ausgesplitterte Teile

Begonnen von chmoellmann, 16. März 2010, 15:15:07

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chmoellmann

Hallo Neolithiker,
habe den erneuten Wintereinbruch genutzt, um Literatur zu verschlingen. Dabei bin ich auf die ja nicht unbeträchtliche Anzahl von ausgesplitterten Stücken in verschiedenen Fundkomplexen gestossen. Nur mit zweidimensionalen Abbildungen versehen, habe ich versucht, mich an diese Artefaktgruppe anzunähern. Bin mir noch nicht so sicher, ob ich da so alles begriffen habe. Aus meiner kiloschweren Feuersteinkiste von Michelsberger Erdwerk habe ich mal zwei "Muster rausgesucht, in der Hoffnung, ein ausgesplitterter Spezialist kann mir weiterhelfen und bestätigen oder verwerfen, das diese Stücke was sind.

Danke schon mal für jede Art von Rückmeldung

fuchs

Da hast du dir ja mal was Schwieriges ausgesucht! Ausgesplitterte Stücke treten schon im Mesolithikum auf. Die Interpretation als Meissel ist zwar vorherschend, wofür diese Meissel benutzt wurden ist aber oft nicht nachvollziehbar, auf Grund der Werkzeugumrisse.
Lange Zeit gab es für diese Artefakte gar keine Funktionszuordnung. Letzlich scheint sich niemand ernsthaft mit dieser Kategorie auseinander zu setzen.
Ich schätze mal, hier im Forum hängt sich auch keiner so weit raus.
Kann aber auch sein, daß nur mein persönlicher Kenntnisstand unzureichend ist, will mal nichts Falsches behaupten! Deshalb der Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr (und Gewehr). :irre:

chmoellmann

Hallo Fuchs,
das habe ich auch schon festgestellt! Pfeilspitzen sehen oft noch so neu und unverbraucht aus, dass auch Laien sie sicher bestimmen können. Ausgesplitterte Stücke sind da dünnes Eis, machen aber einen nicht unbeträchtlichen Teil von Grabungsfunden aus.
Und sie runden eben ein Befundbild auch ab. Deshalb dachte ich mir, dass in meinen mehreren Kilos gefundener und unbestimmter Feuersteine eigentlich auch sowas sein muss.
Wenn man nach dem Begriff googelt, tauchen ja auch nicht so viele Treffer auf, dass man schlauer wird.

rolfpeter

Servus,

so kompliziert ist das mit den ausgesplitterten Stücken eigentlich nicht.

Aussplitterungen treten ja bekanntlich an allen möglichen Geräten auf. Als "ausgesplitterte Stücke" bezeichnet man prinzipiell aber nur solche Geräte, an denen keine aus morphologischer Sicht höherwertigen Modifikationen auftreten. So bleibt ein Kratzer, auch wenn er Aussplitterungen hat, immer ein Kratzer.

Also: eine unmodifizierte Grundform (Abschlag oder Klinge) mit Aussplitterungen ist ein ausgesplittertes Stück.
Jetzt noch einen für Querdenker: ein ausgesplittertes Stück könnte durchaus aus einer geschliffenen Beilklinge hergestellt sein. Man kann die Merkmale der Beilklinge aber nirgendwo am Stück mehr erkennen. Fazit: in diesem Fall ist das ausgesplitterte Stück die letzte Verwendung einer Beilklinge. So gesehen ist das ausgesplitterte Stück praktisch der allerletze Arsch unter den Geräten!

Und so sind wir auch bei den beiden wichtigsten Theorien, zu was ausgesplitterte Stücke überhaupt dienten:
1. Meißel, Keil, Haudrauf....das ist die eine Theorie.
2. vollständige Ausnutzung des Materials als Grundformlieferant - also ein Kernstein (der A**** unter den Kernen).

Kennzeichen von ausgesplitterten Stücken sind immer deutlich ausgeprägte Wallnerlinien, Zeugnisse der wenig pfleglichen Behandlung. Bei einer Nutzung als Meißel oder Keil ist das logisch, bei der Zerlegung eines Restkernes auch.

Neben den eigentlichen ausgesplitterten Stücken gibt es auch noch die Abschläge, welche bei der Benutzung/Entstehung eins solchen zurück bleiben. Die zeichnen sich dann natürlich auch durch ausgeprägte Wallnerlinien aus, sie sind flach und dünn und es fehlt bei ihnen der Schlagflächenrest.

Ausgesplitterte Stücke können auch bestens von Pflügen, Grubbern, besser noch von Kreiseleggen produziert werden. Das macht ihre Identifikation bei Oberflächenfunden so schwierig. Bei Grabungsfunden sind sie auch keine wirklich häufige Kategorie. Mehr als 5% aus der Gesamtstückzahl kommt da durchschnittlich selten zusammen.

So, nun zu den Funden. Das weiß patinierte Stück könnte man evtl. in die Kategorie fassen. Mir kommt es aber eher wie ein Klopfstein vor (untere Seite). Das dunkle Stück kommt mir wie ein kleiner Rest eines Abschlagkerns mit rezenter Grubbermassage vor. An beiden Stücken sind die dunklen Negative rezenten Ursprungs.

HG
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

chmoellmann

@rolfpeter:
Mit der Häufigkeit von ausgesplitterten Teilen in Fundkomplexen sieht das doch sehr unterschiedlich aus. So ist bei der michelsberger Anlage in Koslar der Anteil mit ca. 26 % deutlich höher als die genannten 5%. In Salzkotten bei der Michelsberger Anlage liegt der Anteil sogar bei 46%, wohl aber auch dadurch bedingt, dass bei der Grabung ein besonders abfallreiches Grabenstück ausgebuddelt wurde.
In jeden Fall aber eine so deutliche Relevanz, dass es sich doch lohnt, sich mit dieser Gerätegruppe näher zu befassen.

rolfpeter

Zitat von: chmoellmann in 20. März 2010, 08:22:01
So ist bei der michelsberger Anlage in Koslar der Anteil mit ca. 26 % deutlich höher als die genannten 5%.

Da haste recht, im Jungneolithikum ist ihr Anteil deutlich höher.
Was sie für mich persönlich aber nicht interessant macht.

Es gibt sie.
Auf ihnen oder mit ihnen ist rumgeklopft worden.
Sie sind morphologisch schwer zu fassen.
Wenn sie nicht aus einer Grabung stammen, kann es sich bei eventuellen Kandidaten auch um modernen Schrott handeln.

Das wars!  :zwinker:

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

chmoellmann

Ist ja ohnehin nur die Frage, ob moderner oder alter Schrott, oder? :winke: