Teil IV_ein Mittelpaläolithikum aus dem Schwäbischen

Begonnen von Harkonen, 26. Juni 2011, 08:17:06

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Harkonen

Hallo,
in Fortsetzung IV der Fundvorstellung der mittelpaläolithischen Freilandstation nahe Donauwörth werden heute 5 weitere Werkzeuge aus dem umfangreichen Lesefundinventar gezeigt.
Es dürfte sich ebenfalls um ein spätes Mousterien, teilweise wohl auch um den Typ Quina handeln.
Die meisten Werkzeuge des Mousterien sind aus den für diese Kultur typischen Abschlägen gefertigt.

Eine kleine Besonderheit auch hier:
Die ersten drei Werkzeuge der Bildreihe weisen einen extrem hohen Rücken und einen steil angelegten Retuschenverlauf aus.
Über die genau Bezeichnung dieses Werkzeugtypus und die Nutzungs muss ich mich noch kundig machen.
Des weiteren bitte ich die Art und Weise der Retuschierung zu beachten, denn sie unterscheidet sich bei genauer Betrachtung schon sehr von einer mesolithischen bez. neolithischen Retuschierung. Die Retuschierung war um es einfach zu umschreiben im Prinzip noch größer und etwas flächiger angelegt.
Schaut Euch mal diese herrliche Bearbeitung an, die Artefakte reissen mich auch heute noch vom Hocker.  

Das Material entspricht den ortsnah vorkommenden Gesteinen die wohl teils oberflächig aufzulesen waren.
Das verwendete Material ist sandfarbener, heller und dunkler Bohnerzhornstein.

Grüße
Peter


Wutach

Hallo Peter,

ich kann deine Begeisterung für diese Objekte durchaus teilen. Das erste dürfte eine Mousterien-Spitze sein, das zweite ist eine Doppelspitze (Limace). 83,84 ist ein Winkelschaber. Alle Formen sind ganz typisch für ein Mousterien vom Typ Quina. In Deutschland sind solche klar nach dem französischen Schema ansprechbaren relativ "reinen" Inventare selten.

LG Marc.

Harkonen

Zitat von: Wutach in 26. Juni 2011, 08:31:38
Hallo Peter,

ich kann deine Begeisterung für diese Objekte durchaus teilen. Das erste dürfte eine Mousterien-Spitze sein, das zweite ist eine Doppelspitze (Limace). 83,84 ist ein Winkelschaber. Alle Formen sind ganz typisch für ein Mousterien vom Typ Quina. In Deutschland sind solche klar nach dem französischen Schema ansprechbaren relativ "reinen" Inventare selten.

LG Marc.
Hallo Marc,
vielen Dank für deine Werkzeugansprache!
Meine Begeisterung ist natürlich vor allen Dingen auf den für Ackerlesefunde m.E. herausragenden Zustand bezogen, keinerlei Frostausbrüche, faktisch keinerlei Beschädigungen durch lanwirtschaftliches Gerät, ein wahrer Glücksfall.

Grüße
Peter

Harkonen

#4
Hallo,
noch ein kurzer Hinweis, im "Hahn" unter dem Pkt. 4.3.3 S. 65/ Ausgabe 1990 wird die Quina-Technik bestens beschrieben.

Grüße
Peter

Harkonen

#5
Zitat von: Harkonen in 26. Juni 2011, 09:27:52
Hallo,
noch ein kurzer Hinweis, im "Hahn" unter dem Pkt. 4.3.3 /S. 65/ Ausgabe 1990 wird die Quina-Technik bestens beschrieben.

Grüße
Peter

sorry, habe mich vertan, wollte im Beitrag lediglich etwas ergänzen  :friede:

Robert

Hallo Peter, Du hast zu dieser Zeit noch eine große Auswahl gehabt.
Nach dem Sprichwort, der frühe Vogel fängt den Wurm. Super

Grüße

Robert
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr

Harkonen

Zitat von: Robert in 26. Juni 2011, 11:46:58
Hallo Peter, Du hast zu dieser Zeit noch eine große Auswahl gehabt.
Nach dem Sprichwort, der frühe Vogel fängt den Wurm. Super

