Kombinationsgerät: ein großer "Spitzklingenkratzer" ?

Begonnen von thovalo, 05. Juni 2010, 14:30:03

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thovalo

Liebes Forum!   :-)

Nachdem ich eine Auswahl von Funden von einem der Hauptfundplätze auf dem Großfundareal am Niederrhein zeigen konnte, möchte ich Euch einige Belegstücke aus einem zweiten Hauptfundkomplex dieser Siedlung vorstellen.

Dieser zweite Fundkomplex ist durch den einheitlichen Gebrauch von Rohfeuersteinvarietäten und typologische Merkmale mit allen anderen Fundkomplexen auf dem Gesamtfundareal zeitlich und kulturell eng verbunden.


Dank des Austauschs mit queque  :winke:  konnte ich mir nochmal "Vergegenwärtigen", dass in der Großsiedlung, im Unterschied zu Fundbelegen der jungneolithischen "Michelsberger Kultur" in der Kölner Bucht und dem Braunkohleabbaugebiet, zwar im Vergleich zu alt- und mittelneolithischen Kulturerscheinungen vergleichsweise großformatige Grundformen, insbesondere aus Feuerstein der Varietät "Rijkholt" verwendet worden sind. Doch liegt das Durchschnittsmaß hier im Material doch  DEUTLICH unterhalb der oft besonders beindruckenden Dimensionen der großformatigen Michelsberger Grundformen!

Dies scheint ein weiteres Indiz für die Hypothese zu sein, dass es sich bei dem hier liegenden Fundareal um einen Hauptsiedlungskomplex des im Rheinland bislang kaum bekannten späten Neolithikms handeln kann. Der Ort besaß offenbar eine weit herausragende zentralörtliche Stellung mit einiger Bedeutung für den Austausch von Silexvarietäten zwischen Westen und Osten.

:-)


Unter den Fundkomplexen des großen Siedlungsplatzes handelt es sich bei dieser zweiten Hauptfundstelle um einen Werk- und Siedlungsplatz mit einer deutlichen Bevorzugung von Klingen als Grundformen. Im Gegensatz dazu sind auf allen anderen Plätzen gegenüber Klingen höhere Anteile von Abschlägen verarbeitet worden.

Es handelt sich dem Eindruck nach um einen spezialisierten Werkplatz zur bevorzugten Bearbeitung weicher flexibler Materialien, da die Artefakte, im Vergleich zu Fundbelegen aus anderen Fundkomplexen des Ortes, weniger intensiv ausgeprägte Arbeitsspuren aufweisen.

Inzwischen deutet Vieles darauf hin, dass es innerhalb der Großsiedlung eine komplex strukturierte, "arbeitsteilige" Organisationsstruktur gegeben hat, die ausdrücklich auch die gezielte Beschaffung von Rohgesteinen mit eingeschlossen haben muss, da derart umfangreiche Mengen qualitatativ hochwertiger Silices in keinen Fall im Austausch von Ort zu Ort und von Hand zu Hand durchgeführt worden ist. Dieses in der Facharchäologie sicher zu simpel und schlicht linear konstruierte "Modell" des Austauschs von Silexvarietäten und anderer Rohgesteine, muss von Platz zu Platz überprüft werden und hat für diesen Ort ausdrücklich keinen Aussagewert. Kein einziger neolithischer Fundplatz zwischen den Abbaustellen bei Rijkholt - Sint Geertruid und diesem Fundplatz am Niederrhein hat inzwischen mehr Material und Belegstücke der Bearbeitung von eingeführten Rohfeuersteinknollen dieser Feuersteinvarietät überliefert.


Bei dem hier gezeigten Fundbeleg handelt es sich um eine umlaufend vollständig ventral-dorsal retuschierte Klinge mit bilaterial spitz zulaufender Spitze in der Art einer "Spitzklinge" und einer gegenständigen "Kratzerkappe", die beim Arbeitseinsatz (!) am äußeren Funktionsende konkav ausgebrochen ist.


Maße:

Länge: 8.3 cm; max. Breite: 3.2 cm; max. Stärke:  0.9 cm



LG und ein schönes Wochenende!    :-)
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

rolfpeter

Servus,

schönes, vollständig erhaltenes Stück.

Die Kombination Spitzklinge/Kratzer bietet sich ja eigentlich an. Man hat genug Anpackfläche zum Arbeiten, ideal.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert