Mahlstein, "komplett mit scharf"

Begonnen von rolfpeter, 29. Dezember 2008, 19:54:04

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rolfpeter

Servus,

der Titel hört sich nach Dönerbude an - soll er auch!

Vollständige Mahlsteine findet man hier recht selten, auf 50 Bruchstücke ist vielleicht mal ein kompletter dabei. Es war gar nicht so einfach, den Möpp mit dem Messer aus dem Permafrost zu pickeln - und dann noch die Schlepperei zum Auto. Jetzt habe ich mir ein Adventinus Weizenstarkbier aus Kelheim verdient; 8,5% Allohol, das baut wieder auf!  :prost:

Der Stein wiegt knapp 8kg und ist 36cm lang. Material ist, typisch für hier im Alt- bis Mittelneolithikum, Eschweiler Kohlensandstein, kurz EKS. Das Ding wird wohl als Läufer gedient haben, für einen Unterlieger erscheint es mir zu klein. Bevor das gute Stück eingebuddelt wurde hat man es noch mal schön scharf gepickt, "was soll sonst die Nachwelt von uns denken...".
Ob es in der Jungsteinzeit schon Spießbürger gab?





HG
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

osman.herberger

Servus Rolfpeter !

Gratulation, Superteil ! 8 kg...das Bier hast Du Dir echt verdient. Übrigens, ich verbessere Dich nur ungerne, aber nachdem ich hier nur 25 km von Kelheim entfernt wohne: Das Weizen heisst Aventinus, benannt nach dem Geschichtsschreiber Aventinus, der eigentlich Thurmair hieß und im 15./16 Jahrhundert lebte.

Starkes Bier für einen starken Fund !!

Liebe Grüße aus Bayern

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

Hase

Und definitiv psychoaktives Gesöff! Kürzlich (im September/Oktober) gab es bei unserem Lebensmittelhökerer  in Erftstadt  5er Packs (MHD im Oktober auslaufend) mit Glas für 1,99. Hat sich auch unter den Kollegen auf der Grabung in Merzenich (  :winke: Rolfpeter, direkt um die Ecke, oder?) großer Begeisterung erfreut und ich fuhr nach erstem Mitbringen ständig mit vollem Kofferraum zur Arbeit.
Ansonsten schöner Stein, gab´s auf og Grabung auch öfter. Zumindest in Teilen :super:
Auf Erden herrscht die Liebe, im Himmel die Gnade, und nur in der Hölle gibt es Gerechtigkeit.
(Anaklet II.)

rolfpeter

Ach ihr Saufnasen!

Ich bin wohl noch im Christkindls-Rausch, sehe überall an den Tannenspitzen nur Weihnachtsbier!



Die Grabung in Merzenich habe ich besucht. Diesen "einarmigen Banditen" ----Tschuldigung lieber Denarius---- :engel: kennst Du ja sicher!



Das soll ja  wirklich eine ausgesprochen erfolgreiche Grabung dort gewesen sein, habe ich gehört. Man konnte es anhand der topographischen Gegebenheiten schon erahnen. Unterhalb eines Hanges gelegen, schön von Sedimenten abgedeckt, hat sich der ganze Kram gut und ungestört bis nach'm Krieg erhalten!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

szeletien

Servus rolfpeter
Sehr schöner und noch dazu in einem unversehrten Zustand, kongratulation`s.
Auch hier bei mir ein sehr seltener Fund. Nur Bruchstücke.Bestimmt hast Du schon ein schönes Plätzchen ausgesucht in einer Vitrine. Ich platziere meistens ein paar Getreideähren oder Steinkugeln auf der Arbeitsfläche des Mahlsteins.

Gruß Jürgen

Silex

Schön anzusehen... wie in einer Museumsvitrine.
Was mich verwirrt :Konkaver, so mächtiger  "Läufer"?

Und so tiefe Grabungsschichten....



(Der "Aventinus" ist auch ein "mächtiger Läufer". Mein Tip:
-Man setze sich (immer zu zweit ,an einen liebgewonnenen Ort)
-trinke - nicht hastig- 2 solcher Möppe (nicht sehr kalt)
-spüre,  ohne krampfhaftes Suchen, nach den entlegendsten  nie gefühlten Winkeln des Körpers und Geistes
-spätestens nach den ersten Schlücken der dritten Patrone  entsteht ein sanftwarmer Druck an der zenitären   Schädelkalotte....als ob sich weitere Sinnestentakeln bilden wollten...Fühler  in eine nie gekannte Welt.....
-bei den ersten konvulsivischen Glückszuckungen sollte man das Experiment  aber dann gelinde ausklingen lassen.
Ein bayerischer Evolutionsbiologe (Joseph Reichholf) erklärt die Sesshaftwerdung des Menschen...mit der nur dadurch möglichen Alkoholproduktion....war irgendwo in br II....sehr interessante Ansätze.....und da wird RP`s Läufer vielleicht auch eine quetschende Rolle gespielt haben )

Danke
vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

osman.herberger

#6
Das, was der Edi gerade angesprochen bzw. angeschrieben hat, die Sesshaftwerdung des Menschen bedingt durch die Alkoholproduktion, hat mich zum "Googeln" veranlasst. Das Buch von Joseph Reichholf heisst "Warum die Menschen sesshaft wurden. Das größte Rätsel unserer Geschichte".
Hier gibts einen interessanten Bericht über die Theorie bzw. das Buch:

http://oe1.orf.at/highlights/127350.html

Ein kleiner Auszug aus dem Bericht:

Um das Rätsel des Ursprungs der landwirtschaftlichen Kulturen und des Sesshaftwerdens der Menschen lösen zu können, sollte man sich von der Vorstellung, Not und Mangel hätten dieses bewirkt, verabschieden, meint Reichholf, der dafür plädiert, den Blick von der Entwicklung der äußeren Natur auf die "physische Evolution des Menschen" zu richten - und sich eine ganz andere Frage stellt: "Kann am Anfang das Bier gestanden haben und nicht das Brot? Und ist erst aus der Fülle des Getreides, das man dazu anbaute, Bier zu erzeugen, die weitere Nutzung, als Funktionswandel, zum Brot hin zustande gekommen? Mit diesem Ansatz bin ich dann fündig geworden."

Prosit !

P.S.: Hab grad noch ein Video gefunden, Herr Reichholf erläutert im ZDF-Nachtstudio seine These:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/578918?inPopup=true
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

Hase

Zitat-Man setze sich (immer zu zweit ,an einen liebgewonnenen Ort)
-trinke - nicht hastig- 2 solcher Möppe (nicht sehr kalt)
-spüre,  ohne krampfhaftes Suchen, nach den entlegendsten  nie gefühlten Winkeln des Körpers und Geistes
-spätestens nach den ersten Schlücken der dritten Patrone  entsteht ein sanftwarmer Druck an der zenitären   Schädelkalotte....als ob sich weitere Sinnestentakeln bilden wollten...Fühler  in eine nie gekannte Welt.....
-bei den ersten konvulsivischen Glückszuckungen sollte man das Experiment  aber dann gelinde ausklingen lassen.

Vortrefflich formuliert, das ist es, was ich als psychoaktive Wirkung beschreiben wollte. Bravo Silex!
Auf Erden herrscht die Liebe, im Himmel die Gnade, und nur in der Hölle gibt es Gerechtigkeit.
(Anaklet II.)

steinsucher

Hallo Forum, hallo RP,

beim nächsten Frosteinsatz nimm doch gleich ein bis zwei Flaschen mit auf das Terrain.

Beim Auffinden einfach draufkippen und warten. Es löst sich dann schon. Die Dritte kannst du dann ja zu Hause trinken, wegen des Fahrverbots.

Feines Stück. Wenn ich das so sehe habe ich möglicherweise auch nur Läufer oder deren Reste gefunden. Der Kohlesandstein ist mir geologisch immer noch nicht ganz klar. Meine Heimat war beherrscht von Sandstein (Porta Westfalica), aber da war keine Kohle.  Deine Fotos gewinnen immer mehr an Qualität, Respekt.

Auf 2009 -  :prost:  , bleibt alle gesund und liebe Grüße,

Fritz.

rolfpeter

Habt Dank für die schönen Beiträge!. Ist ja bald schon ein philosophisches Seminar hier. Ich habe das 3-Granaten-Experiment gestern am eigenen Geiste durchgeführt und kann Edis Ausführungen nur bestätigen.

Läufer, Unterlieger?
Es könnte sich auch um einen kleinen Unterlieger handeln, vielleicht spricht die Form des Steines sogar für diese These. Größe und Gewicht liegen irgendwo im Grenzbereich, für einen Läufer zu groß, für einen Unterlieger zu klein. Mit der 10-fach-Lupe konnte ich keine Kratzer oder Riefen auf der Mahlfläche erkennen, die eine Vorzugsrichtung bei der Benutzung nachweisen. Bleibe aber am Ball.

EKS?
Sandstein, in dem Steinkohleflitter eingelagert sind. Steht im Stolberger Raum an, hier trat in vorindustrieller Zeit auch Steinkohle zu Tage. Das Material ist von guter Qualität und wurde im Neolithikum wahrscheinlich dort in Steinbrüchen abgebaut. Ein Transport über Inde, Rur und dann wieder bachaufwärts zu den Siedlungsstellen mit Einbäumen wäre denkbar.
In der Region gibt es nur 2 nennenswerte Vorkommen von geeignetem Sandstein: EKS s.o. und Buntsandstein bei Nideggen im Rurtal. Auf Siedlungsstellen weiter Ellbach-aufwärts, in Der Gegend bei Vettweis, findet man manchmal Mahlstein-Bruchstücke aus Buntsandstein. Aber auch dort überwiegt EKS, obwohl Nideggen quasi vor der Tür liegt. EKS scheint sich wesentlich besser geeignet zu haben.
Es gibt Literatur: Stone Age - Mining Age - Der Anschnitt, Beiheft 19, 2006; Jürgen Weiner & Jörg Schalich - On Potential Bandkeramik Millstone Quarries in the Rhineland . Da steht alles drin, was man wissen sollte!

Auftauen von Artefakten im Frostboden?
Die Idee ist gut, lieber Fritz! Ich werde allerdings das edle Stöffchen vorher durch den körpereigenen Ionentauscher schicken und das Medium somit auf frostbrechende 37 Grad Celsius erwärmen. Ich fahre sowieso nur Schleichwege - wegen des Fahverbots!

Bleibt gesund und glücklich

RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert