Obsidianwerkzeug- Glasschrott?

Begonnen von Silex, 25. November 2005, 00:03:10

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Silex

Servus aus dem Nordgau
angelegentlich des Absuchens steinzeitlicher Äcker findet man in unseren Gefilden relativ häufig die Überreste der zahlreichen "Glasschleifen"(Glaspoliermanufakturen). Und fast jedes alte  Glasteil sieht natürlich- nach Pflugeinwirkung - artefaktähnlich aus
Dieses Teil aber - von einem mesolithisch - endeiszeitlichem Acker-  weist derartig eindeutige "Bearbeitungsspuren und Zurichtungen" auf
dass ich doch mal nachfragen möchte.
Kann man Glasschlacke und Obsidian  als Laie per Augenschein zweifelsfrei trennen? Und gibt es Härteunterschiede zwischen beiden Materialien?
Danke
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Hab selber so ein Stück zu Hause liegen, versuche es Morgen mal zu fotographieren ...
Meine Freundin hatte damals als Geologie Nebenfachlerin auf der Uni etwas rumrecherchiert ...Angeblich gebe es in der Vulkaneifel ein Vorkommen von "Obsidian" oder ähnlichem Material ... Leider hatte sie zu wenig Material gefunden, um es genauer bestimmen zu können.

Allein anhand von Bearbeitungsspuren kommt man hier leider nicht weiter .. Diese können auch beim Abschlagen der Schlackereste mit einem Hammer von den Innenwänden des Schmelzofens entstehen. Ähnliche Probleme tauchten bei uns am Niederrhein schon mit dem Liedberger Quarzit auf. In der älteren Literatur findet man etliche altsteinzeitliche Geräte aus diesem Material, mitlerweile haben sich fast alle als Reste von röm/mittelalterlichem Steinbrucharbeiten bzw. von kurz und kleingeschlagenen Bautrümmern aus diesen Epochen entpuppt.

Ich persönlich würde die Obsidian Theorie trotzdem noch nicht ganz verwerfen ... kann mir gut vorstellen dass solche exotischen Werkstoffe zumindest als Kuriositäten im vorgeschichtlichen Handel existierten.

ciao
das Wühlmäusle

Silex

Danke Wühlmaus
na ja , als Material für Spitzen kann man sich Obsidian schon vorstellen- aber Schneiden und Schaben.. da wirds  wohl hapern.
Von einer nahebei gelegenen (rein mesolithischen) Fundstelle fand ich folgendes Trumm.
Meine Archäologin meinte "Obsidian" nicht zuletzt wegen der Gesteinskruste die unten zu erkennen ist- das wird bei Glasabfällen eher selten vorkommen. (Ein anerkannter Steinzeitkenner lehnt diese Materialeinordnung schlichtweg ab.)
Allerdings gibt es bei uns  weit und breit keine erloschenen Vulkane wie in der Vulkaneifel.

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Hier erstmal die versprochenen Fotos:

wühlmaus


wühlmaus

Ich komme vom Niederrhein, die Vulkaneifel liegt schon ein ganzes Stückchen weit weg von uns ...
Die nächsten Basaltvorkommen (zumindest in dieser Hinsicht was vulkanisches...) liegen etwa 80-100 Kilometer weit weg bei Bonn ...

Keine Ahnung ... Bin diesmal wirklich ratlos ...

ciao
das Wühlmäusle

Silex

Irkentwie ist eine Ähnlichkeit nicht zu verleugnen... was bei unseren beiden Dubiosa natürlich eher gegen unsere Findlinge spricht.....Denn die Glasschlackenplage eint uns auf allen Äckern der Mittelgebirgsregionen

Danke

edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Moin!
Auf ein Neues zu vermeintlichen Obsidianfunden in unseren Breiten:

Das einzige Festlandvorkommen von Obsidian, das urgeschichtlich genutzt (abgebaut) worden ist, liegt im Büük-Gebirge in Ungarn. Habe mich nie weiter mit der Verbreitung von Artefakten aus diesem Material befasst und will deshalb auch nicht grundsätzlich in Abrede stellen, dass das eine oder andere Stück im südöstlichsten Deutschland gefunden werden mag.

Freilich: Vor dem Hintergrund der allfälligen Existenz von Feldern und damit Feldwegen, die regelhaft und flächendeckend in Deutschland mit Industrieschlacke befestigt worden sind, tendiert die Wahrscheinlichkeit von Obsidianfunden selbst dort unten stark gegen 0 (NULL). Die Schlacke tritt in diversen Farben auf, zumeist schwarz, schwarzgrau, aber auch grünlich. Und es erscheint nur auf den ersten Blick verwunderlich, welche "Artefakt"formen sich unter den Schlackenstücken verbergen (vgl. die Klingen von Mäusle; herzlicher Dank!). 

Deshalb auch Vorsicht beim diesbezüglichen Eindruck zu Deinem Stück, Edi!
Denn die Natur hat´s nun einmal so gewollt, dass intentionelle Einwirkung von kinetischer Energie völlig vergleichbare Merkmale produziert wie natürliche Energieeinwirkung, vice versa! Darüber hat bereits Hazzledine-Warren in einem berühmten Artikel - ich glaube aus dem Jahre 1911 - im JRAI (Journal of the Royal Archaeological Institute of Great Britain and Ireland) eindrucksvoll berichtet. Er packte damals einige natürliche Flintknollen in von Leiterwagen tief ausgefahrene Karrenspuren und beobachtete über längere Zeit deren Zerlegung und "Zurichtung" der Bruchstücke durch darüberfahrende Karren und Wagen zu Abschlägen, Klingen, Pfeil- und Speerspitzen, Kratzern, Schabern sowie Faustkeilen und Kernsteinen durchaus steinzeitlichen Charakters! Nur, dass es eben naturefacts waren...Sollte uns dies nicht nachdenklich machen?!
Beste Grüsse
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Servus Edi,

ich will auch nochmal meinen Senf dazugeben.
Ich war in der Lüneburger Heide, genauer in Amelinghausen, schleiche da , wie es so meine Art ist über den Acker ....was sehe ich.....Flint"Artefakte"....Soweit das Auge reicht: Abschläge, Klingenbruchstücke.....RP denkt sich: huch, Siedlungsstelle, Großsteingräber nur 500m entfernt...Endneolithikun....goil!
Ist dort eine Moränenlandschaft mit viel Feuersteinanteilen. Die "Arte"Fakte sind allesamt vom Pflug, der Scheibenegge, dem Grubber usw. hergestellt worden. Weil: nächster Acker, gleiches Fundbild. Übernächster Acker....Alle Äcker!
Wenn ich allerdings solch eine Ansammlung von bearbeiteten Flint hier finden würde, wärs aber sicherlich eine Siedlungsstelle. :-D

Beste Grüße aus der - wie immer - nicht verschneiten Kölner Bucht
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

psearch

Hallo,

tja, das sind die Artefakte die ich gerne als "Pflugofakte" bezeichne. Hier hilft nur die Patina weiter;
man sollte sich immer das Material ansehen und von einem Nicht-Artefakt mal ein frisches Stück
abschlagen, da ist man meistens schon ein gutes Stück weiter.
So kommt es nicht selten vor, das sich bestätigte Artefaktfundstellen aus der Altsteinzeit neben modernen Quarzitabbaustellen befinden, hier ist neben der Form auch die Patina das Entscheidungskriterium.
Aber Achtung vor den Frostscherben u.a. durch thermische Einwirkung hergestellten Geofakten ... ;-).
Diese sind auch uralt und schön patiniert, und haben Bearbeitungsspuren die wie Schlagnarben aussehen. Aber die Wallnerlinien sind im Gegensatz zu einem echten Abschlag kreisrund und es befindet sich immer eine Erhebung im Zentrum der Pseudo-Schlagnarbe. Auch können durch die sogenannte Kyroturbation
(Gestein wird durch Auf-und Abtauen des Bodens durchgeknetet) Retuschen an den Frostscherben entstehen, die sind aber meistens zweisseitig.
Als viel Spass beim Artefaktsuchen ;-).

MFG Psearch