Neue Funde aus dem späten Paläolithikum bei Düsseldorf

Begonnen von thovalo, 13. Mai 2018, 18:12:20

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thovalo



Hallo Zusammen!

Gestern konnte ich per Zug und Rad raus.
Es war keine allzu dankenswerte jedoch sehr anstrengende Unternehmung.
Die Fundfläche war nicht abgeregnet und es war richtig heiss und schwül.

Vier Stunden lang bin ich gelaufen und konnte wenigstens einige Artefakte aus der im späten Paläolithikum aufgesuchten Fläche auflesen.
2/3 der Grundfläche habe ich geschafft dann konnte ich einfach nicht mehr.

Wie immer sind es nur wenige Artefakte, aber in Anbetracht der Zeitstellung bringt das geduldsame Sammeln mit der Zeit doch ein gut ansprechbares Gesamtfundinventar zusammen.


In der Hauptsache handelt es sich um Debitage.

Dann fand sich dazu ein Kernstein, zwei "kurze" Kratzer, ein kleiner länglicher Kratzer an einem Abschlag von einem Lamellenkernstein, eine kleine Lamelle und das Fragment eines größeren Rückenmessers mit abrupt steiler Retuschierung, das leider an beiden Ende frisch gebrochen ist.


Fast alle Silexartefakte bestehen aus "baltischen Geschiebefeuerstein" was darauf hindeutet, dass die hier lagernden Menschen aus dem Norden oder dem Osten an den Platz gekommen waren. Es fanden sich (bislang) keine Artefakte aus Chalzedon aus Muffendorf bei Bonn oder aus "westischen Feuerstein" der Maasregion.

Unter den Neufunden befindet sich auch ein gut gelungener Abschlag von einem Maasei. Maaseier konnten im nahen Umfeld aus Flussschotterablagerungen aufgelesen werden.

Die meisten Artefakte sind blau-weißlich oder pozellanartig weiß patiniert.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#1


Die Lamelle (rechts) mit einem bereits vorliegenden Vergleichsstück (links)
Länge: 1.8 cm
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#2


Das Fragment eines (leider :heul:) an beiden Enden frisch gebrochenen Rückenmessers. Auf dem ersten Bild liegt die Retuschierung auf der linken Seite.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#3

Die drei Kratzer:

der erste ist ein für die Zeit hoch charakteristischer "kurzer Kratzer" und im Fundinventar nun das großte Exemplar dieser Gattung. Als Grundform diente typischerweise ein massiver Abschlag von einer rohen Feuersteinknolle.


Im vierten Bild der Neufund (oben, zweiter von links) mit drei bereits vorliegenden "kurzen Kratzern" gleicher Machart.


Höhe 1.8 cm, max. Breite 3.8 cm
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Der zweite "kurze Kratzer" wurden ebenso an einem groben Abschlag angelegt.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#5


Die dritte Kratzerkappe wurde an einem Abschlag von einem Lamellenkern angelegt.


Insgesamt zeigt sich der Platz weiterhin als ein über nur wenige Tage oder Wochen hinweg aufgesuchter Platz mit weit verstreuten Aktivitätszonen mit einem, vergleichsweise zu längerfristig oder wiederholt aufgesuchten Plätzen, geringen Fundniederschlag.


In der Übersicht der Fundbelege sind die Jagd mit Pfeil und Bogen (zwei "Federmesser" und eine bislang in NRW singuläre "gestielte Rückenspitze" sowie Rückenmesser die ebenfalls in Pfeilschäfte eingesetzt wurden), die Steinbearbeitung (Kernsteine, Debitage, Lamellen, Abschläge, Klingen, "Amboßstein", "Schlagsteine" und  zwei Retuscheure), die Bearbeitung von Knochen und Geweih (Stichel) sowie die Bearbeitung organischer Substanzen (Häute, Felle, Bast, Rinden, Gräser usw.) mithilfe von Kratzern dokumentiert. Eine kleinformatige Steinperle gehört zu den Sonderfunden für eine Platz dieser Zeitstellung.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

psearch

Keine schlechte Ausbeute für die Umstände und die Suchzeit  :super:. Vor allem die vielen retuschierten Grundformen würde ich selbst auf meinen neolithischen Fundstellen so nicht finden. Und alles aus nur einem Rohmaterial ...  :prost:. Da kann man schön die Bearbeitungsphasen studieren ...

thovalo

Zitat von: psearch in 13. Mai 2018, 18:48:49
Keine schlechte Ausbeute für die Umstände und die Suchzeit  :super:. Vor allem die vielen retuschierten Grundformen würde ich selbst auf meinen neolithischen Fundstellen so nicht finden. Und alles aus nur einem Rohmaterial ...  :prost:. Da kann man schön die Bearbeitungsphasen studieren ...


Das stimmt ...... und irgendwann gelingen hoffentlich auch die ersten Anpassungen!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Servus Thomas,
da hast Du ein äußerst spannendes aber auch sehr zeitaufwendiges Fundareal aufgetan.

Das Fundspektrum ist sehr vielversprechend und typisch für diese Phase, auch das relativ häufige Auftreten dieser Kratzerkappen passt
und spiegelt sich auch im vergleichbaren Zeithorizont meiner Fundstellen.

Weiter so Thomas und bin schon auf kommende Funde gespannt.


Gruß
Peter :winke:

thovalo



Danke Peter und für mich auch sehr schön, dass Du Vergleichbares kennst!  :winke:


Es ist eine sehr weite Fläche und ohne Sorgfalt und über Stunden hinweg eng gelaufende Bahnen mit viel Frustrationstoleranz geht da nichts. Das ist keiner der vielfach immer wieder aufgesuchten Plätze auf denen sich Mengen von Hinterlassenschaften konzentrieren. Dort gab es wohl nur einen einzigen und nicht allzu lange andauernder Aufenthalt.

Aufwändig sind die Prospektionen aber sehr lohnend, weil der Platz eine große Fundlücke in der Gesamtverbreitung in der ohnehin nicht allzu häufigen Plätze dieser Zeitstellung vom rechten Niederrhein bishin nach Westfalen schließt.

Ich bin mir sicher, dass mehrere Fundplätze in der Region liegen werden, aber da müssten mehrere Sammler ebenso intensiv unterwegs sein um weitere Stellen ausfindig machen zu können. Die gibt es aber nicht mehr. Die sind Alle hin und weg!


Ich hab noch einige Jahre .... hoffichma!  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.