Grüße

Robert

Hallo Robert,
damals hat auf dieser Freilandstation kein Mensch gesammelt. Das Interesse war früher insgesammt gesehenen eher nicht vorhanden.
Grüße
Peter

cylu11

Ja, Hahn beschreibt die Zerlegungstechnik, und folgt dabei Turq, der einige Fundstellen in SW-Frankreich genauer analysiert hat (zB Combe Grenal). Die Quina-Industrie im Süden und Südwesten Frankreichs hat als Technokomplex aber noch folgende Eigenschaften: fast keine Faustkeile, extrem viele Schaber, erst spät Dentikuliertes, vor allem aber: sehr wenig Levallois-Technik (da es auch Quina-Levallois-Stücke gibt, lag dies aber nicht daran, dass diese Technik diesen Neanderthalern unbekannt war). Dazu das Charakteristikum der asymetrischen, dicken Blanks, welche mit steiler Retusche gearbeitet sind - der Quina-Schaber. Ich bin kein Experte, aber ich würde meinen, dass man eine Verbindung zwischen dem klassischen Quina-Komplex und dieser Fundregion dann stärken könnte, wenn man zeigen könnte, dass hier in Schwaben ebenfalls Levallois selten vorkommt , was dann wieder zur vorherrschenden Zerlegungstechnik führt. Clacton-Abschläge sollten vielleicht auch vorkommen.

Ich habe folgende spannende Abbildung gefunden in: "Le Tensorer J.-M. Le Moustérien type Quina et son évolution dans le Sud de la France. In: Bulletin de la Société préhistorique française. 1978, tome 75, N. 5. pp. 141-149". Mein Französisch ist nicht sehr gut, aber mir scheint, dass im Text nicht wirklich gut begründet wird, warum der Pfeil aus Zentraleuropa her geführt wird. Es wird wohl einfach die Rhone als Transmissionsweg postuliert - in der Tat gibt es vom mittleren Lauf der Rhone (Lyoner Gegend) absolut typische Quina-Werkzeuge. Das wäre doch was, wenn diese Fundstelle hier eine Verankerung in SW-Deutschland liefern würde. Wobei noch das chronologische Problem ein Thema wäre. Hat die wissenschaftliche Literatur diese Fundstelle bearbeitet?

Ich habe jedenfalls den Quina-Aspekt, technologisch gesehen, in SW-Deutschland bisher total übersehen, er fängt aber an, mir ziemlich einzuleuchten - spannend. Hier die Abbildung:

Harkonen

#9
Hallo,
M., danke für deine Einschätzung und die Hinweise. Diese Freilandstation wurd von Krippner und Reisch selbstverständlich bearbeitet.
Mitte der 70-er Jahre fand dort eine kleinere Sondagegrabung statt.
Eine genaue geochronologische Einordnung war damals nicht möglich.
Auch die Frage ob ein oder mehrere miteinander vermische Fundinventare vorliegen konnte damals nicht befriedigend beantwortet werden.
Es wird lediglich bemerkt, dass bei den Nuklei ein technisch übereinstimmendes Bild vorliegt, Klingenkerne und diskusförmige Kerne liegen vor.
Einige wenige Jungpaläolithische Artefakte werden ebenfalls angesprochen, wie z.B. ein großer, derber aber typischer Stichel an endretuschierter Klinge. (nicht mein Fundstück)
Ansonsten scheint die damalige Einschätzung aus meiner Sicht und Heute betrachtet ziemlich überholt, zumal sich seit "Hahn" doch einiges getan hat.
@Robert/ Übrigens Robert der Fundplatz hat im Prinzip ausser gewissen Ähnlichkeiten im Inventar mit deiner Fundstelle nichts zu tun.

Der hier von mir  beschriebene Fundplatz wurde nach der Sondagegrabung mehrere Jahre quasi nicht mehr begangen. Von 80 - 88 wurde der Platz von mir heimgesucht. :-D
Unabhängig davon haben wir den Fundplatz bei unseren Feldbegehungen aus unserer damaligen Warte "neu entdeckt" bis wir in den Vorgeschichtsblättern auf diese teilzitierte Publikation stiessen.
Grüße
Peter

Kelten111

Ich kann mich den Vorrednern nur herzlichst anschliesen !
Besonders Marc seine einschätzungen zu den Geräten will ich zustimmen  :super: