Alte Klamotte, Geofake oder Paläolithischer Abschlag?

Begonnen von rolfpeter, 10. Januar 2007, 17:15:11

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rolfpeter

Servus Freunde,

Dieses weißlich porzellanartig patinierte Stück habe ich aufgelesen. Sozusagen im 2. Versuch. Gestern hatte ich es schonmal in der Hand, war mir im Zweifel, habs wieder fallenlassen. Heute Nacht im Bett nochmal drüber nachgedacht und heute morgen wieder hin und das Dings mitgenommen!
Es trägt einige Artefakt-Merkmale: Schlagflächenrest, Bulbus, dorsalseitig einige Negative. Und es ist weiß porzellanartig patiniert. Für gewöhnlich deutet diese Patina bei Silices, gefunden in den Lößböden des Rheinlandes, auf höheres Alter, sprich Jungpaläolithikum hin. Der Sammler Thomas Kuck hat in AiR 2003 über diese Art von Patinierung geschrieben, dabei aber ausgeführt, daß weiße Patina auch durch Lagerung in dolomithaltigem Boden herrühren kann. Der Fundplatzes dieses Steines hier ist aber garantiert dolomitfrei, nämlich am Rand der Lößebene zur Hauptterasse hin. Hier treten Schotter zu Tage, es sind also die Punkte, an denen sich die nacheiszeitlichen Lößanwehungen nicht festgestzt haben, also potentielles Paläo-Fundgebiet!
Der Stein ist übrigens zwischenzeitlich, auch in grauer Vorzeit, einmal zerbrochen. Die Fläche am distalen Ende ist anders, weißbläulich patiniert. Hier sieht man auch die etwa 2mm Stärke der übrigen, weißen Patina.
Oder handelt es sich doch nur um eine Laune der Natur, ein Geofake?

Ihr werdet es schon wissen, ihr Steinfüchse!

Beste Grüße
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

servus RP, ich glaub ich wär auch nochmal hingegangen und hätte mir das Dingens geholt.....und dann hätt ich hier gefragt.. mit wenig Hoffnung auf Bestätigung oder Desillusion.
Ansonsten kann ich nur aufgrund Deiner Geländeerfahrung vermuten dass es sich um ein  uraltes Trumm handelt. Vom Gefühl her: mit Menschenkontakt.
Bin gespannt was da noch rauskommt
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Salaam!

Zuerst einmal: Da schliesst man sich doch mal Edis aka Silex´ Feststellung gerne und vorbehaltlos an!

RP: Das Teil erinnert mich in seinem gesamten Gepräge zwanglos an den Eindruck, den ich nach einem Blick auf einen - wahrscheinlich altpaläolithischen Kern - empfand, den Dein AmV mal in AiR veröffentlicht hat! Wohlgemerkt, natürlich ist Dein Stück kein Kern, aber - und nochmals mit Edi - halte auch ich das Stück für ein Artefakt. Du hast paradigmatisch die für eine intentionelle Entstehung notwendigen Merkmale beschrieben, und die sind auch deutlich erkennbar.

Zitat RP: "Hier treten Schotter zu Tage, es sind also die Punkte, an denen sich die nacheiszeitlichen Lößanwehungen nicht festgestzt haben, also potentielles Paläo-Fundgebiet!".
Du meintest natürlich "eiszeitliche Lössanwehungen"; wir sind, naja, schon seit rd. 10000 Jahren in der Nacheiszeit, und da hat sich, glücklicherweise, kein Löss mehr gebildet. Zur Zeit der Lössbildung wurde das gesamte Gebiet flächendeckend mit Löss überzogen, und so wurden auch die paläolithischen Plätze und Laufhorizonte mit einer unterschiedlich dicken Lößschicht überzogen.

Später, genauer seit dem Altneolithikum und dann vor allem seit der Römerzeit, setzte die Erosion ein. Heute wird die Erosion verstärkt durch das grösste Bedrohungspotential für archäologische Bodendenkmale: Landwirtschaftliche Arbeiten, darunter vor allem das (Tief-)Pflügen.   

Am Übergang der Lösshochflächen zu den Auen macht sich das dadurch bemerkbar, dass die - ja horizontal liegenden Schotter - im Laufe der Zeit angeschnitten, d.h. aufgepflügt werden. Und dann kommen unweigerlich die Paläolithen ans Tageslicht.
RP, auf diese Weise hat der rheinische Sammler Willi Schol, der über 30 Jahre nördlich von Jülich an den Hängen des Rurtales sammelte, in den 1970ern eine bis dato völlig unbekannte Paläolith"provinz" entdeckt und der Wissenschaft zugänglich gemacht.

In a nutshell: Schau an der Fundstelle unbedingt immer einmal wieder nach. Denn wo ein solches Stück rauskommt, finden sich in alle Regel noch weitere. Und bei Deinem Sammlergespür...

Gratulation für einen kleinen, aben feinen und gewiss nicht alltäglichen Fund!

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Danke Jungs!
Wie auch immer. Der Löß ist an der Fundstelle wegerodiert und gibt - wie häufig längs des Flusses in meinem kleinen Sammelgebiet - den Schotter frei.
Natürlich, lieber Khamsin, werde ich die Stelle jetzt jedes Jahr regelmäßig aufsuchen. Obwohl der ehrenwerte Herr Schol das halbe Rurtal abgesammelt hat, diese Stelle ist wohl noch nicht von ihm begangen worden, liegt geographisch allerdings auch nicht so spektakulär wie die legendären Fundorte wischen Rur und Merzbach!
Schönes Wochenende wünsche ich euch
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Servus RP, und ihr,
was haben wir schon alles aufgehoben, liegengelassen, weggeschmissen...was wird mit den Augen-Hirn Synapsen so alles gescannt, erkannt, verworfen, übersehen.  Ich wollte nur mal diesen unglaublichen Zufall noch einmal hervorheben. Ein Mann, eine Brille- Millionen von Dingen (in einer zersiedelten Landschaft!)  pro Streifzug auf den Restäckern...(Wie viele Menschen werden zum Zeitpunkt der Verarbeitung dieses Teiles,  auf dem Gebiet des heutigen Deutschland, gelebt haben?Ein paar Tausend)...
Da hilft nur Beharrlichkeit- Erfahrung- Intuition-ständige Beschäftigung mit dieser Materie....und ein bißchen Glück...
Für mich sind solche Funde und Fundstellen das HÖCHSTE. Da seh ich direkt vor mir :malmende Mammuts......Menschen
Hoffen wir dass die Fundstelle noch viel datierbares hergibt
Danke RP
und GUTE FUNDE
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Salaam!

Das erinnert mich an die Gedanken eines durch die Kaltsteppe stapfenden jungen Mammutbullen:

"Meine Mutter meint, morgen muss meine malmende Mandibel mal mächtig Masse machen! Merkwürdig, mögen Menschen Mammuts?"

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"