Axt mit Langloch

Begonnen von rolfpeter, 10. März 2010, 18:53:53

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rolfpeter

Servus,

in meiner Gegend im Rheinland gehören Äxte wirklich nicht zu den alltäglichen Funden. Heute habe ich aber noch mal ein Bruchstück aufgelesen.

Es scheint sich sogar um ein ganz besonderes Exemplar zu handeln.

Die Story: im April 2005 hatte ich eine Axtschneide aufgelesen, die habe ich damals auch hier - oder wars noch beim seligen Heimdall - vorgestellt. Der geringe Durchmesser der Bohrung war mir damals schon suspekt. Nun taucht in rund 250m Entfernung der zugehörige Nacken auf! Das Stück ist alt gebrochen, die Bruchstelle paßt auch nicht 100%ig zusammen. Trotzdem handelt es sich eindeutig um zwei Teile eines einzigen Artefakts.

Bemerkenswert ist die Bohrung!
Es handelt sich nicht um ein kreisförmiges Loch, sondern um ein Langloch, ähnlich wie es bei den heutigen modernen Äxten üblich ist.
Ich habe mal das bißchen Axtliteratur, was ich habe, durchgeblättert, aber nichts vergleichbares gefunden. Überall nur kreisrunde Bohrungen. Das einzige Exemplar mit Langloch, das ich kenne, habe ich seinerzeit im Hessischen Landesmuseum zu Kassel geknipst. Wenn ich mich recht entsinne, stand es in der Glockenbecherecke. Auf dem Schildchen stand nur "Axt aus Serpentin".

Könnte mir bitte jemand bei der Bestimmung weiterhelfen?
Alter?
Kultur?
Wie wurden Langlöcher gebohrt?
Kennt jemand Ähnliches?
Literatur?

Ihr seht - Fragen über Fragen....

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Marienbad

Hallo Rolf Peter,
das ist ja der ,,Hammer", mein Glückwunsch. :super:

Aus dem jüngeren nordischen Neolithikum kenne ich diese Durchlochungsform, ist aber eher selten vertreten bei steinernen Geräten.
Es gibt diese Löcher auch in rechteckiger Form.
Bei Geweihwerkzeugen kommen sie hier öfter vor.
Der Zweck dieser ovalen Form ist eindeutig, der Schaft kann sich nicht verdrehen.
Die Herstellung kann nur vermutet werden, Halbfabrikate sind mir unbekannt um vergleichen zu können.
Herstellungsvorschlag: Ein normales Loch bohren und dann schleifen bis die ovale Form geschaffen ist.

HG   Manfred  :winke:

rolfpeter

Die Schlosser bohren 2 Löcher direkt nebeneinander und entfernen den Steg dazwischen. Könnte bei der speziellen Form dieses Stücks gerade so funktionieren.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Marienbad

das geht sicher auch, aber langwieriges schleifen ist auch dann nötig.

a.k.a. rentner

Gratuliere!!!!!!!!!!!
ich hoffe Du musst nicht noch 5 weitere Jahre warten bis sich das dritte Stück blicken lässt.
Grüße
M.

queque

Hallo RP, kann Dir bei Deinen Fragen nicht weiter helfen, aber beglückwünschen wollte ich Dich trotzdem: ein sehr spannendes Teil (ich wusste bis gerade gar nicht, dass es solche Bohrungen gab) und eine schöne Fundgeschichte. Vielleicht schaut sich Larry die Tage das Teil mal an, der hat Ahnung von Äxten und Beilen.
Gruß
Bastl

Larry Flint

Tja, RP - du bist ja ein wahres Glücksschweinchen...

Jedenfalls denke ich, dass du mit deiner Einschätzung richtig liegst - es sind eine ganze Reihe von Äxten dieses Typs aus der Glockenbecherkultur bekannt.
Wömoglich hat's da ein Grab zerlegt - halt mal die Augen nach passender Keramik auf!

Belege ausse Literatur liefer' ich bis zum Wochenende nach, denn ich muss mir für meine hochbegabten Schützlinge jetzt noch ein Klausürchen für morgen aus dem Kreuz drücken...

:winke:

Larry

PS: Zum Zweck ovaler Schäftungslöcher bei steinernen Äxten  möcht' ich mich jetzt nicht auslassen - da ist meine Ahnung wirklich nur dunkel. Aber ich ahne mal mit aller gebotenen Vorsicht, dass die Sache in diesem Fall nicht unbedingt etwas mit der Handhabung zu tun haben muss, Herr Marienbad...

rolfpeter

Ja Ihr seid ja Jungs!

Machs nicht so schwer, das Klausürchen, hast nachher auch weniger Arbeit mit den Heften...und die Liebchen sind häppie!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Larry Flint

Zitat von: rolfpeter in 10. März 2010, 21:59:45
[...] Machs nicht so schwer, das Klausürchen, hast nachher auch weniger Arbeit mit den Heften...und die Liebchen sind häppie!

Keine Sorge - gemäß landesherrlicher Weisung darf man die Brut eh' nicht mehr wirklich fordern, weil sonst zuviele durch die Abiprüfungen rasseln.

Tja, auch so kann man PISA in den Griff kriegen...

Habe mir schon mehrfach überlegt, die Lerninhalte künftig per Zäpfchen (Abirectal forte) zu verabreichen - weitere Infos auf www.ALLET-FÜR'N-ARSCH.de)...

Aba watt soll's - Jammern gehört halt zum Handwerk.

:winke:

Larry


chmoellmann

Das mit den Zäpfchen find ich gut. Sozusagen ein rektaler Nürnberger Trichter... Haben die Jesuiten ja auch schon versucht... :irre:
Sind die Löcher dabei kreissrund und/oder oval (!)?

Oh, Mann, hoffentlich liest das keiner von der Schule, wo ich im Eltervertreterkreis sitze...

Marienbad

Hallo Rolf Peter,

die fein gearbeiteten und schlanken Beile mit dem ovalen Loch stammen in SH alle aus Gräbern und dürften
als Statussymbol gedient haben. Sie sind eher selten.

Die robusten Arbeitsbeile aus SH sind alle fragmentiert und stammen von Oberflächenfunden.
Zeitlich werden sie ins Endneolithikum - BZ eingestuft.

hier mal zwei Fotos aus dem kulturhistorischem Museum in Stralsund.

HG  Manfred


rolfpeter

Danke für die Bilder, Manfred!

Ja, in den Museen werden oft nur die Premium-Exemplare gezeigt.

Larry hat sich auch nicht mehr gemeldet, vielleicht war die Klausur doch zu schwer und die Eleven haben den Pauker gelyncht - muß mal im Kölner Express nachlesen.

Werde wohl die Tage mit dem Stück zum Jürgen Weiner fahren, vielleicht kennt der ja vergleichbare Funde.

Bis dann
HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

queque

Zitat von: rolfpeter in 16. März 2010, 05:03:10
Larry hat sich auch nicht mehr gemeldet, vielleicht war die Klausur doch zu schwer und die Eleven haben den Pauker gelyncht - muß mal im Kölner Express nachlesen.

Moin RP,

da mach Dir mal um Larry keine Sorgen: Wenn's passiert, dann anders herum.

Gruß
Bastl

Sprotte

Zitat von: Marienbad in 13. März 2010, 19:25:40
die fein gearbeiteten und schlanken Beile mit dem ovalen Loch stammen in SH alle aus Gräbern und dürften
als Statussymbol gedient haben. Sie sind eher selten.
.....
hier mal zwei Fotos aus dem kulturhistorischem Museum in Stralsund.

Ich kann mich Manfred nur anschließen. In Mecklenburg und Vorpommern kommen derartige Äxte mit langovalem Schaftloch z.B. in Nachbestattungen in Megalithgräbern vor. Diese weisen einen "Nackenkamm" auf (wie auf den Fotos aus dem kulturhistorischem Museum in Stralsund zu erkennen ist - der Nackenkamm kann aber auch anders ausgebildet sein). Diese Nackenkammäxte werden der Westgruppe der Kugelamphorenkultur zugerechnet.

Viele Grüße  :winke:
Sprotte

Khamsin

Moin!

Da gibt es eine Doktorarbeit mit schlaffen 959 Seiten:

M. Malmer, Jungneolithische Studien. Acta Arch. Lund. Series in 8°, No. 2 (Bonn/Lund 1962).

Und auf den Seiten von rd. 607 bis so etwas 650 behandelt der gute Mann Äxte, die Bohrung der Schaftlöcher mit diversen Methoden, das Ausschleifen derselben etc. Wer weiss, vielleicht hilft´s ja.

Das waren noch gute Zeiten, in denen solche Arbeiten möglich waren. Sprich: da gab es noch so etwas wie akademische Freiheit. Wer im Zusammenhang mit heutigen Studienbedingungen davon faselt, dem sollte die Kauleiste richten.

HG KIS 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Habe heute kurz den Jürgen Weiner getroffen, hatte ihm eine email bezüglich des Fundes geschrieben.

Der konnte was zur Herkunft der Axtklinge aus dem Hessischen Landesmuseum beitragen. Die stammt aus dem Steinkistengrab von Lohra, Hessen, Gegend von Marburg. Dieses Steinkistengrab gehört zur spätneolithischen Wartberg-Kultur (3500 - 2800 v. Chr.).

Man kann sich die Wahrheit zwar nicht je nach Gusto aussuchen, aber Spätneolithikum paßt wesentlich besser zum Fundort als Endneolithikum. Im Umfeld des Fundorts, der am Rande einer Hochfläche liegt, wimmelt es förmlich von Stücken, die man getrost ins nachmichelsbergliche Neolithikum einsortieren darf.

Ein Siedlungsplatz mit nennenswerten Mengen an Lousberg-Abschlägen, der einzige derartige Platz, den ich kenne, mal abgesehen vom Lousberg selbst.
Beilklingen aus Rohmaterialien, die untypisch für MK sind: Tonschiefer, Lousberg-Flint, Simpelveld-Flint, Valkenburg-Flint. Rijckholt-Feuerstein ist dort von untergeordneter Bedeutung.
Es gibt kaum ebenmäßig-schöne große Klingen, dafür viele Abschläge, auch typisch fürs Spätneolithikum, manche Autoren schreiben in dem Zusammenhang von "opportunistischer Abschlagindustrie".

Jetzt will ich aber nicht verheimlichen, was die Sache mit dem Spätneolithikum so interessant für mich macht:
offiziell gibt es im Rheinland nämlich kein Spätneolithikum!
Zu der Zeit, um die es hier geht, war östlich von hier die Wartberg-Kultur, nördlich die TBK, ein wenig weiter nach Westen die Vlaardinger Kultur, noch ein wenig nach links die Stein-Gruppe und im Westen die Seine-Oise-Marne-Kultur. Alle gekennzeichnet durch Großsteingräber, Steinsetzungen, Kollektivbestattungen. Nun wird man im Rheinland lange nach 'nem Großsteingrab suchen können und wird trotzdem keines finden. Es gibt auf den Lößbörden nämlich keine Großsteine. Vielleicht haben aber die Leutchen damals hier bei uns Holzkistengräber gebaut, die zwischenzeitlich vergangen sind, samt den beiliegenden Knochen!

Also, weil es hier keine großen Steine gab, werden die Burschen bestimmt keinen Bogen ums schöne Rheinland gemacht haben.

In diesem Sinne
HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert