Baiersdorfer Halbfabrikate

Begonnen von Furchenhäschen, 19. Juli 2020, 13:03:01

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Furchenhäschen

Servus,
nachdem sich hier, im Steineforum saisonbedingt sowenig tut dachte ich mir ich zeige eine Serie von Halbfabrikaten verschiedener Zeitstufen
aus Baiersdorfer Plattenhornsteinen und den weniger bekannten Knollen, die qualitativ nicht schlechter waren.


Aufgelesen: Baiersdorfer Abbaustellen

Als erstes ein relativ großes Stück Baiersdorfer Knolle, wohl eines jener Stücke das in das Mittelpaläolithikum gehören könnte. Ich denke da an einen Zweiseiter,
ein Faustkeil oder Keilmesser im Vorstadium scheinen wahrscheinlich.

Grüße
Peter

thovalo



Hallo Peter!

Denke für's Zeigen  :winke:

Klasse mal wieder an so ein Vorkommen und das Aussehen des Materials erinert zu werden!


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Servus Peter,

ein schöner Beleg. Bei Zweiseiter oder Biface würde ich mitgehen. Obwohl ich bei Betrachten des ersten Fotos zuerst an einen Kern gedacht hatte. Hast du noch eine Seitenansicht für uns?

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

#3
Servus Thomas
und danke :winke:

Servus Holger,

gerne liefere ich noch Fotos nach, werde ich wohl morgen bei Tageslicht anfertigen.

Bei den Funden von Baiersdorf, direkt von den Abbauflächen muss man immer beachten das man ausschließlich halbfertige, gebrochene oder misslungene, verworfene Artefakte findet.
Die Werkzeuge wurden an Ort und Stelle grob vorgefertigt um für den Transport Gewicht zu sparen.
Der Ausschuß blieb liegen.
Stücke aus Baiersdorf wurden wegen des qualitätvollen Hornsteins ja teils weit über 100 km und mehr vertragen, vielleicht fand auch schon ein gewisser Handel statt.  

Bei dem hier gezeigten Stück scheiterte die Weiterbearbeitung an einem verdeckten Materialfehler im Gestein, sieht man dann morgen an den nachgereichten Fotos.
Deswegen wurde das Stück auch sofort wieder verworfen.
Bevor die Abbaustelle überrannt wurde, vor 40 bis 50 Jahren fanden sich dort auch große Sichelklingen die zu 70 bis 80% fertiggestellt waren. Da rätselt man dann schon was letztendlich den Steinschläger veranlasste das Stück liegen zu lassen.

Man kann sagen 40.000 Jahre Bergbau bzw. Tagebau auf den Jurahöhen!
Die Lesefundstücke aus den Abbaugebieten muss man mit etwas anderen Augen betrachten als die von Siedlungsbefunden.
An diesen Abbaustellen finden bzw. fanden sich Stücke aus einem Zeitraum von nahezu 40.000 Jahren, vielleicht auch noch mehr.
Grüße
Peter

Furchenhäschen

Hallo Holger,

Kerne wirst Du im Abbaugebiet sicher nicht finden.
Die Neolithiker verwendeten vorwiegend den Plattenhornstein und
die etwas weniger vorhandenen etwas abseits gelegenen Hornsteinknollenabbau hauptsächl. im Paläolith.
Anbei jetzt noch die beiden Lateralen.

Grüße
Peter

Furchenhäschen

Hallo,
etwas eindeutiger und besser "einzufangen" ist dieses beidseitig bearbeitete Hornsteinartefakt (evtl. zu 40 % fertiggestellt,)von der Abbaustelle.
Wohl auch dem Mittelpaläolithikum zuzuordnen.

Grüße
Peter

Danske

Servus Peter,

danke für die ausführlichen Informationen und die neuen Fotos auch mit Seitenansicht.

Unabhängig von der Fundsituation (Abbaustelle) scheidet ein Kern wirklich aus. Vorarbeiten für Zweiseiter scheinen am wahrscheinlichsten.

Landwirtschaftliche Maschinen haben auch ihre Spuren (Rost) zumindest am ersten Stück hinterlassen.

Vorarbeiten sind sehr oft interessanter als die fertigen Stücke, weil eben auch Fertigungsschritte nachvollzogen werden können.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

Hallo,

jetzt hier ein verworfenes Stück aus dem qualitätvollen Baiersdorfer Plattenhornstein.
Für diesen Plattenhornstein ist es charakteristisch das eine Seite der Kortex glatt und die andere rauh ist.
Gerne wurde der Plattenhornstein für die großen Sichelklingen der Altheimerkultur verwendet. Exemplare bis 25 cm sind bekannt.
Dieses verworfene Stück misst 16 cm und man kann erahnen das es genau so eine Sichel hätte werden sollen.
Die Grundform ist jedenfalls gut erkennbar und es lässt sich auch erahnen was dem Steinschläger passierte.
Als erster Bearbeitungsschrift wurde offensichtlich die Schneidenretusche grob vorgeschlagen und dabei muss wohl die Platte gebrochen sein sodass zu wenig Material an der schmalsten Stelle für eine Weiterbearbeitung übrig blieb.

Grüße
Peter

RockandRole

Guten Morgen Peter,

interessante Stücke, welche du da einstellst und eine interessante Geschichte zu dieser Abbaustelle. Ich bin jedes Mal sehr überrascht, wenn ich mir den Maßstab betrachte. Dann muss ich umdenken und erkennen, dass deine Stücke Normalformat haben und nicht meine  :-D Von der Bearbeitung her sind aber Parallelen zu unseren Stücken vorhanden. Deine Halbfabrikate haben natürlich auch die Erscheinungsform von Kernen, weil ja die feine Zurichtung fehlt. Da kann man vortrefflich bei einem Bierchen diskutieren. Ein Halbfabrikat von einem Kerngerät ist ja ein Kern, und so schließt sich der Kreis.

