Unverhofft kommt nicht so oft

Begonnen von palaeo1, 16. Mai 2017, 18:47:44

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palaeo1

Bei meiner letzten Mittelaltergrabung in Niersachsen unmittelbar an der westfälischen Grenze gab es ein besonderes Erlebnis. Einer meiner Grabungshelfer grub gerade an einem Profil eines Hauspfostens. In dem ausgegrabenen Sediment, das außerhalb des Befundes anfiel, fand er ein Stück Feuerstein. Damit kam er zu mir und fragte, ob es ein Artefakt wäre. Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Er hielt einen kleinen Faustkeil in der Hand.
Das Artefakt misst in der Länge 6,7 cm, in der Breite 5,6 cm und in der Dicke 1,9 cm. Es ist kantenscharf und zeigt keine Patinierung. Somit ist von keiner bedeutenden Umlagerung auszugehen. Mehrere Frostrisse belegen die Einwirkung der letzten Eiszeit. Trotz des enormen Zeitdrucks und des finanziellen Limits im Zuge einer Verursachergrabung wurde in der näheren Umgebung sofort eine kleine Sondage durchgeführt, die jedoch keine weiteren Artefakte dieser Zeitstellung ergab. Jedoch ließ sich durch das anhaftende Sediment am Artefakt erkennen, aus welchem Bodenmillieu es stammte. Das Artefakt fand sich demnach in einem durch Kryoturbation hervorgerufenen sog. Taschenboden, in einem weißgrauen, leicht schluffigem Feinsand, der umgeben war von mittel- bis grobkiesigen Sedimenten. Eine durchgehende Fundschicht war nicht vorhanden. 
Ich hätte da gerne noch weiter gegraben, so eine glückliche Situation kommt so schnell nicht wieder.

Steinkopf

Meinen Glückwunsch zu diesem Prachtstück.
Es hängen ja wohl noch alle 'Fraktionen' zusammen.

Ein schönes Foto!

LG

Jan

Furchenhäschen

hervorragend und ein echtes Laiendusel!
Zum Glück hat der Grabungshelfer Lunte gerochen und das Stück gleich vorgelegt.
Auch der Frost hat zur rechten Zeit einen Stop eingelegt.
Ist es möglich das die Spitze im Gebrauch einen Abplatzer wegstecken hat müssen? (siehe 1.Foto)
Gruß
Peter

RockandRole

Hallo palaeo1,

so ein Glück hat man sicher nicht zweimal im Leben. Ist das Stück denn aus einem Abschlag gefertigt? Auf der eine Seite kann man noch die Rinde erkennen   :glotz:

Heißt das, dass etwaige Fundschichten jetzt futsch sind? Also wegen der Baumaßnahmen?

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

StoneMan

Moin,

ein Wahnsinn - Glückwunsch dazu :Danke2:

Wenn ich die Frostsprünge sehe, bekomme ich´ne Krise  :besorgt:

Das heißt, da liegen jetzt  50.000 Jahre unter dem Supermarkt in Niersachsen  :heul:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

@ Furchenhäschen
An dem Stück gibt es keine makroskopischen Merkmale auf Gebrauchsspuren.

@ RockandRole
Das Artefakt wurde aus einer flachen Flintknolle gefertigt, nicht aus einem Abschlag.

@ StoneMan @ RockandRole
Nachdem die Fundschicht schon im Mittelalter und der Neuzeit überbaut war, ist sie jetzt unter einer dicken Betonplatte für weitere Jahrzehnte gut geschützt in der Erde geblieben.

Gruß
palaeo1