedlungs- oder Grabfunde handelt.... evtl. auch eine Grube
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Laurin5

Guten Tag!
Ein Keramikstück aus dem Aushubmaterial (siehe Bilder) wurde nun in einem Speziallabor mittels Thermolumineszenz datiert. Damnach hat dieses Stück das sagenhafte Alter von 4.690 Jahren (mögliche Abweichung plus/minus 15 %). Ähnlich alt dürfte wohl auch das Stück mit den Strichen sein (siehe mein Beitrag vom 8. Oktober 2006). Silex hat ein ähnliches Alter bereits vermutet ...
Zumindest ein Teil der sich im Boden befindlichen Strukturen wird wohl aus dieser Zeit stammen. Es würde mich sehr interessieren, ob gebäude- bzw. dorfähnliche Strukturen aus dieser Zeit (ausgehende Jungsteinzeit bzw. Kupferzeit) im alpinen Raum bekannt und erforscht sind. Gibt es darüber Literaur oder Infos im Web?
Herzliche Grüße
Laurin5

Merowech

Grüße    MICHA   Und nutze den Tag - na ja ? - die Nacht auch !  :zwinker:

wühlmaus

 :staun: :staun: :staun:
Holla, die Waldfee!

So gehts natürlich auch! Die De-Luxe Methode der Keramik Datierung!!!
Wenn Du es bezahlt hast, bzw. Du weitergehende Infos vom Kostenträger hast, darf ich fragen, wieviel die Untersuchung gekostet hat?
Würde mich persönlich interessieren. Manchmal sind die harten Nüsse eben nur so knackbar ...

ciao
das Wühlmäusle

Laurin5

Ciao Wühlmaus,
ich habe das selber bezahlt, weil ich endlich einmal Gewissheit haben wollte. Unser Bodendenkmalamt wendet diese Methode (noch) nicht an und finanziert sie folglich auch nicht. Kostenpunkt für eine Datierung, wobei je Stück 2 Proben entnommen und untersucht werden: 273,20 Euro (inklusive Mehrwertsstuer).
Laurin5

Notker

#15
Zitat von: Laurin5 in 10. Oktober 2006, 16:25:12
Über die Fundtiefe kann ich leider nichts aussagen, weil die Stücke vom Aushubmaterial der Archäologen stammen, welches leider nicht gesiebt wurde.

Warum gräbst Du nicht mal eine Weile mit und bildest Dir dann ein Urteil?!

Es fehlt mir an Elan, um hier die Mühsal und den Zeit-/Finanz-/Erwartungsdruck einer derzeitigen Grabung darzustellen. Schlecht steht es mit der Kultur, und nicht nur damit!

Silex

Servus Laurin, könntest Du  bitte sagen welches Keramikteil "datiert" wurde. Damit der Lerneffekt bei mir auch sitzt. Handelt es sich um die abgebildeten Stücke?  Um Welche?
Vielen Dank für Deine Mühe
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Laurin5

Hallo Silex,
es handelt sich um das Stück, dessen Bild ich heute meinem Beitrag angehängt habe (Vorder- und Rückseite, leider nicht besonders gute Bilder).
Gruß Laurin5

Silex

Danke Laurin, alter Kämpfer
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Laurin5

hallo silex,
ich kämpfe um die wahrheit, die mir sehr, sehr wichtig ist. möglicherweise hatten unsere urururahnen auch strategien, um einigermaßen gut miteinander auszukommen. möglicherweise könnten wir davon lernen. die kenntnis der geschichte sollte uns ein stück weiter bringen. irgendwann werden die strategien von "gestern" jene von morgen sein (müssen).
Grüße Laurin5

Silex

..irgendwann werden die strategien von "gestern" jene von morgen sein (müssen).....schrieb Laurin

Diese für Einige (und leider uns alle auch) schwerwiegenden Konsequenzen drohen, auch meiner Meinung nach,in der Tat... und nicht allzu unfern fürchte ich....
Die Menschen haben fast alle vergessen was fruchtbare Erde bedeutet, Regen, Sonne...Glauben , Gebote, kulturelle Übereinkünfte, Tradition, Hunger und Sättigung, ehrliche Arbeit.
Aber die Falle ist unausweichlich...neben mir steht ein Öttinger Weizen...das ist billig und schmeckt passabel.....wenn ich morgens aus dem Fenster schaue seh ich das Brauereigebäude das mein Leibweizen herstellt....es kostet 3 mal so viel.... obwohl es 300 mal näher liegt als die Fabrikationsstätte des Öttingergesöffs......und dann wollen Menschen Weintrauben an Weihnachten und Erdbeeren   ... die Luftfracht verschlingt ein mehrfaches des Eigengewichts an Kerosin. Dies wird finanziert (unter anderem ) und unterstützt durch meine Lohnabzüge  so dass ich mir meine heimische Ware nicht mehr leisten kann...
Damit  blute ich aber meine heimische Wirtschaft weiter aus ... und so weiter....
Aber das Ende dessen ist wie Du schon andeutetest nah.....

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

... und Edis Liste ließe sich ellenlang fortsetzen... Kennt ihr die Krabbengeschichte? Das ist auch so ein Ding. In der Nordsee gefangen geht die Reise erstmal nach Marokko , um dort per Hand gepuhlt zu werden (das macht hier doch kein Schwein mehr..), dann gehts wieder zurück in die heimischen Supermärkte, bis in den hintersten Winkel des Landes...

Wir haben alles erdenkliche getan, um die Natur zu normieren. Man hat uns erzählt Konserven wären für uns Endverbraucher klasse, weil Lebensmittel so viel länger halten. In Wirklichkeit macht die Büchse sowas wie Erbsen und Möhren für die Hersteller erst rentabel transportierbar und lagerbar. Das man Vegetarische Speisen industrialisiert, macht mir persönlich nicht wirklich was aus. Ich kann darüber diskutieren und auch sachlich gegenteilige Meinungen hören und tolerieren...
Richtig wütend werde ich erst wenn ich an die Industrialisierung tierischer Nahrungsprodukte denke. Ich bin kein Vegetarier! Das vorweg. Aber ich empfinde es als einen der größten Schandflecke unserer Zivilisation, was wir dem weitaus größten Teil unseres Zuchtviehs antaten und und immer noch antun (immerhin, es hat sich scheinbar einiges geändert). Gerade eben habe ich das mit der englischen Truthahn Produktionsstätte gehört. 5000 Tiere wegen Vogelgrippe getötet und mehr als 100.000! werden jetzt wohl vorsorglich folgen...
Wir müßen umdenken. Klingt vielleicht blöd, aber Fleisch ist was besonderes. So war es in jeder einzelnen unserer Ahnengenerationen! Für mich persönlich habe ich entschieden meinen Fleischkonsum zu mäßigen. Wenn ich merke, dass ich in einer Woche an jedem Tag Fleisch gegessen habe, dann esse ich in der nächsten Woche einfach kein Fleisch mehr. Das ist eine künstliche Selbstbeschränkung, keine Frage des Preises...

Da sind soviele Dinge, die wir ändern müßen, und bei vielen Dingen ist der Blick zurück - Ein Blick nach Vorn!

Gerd

Laurin5

Guten Tag,
im Aushubmaterial haben wir auch einige Stücke Schlacke gefunden. Leider weiß ich nicht, ob es sich um Kupfer- oder Bronzeschlacke handelt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass in unmittelbarer Nähe einst Buntmetall verarbeitet wurde?
Herzliche Grüße
Laurin5