Auch das Einstellen von der Sichelvorarbeit hilft sehr, da kann man mal sehen was mit dem Gestein über die Jahrtausende passiert.

Gerne würde ich mir irgenwann einmal die Situation vor Ort ansehen und begreifen.

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Furchenhäschen

#9
Servus Daniel,

gerne können wir bei Gelegenheit eine gemeinsame Begehung machen, die letzte ist ja schon wieder eine Ewigkeit her.

Die Fundstücke von Baiersdorf sind deswegen interessant weil man die Vorarbeiten, die direkt an der Abbaustelle hergestellt wurden sehr gut einschätzen kann.
Bei diesem Stück sieht man doch das die Steinschläger nicht zimperlich mit dem Werkstoff umgingen, die große und recht grobe Vorretuschierung beweist das.
Wo hat man diese Einblicke sonst wenn nicht in Baiersdorf.
Bei Interesse hätte noch ein paar Halbfabrikate in petto.

Grüße
Peter

Landfrau

#10
Hallo zusammen,

ich melde mich gerne auch zum Baiersdorfer Thema. Ich hatte nämlich Ende letzter Woche die Gelegenheit dorthin zu fahren.
Da ich davon sehr beeindruckt bin, wollte ich euch teilhaben lassen.  :winke:
Eigentlich wusste ich nicht so recht, wie ich mich am Besten auf die Erkundung der Gegend mache, aber Furchenhäschen hat mich bestärkt und eingewiesen. Danke dafür.  :Danke2: Ich hatte mir im Bayernatlas die ehemalige Abbaustelle des Jurahornsteins bei Baiersdorf rausgesucht. Eines der Felder dort war bereits gedroschen, ein Stoppelfeld, direkt daneben ein Maisfeld, in dem man/frau gut zwischen den Maispflanzen laufen konnte. Angrenzend,gegenüber der Straße, war das Feld bereits gegrubbert.
Mein Mann und ich liefen knappe zwei Stunden herum und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Überall, auf Schritt und Tritt, und dazwischen! lag Plattenhornstein herum. Diverse Stärke des Hornstein, diverse Größen der Stücke, aber alles voll davon. Das war beeindruckend. Ich bin immer noch ganz aufgewühlt. Der Hornstein ist im Sandstein eingebettet und härter als dieser. Ich habe Verschiedenes mitgenommen. Auf den Fotos seht ihr ein paar Plattenstücke, ein Foto von Steinstücken, an denen der Sandstein verwitterte und der Hornstein übrig blieb. Es sieht aus wie zusammengebackener Schichtkuchen.
Wir versuchten auch Kollen zu finden. Ich hatte Knolle immer als kugelrundes Objekt im Kopf. Daher dachte ich zuerst, wir hätten keine Knolle entdeckt, aber nach dem Waschen der Stücke, denke ich, sind auch divers geformte "Knollen" dabei. Ein paar kleine Splitter habe ich auch mitgenommen und für euch fotografiert. Es lag aber auch immer wieder mal ein rötliches bzw. orange angehauchtes Stück Stein dazwischen. Ich bin Steinlaiin, vermute nur, dass es vielleicht Radiolarit sein könnte. Es ist von glatter, "speckigerer Struktur". Ich hoffe, ihr könnt aus den Fotos was rauslesen. Leider habe ich im Moment nur mein Handy zum Knipsen. Wie gesagt, ich bin noch Laiin, es gibt wohl auch Fachwörter für meine Beschreibungen. :friede:
Hier zuhause habe ich bereits einige Hornsteinstücke aus Baiersdorf finden dürfen, die wohl jemand vor Jahrtausenden hierher gebracht hatte.
Gute Grüße von Anne, die die Steinwelt ein kleines bisschen mehr kennenlernen durfte

Ergänzung: Ich füge noch ein Bild meiner Funde von zuhause zu. Das rote Stück wurde als Radiolarit Kern bezeichnet (Niederbayern,Vilstal, Anhöhe, weitere Funde Neolothikum)
Man findet oftmals mehr, als man zu finden glaubt.

Pierre Corneille

Furchenhäschen

Hallo,

da habt ihr ja mal die komplette Materialvielfallt des Höhenrücken erfasst.
Anscheinend war der große Bereich des Areals wo es die bearbeiteten Hornsteinplatten konzentrierter gibt noch nicht frei.
Die Schichten bzw. das "weiße Sandwich" ist Kalkstein auf Baiersdorfer Jurahornstein.

Grüße
Peter :winke:

Landfrau

Hallo Peter und Interessierte,

frau findet nur was frau kennt. Daran mag es gelegen haben.  :dumdidum:
Ich werde da gewiss nochmal hinfahren, und mit anderen Augen schauen, und mir mehr Zeit nehmen.
Der von mir Sandstein genannte ist Kalkstein. Danke. Ob ich das noch in diesem Leben schaffe, mich mit den Steinen bekannt zu machen,  ist fraglich. Optisch mag ich sie alle.
Es gibt soviel Neues zu lernen.
In dem Buch mit dem Titel "Die große Frage", antwortet der Stein auf die große Frage (die im Buch jedoch nie gestellt wird): "Ich bin da, um da zu sein."
Ich hatte jedenfalls eine schöne Zeit dort. Ich war da.
LG, Anne
Man findet oftmals mehr, als man zu finden glaubt.

Pierre Corneille