Besondere Hiebgeräteinsätz der Michelsberger Kultur vom rechten Niederrhein

Begonnen von thovalo, 12. Juli 2021, 14:41:59

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thovalo


Guten Tag!

Gegenüber der Trichterbecherkultur konnte sich die Michelberger Kultur (ca. 4.300 bis ca. 3.700 v.Chr.) zu einer zentral wirksamen Kultur innerhalb Europas entwickeln. Es entstanden Bergbaue unter Tage an bedeutenden Feuersteinvorkommen. Die gewonnenen Feuersteine ließen die Herstellung großformatiger Artefakte zu. Diese wurden meist bereits als Klingen oder Abschläge vorgearbeite und über hunderte Kilometer weit ausgetauscht. Das ist auch die Zeit der Deponierung von Prunkbeilklingen aus alpinen Mineralgesteinen, wobei das Rheinland mit zu den Konzentrationspunkten dieser Tradition gehört. Am fundort fand sich auch der Beleg einer Prunkbeilklinge aus Jade die vom Mon Beigua bei Genua stammt. Ein prägendes Merkmal der Michelsberger Kultur sind Grabenanlagen deren größte bei Urmitz am Mittelrhein gelegen hat. Dieser Platz ist inzwischen weitgehend unbeobachtet durch Kiesabbau und Überbauung zerstört worden.

Bei Duisburg befand sich ein weiterer der Zentralorte dieser Kultur an einem Rheinübergang der offensichtlich für die Distribution von Feuerstein aus der Maasregion in Richtung der Hellwegzone eine prägende Rolle spielte. Es fanden sich zehntausende Artefakte insbesondere aus Massfeuerstein mit dem Schwerpunkt des Austauschs von Feuerstein aus der Region Rijckholt/Sint Geertuid. Weil es so viele gut bis vollständig erhaltene Artefakte gibt, liegen auch seltene Formen vor, die wohl nur bei spezialisierten Arbeiten an langfristig besiedelten Plätzen eingesetzt worden sind.

Diese Scheibenbeilklinge ist dafür ein gutes Beispiel. Vermutlich wurde sie zur feinen flächigen Bearbeitung von Hölzern eingesetzt.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo


Auch diese verbrannte Vorarbeit einer Dechselklinge aus einer Feuersteingrundform, die vom selben Fundpunkt stammt, wird dem Werzeugset zur feineren spanabhebenden Bearbeitung von Hölzern gedient haben.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Auch dies ist eine Scheibenbeilklinge der Michelsberger Kultur vom gleichen Fundgelände aus der Feuersteinvarietät "Rijckholt". Sie ist entlang der Langseiten wechselseitig ventral-dorsal und dorsal-ventral retuschiert worden


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Neos

Moin, Thomas,

beim ersten und zweiten Fundstück gehe ich hinsichtlich eines Scheibenbeils mit, wobei ich das erste - und hier insbesondere die Retusche auf dem Foto index-4.jpg - hinsichtlich Retuschen und Patina zudem noch echt schön finde. Beim dritten würde ich - allein auf Basis der Fotos - leichte Zweifel anmelden. Aber du hast das Stück schließlich vor Augen. Von daher...  :super:

Viele Grüße

Frank

Steinsucher

Hallo Thomas, hallo Frank,
bin jetzt auch etwas verwirrt und versuche mich mal zu sammeln. Zunächst mal: Schöne Exemplare. Da drückt schon die eine oder andere Erinnerungsträne. Für mich alten Sack gehört der Begriff "Scheibenbeil" irgendwie in den nordischen Kulturkreis. Ich habe mal ein, zugegeben etwas einfacher gearbeitetes Exemplar, aus dem Raum Teveren bei Geilenkirchen dem Junker Werner (JW) vorgelegt. So in den End-80ern. Er hat das nicht verworfen aber wollte es jetzt auch nicht als Scheibenbeil einstufen. Er machte mir eigentlich klar, Scheibenbeile sind ein "Leitfossil" des nordischen Mesolithikums. Was ich da hatte war zwar ähnlich aber eben aus einer anderen Zeit. Wenn ich mich recht erinnere sind wir so verblieben es als "Vorarbeit" für Irgendetwas zu benennen. Dann kam ja erst so richtig die Zeit der Erkenntnis: Es gab auch Dechselklingen aus Feuerstein. Ich für mich würde auch die hier von Thomas vorgestellten Stücke als "Vorarbeiten" für diesen Werkzeugtyp bezeichnen. Einfach um die Kulturstufen klar zu machen, in die die Artefakte gehören.
:-D Eben für mich.
Bleibt gesund.

thovalo

Zitat von: Steinsucher in 20. Juli 2021, 00:09:49
Hallo Thomas, hallo Frank,
bin jetzt auch etwas verwirrt und versuche mich mal zu sammeln. Zunächst mal: Schöne Exemplare. Da drückt schon die eine oder andere Erinnerungsträne. Für mich alten Sack gehört der Begriff "Scheibenbeil" irgendwie in den nordischen Kulturkreis. Ich habe mal ein, zugegeben etwas einfacher gearbeitetes Exemplar, aus dem Raum Teveren bei Geilenkirchen dem Junker Werner (JW) vorgelegt. So in den End-80ern. Er hat das nicht verworfen aber wollte es jetzt auch nicht als Scheibenbeil einstufen. Er machte mir eigentlich klar, Scheibenbeile sind ein "Leitfossil" des nordischen Mesolithikums. Was ich da hatte war zwar ähnlich aber eben aus einer anderen Zeit. Wenn ich mich recht erinnere sind wir so verblieben es als "Vorarbeit" für Irgendetwas zu benennen. Dann kam ja erst so richtig die Zeit der Erkenntnis: Es gab auch Dechselklingen aus Feuerstein. Ich für mich würde auch die hier von Thomas vorgestellten Stücke als "Vorarbeiten" für diesen Werkzeugtyp bezeichnen. Einfach um die Kulturstufen klar zu machen, in die die Artefakte gehören.
:-D Eben für mich.
Bleibt gesund.

Beim ersten Exemplar liegt sicher keine aufgewölbteSchneidenpartie vor, somit kann e keine Dechselklinge sein. Neben den biedne Stückengibt es noch weitere aber ich komme aktuell nicht an die Bilder.

Ja, Jürgen hatte das so definidert, aber im Autausch mit Niederländischen Kollegen lässt sich das nicht mehr halten. Auch auf Michelsberger Fundplätzen des Neolithikums Michelsberger Prägung kommen solche Scheibenbeiklingen vor, wie auch in Frankreich wo sie meist als tranchet bezeichnet werden. Das es Dechselklingen aus Feuerstrin gibt war ja noch zu Jürgens Zeit eine besondere Entdeckung und die Zeit und die neuen Erfahrungen setzen sich fort.

liebe und herzliche Grüße
Thomas



Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinsucher

.... und die Zeit und die neuen Erfahrungen setzen sich fort.

Ja, das ist wohl so und ist auch gut so!

Haut rein!!

Fritz  :super: