Ein buntes, überschliffenes, dünnnackiges Beil

Begonnen von Neos, 15. August 2021, 00:56:20

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Neos

Moin, zusammen,

stellt euch vor ihr sitzt in der Aula einer Schule, um euch einen archäologischen Vortrag anzuschauen. Es geht - natürlich - um die Steinzeit. Der vortragende Archäologe, den ihr nicht kennt, startet seine PowerPoint-Präsentation und ihr seht die erste Seite, auf der der Titel des Vortrags sowie drei plakative Artefakte abgebildet sind. Eines davon, ein buntes Beil, fällt euch dabei sofort ins Auge. Und ihr denkt euch: "Liegt das nicht bei mir zu Hause in einer Kiste???". So geschehen auf dem Tag der Archäologie in Schleswig-Holstein 2019 in Schleswig. Eben dieses Beil möchte ich euch heute vorstellen.

Von einem neolithischen Fundplatz unweit der Ostsee stammt dieses allseitig überschliffene dünnnackige Beil. Der Flint ist grau bis dunkelgrau, ist teilweise rotgrau marmoriert und weist - in erster Linie im Bereich der Schneide - rezente Beschädigungen auf, die vereinzelt rotbraun sind. Auch Eisenoxidspuren sind auf nahezu allen Flächen vorhanden. Die Nackenpartie ist grob zugerichtet.

Hier die Daten des Beiles:


  • Fundgebiet: Nördliches Schleswig-Holstein
  • Länge: 186 mm
  • Breite: 42 - 70 mm
  • Dicke: 18 - 30 mm

Viele Grüße

Frank

PS: Das hier vorgestellte Beil fand Ulli, ein Freund von mir, der 2006 leider viel zu früh und kurz vor Beginn seiner Rente von uns gegangen ist, und dessen Sammlung ich geerbt habe. Da er das Stück bei einer gemeinsamen Exkursion fand, weiß ich, wo es gefunden wurde. Das gilt jedoch leider nicht für den Großteil der Sammlung, unter denen sich zahlreiche steinzeitliche Schätze befinden. Ich muss euch nicht sagen, was das für die Archäologie bedeutet.

Mit Sicherheit werde ich euch gelegentlich weitere - ich hoffe für den einen oder anderen unter euch - interessante Stücke aus "Ullis Sammlung" vorstellen und das entsprechend kennzeichnen. Das "bunte Beil" ist das erste.

Wiesenläufer

Moin Frank,

das Beil ist wirklich schön bunt und eine Augenweide.  :staun:

Es verdient wahrlich bei einer Präsentation auf die erste Seite zu kommen.
So traurig wie der Hintergrund auch ist, es ist aber gut, dass die Sammlung in gute Hände gekommen ist.

Gruß

Gabi

Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo


Wahrlich ein eindrucksvoller Fundbeleg und auch ein wichtiges Thema das Du angeschnitten hast!

Ich habe mich entschieden meine Sammlung(en) noch deutlich vor meinem Ableben (also ich hoffe zunmindest das es so ist  :narr:) der zuständigen Fachstelle beim Landschaftsverband zu übergeben. Trotz aller Sorgfalt stellte sich heraus, dass z.B. die zuständige Außenstelle die Fundmeldungen teils ganz verschlurt und viele Fundstücke auch nach über zwei Jahrzehnten nicht an die vorgestezte Stelle weiter gereicht hatte. Durch meine Abgaben (die sehr umfangreiche Sammlung zur Jungsteinzeit vom rechten Niederrhein ging schon vor einigen Jahren raus, vor einigen Monaten die Bodenfunde von Keramik des hohen Mittelalters und vor einigen Wochen dann auch die Sammlung von Keramik des 16. Jhs. am rechten Niederrhein) wurde das erstmal deutlich und nun kann ich (hätte ich mir natürlich gerne erspart) noch über meine eigene umfassende Dokumentation, die Zugehörigkeit der Funde im Magazin der Außenstelle identifizieren, zuordnen und für den LVR (LandschaftsVerband Rheinland) in die richtige Reihenfolge bringen.

Das kann Niemand, der "plötzlich und unerwartet" und "viel zu früh" verstirbt, ein Umstand, der kur zund bündig jeden treffen kann.

Wer wirklich forschend tätig sein will und erleben möchte was mit seiner langjährigen "Investition" von Leidenschaft und Zeit am Schluss herauskommen wird, muss auch loslassen können und das rechtzeitig, bevor die allgemeine zeitlich bedingte Gedanken- und Erinerungserduktion einsetzt. Alles hat so seine Zeit(en).

Gut, dass Du noch weisst wo die  Beilklinge gefunden wurde. Für den Rest der Sammlung hast Du ja schon still gesprochen.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Neos

Moin, Gabi,

Zitat von: Wiesenläufer in 15. August 2021, 05:34:23
So traurig wie der Hintergrund auch ist, es ist aber gut, dass die Sammlung in gute Hände gekommen ist.

dank dir vielmals für deine netten Worte.

Viele Grüße

Frank

Neos

Hallo, Thomas,

Zitat von: thovalo in 15. August 2021, 13:34:32
Wer wirklich forschend tätig sein will und erleben möchte was mit seiner langjährigen "Investition" von Leidenschaft und Zeit am Schluss herauskommen wird, muss auch loslassen können und das rechtzeitig, bevor die allgemeine zeitlich bedingte Gedanken- und Erinerungserduktion einsetzt. Alles hat so seine Zeit(en).

das sehe ich ganz genau so. Und ich bin dir sehr dankbar für deinen Kommentar.

Viele Grüße

Frank

Danske

Hallo Frank,

ein herrliches Beil mit einer traurigen Geschichte.

Kurz vor dem Renteneintritt das Zeitliche zu segnen, ist schon übel. Man freut sich auf ein wenig mehr Zeit für Familie und Hobby und dann... Na ja!

Aber diese schweren Beile sind schon eine Wucht, das Stück dürfte so um die 650-700 Gramm wiegen, oder? Ich denke, dass das Beil ursprünglich etwas länger war und ein Stück vom Nacken verloren hat.

Was schätzt du, welcher Typ es ist?

Und danke für's Zeigen  :Danke2:

LG
Holger

Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Neos

Hallo, Holger,

Zitat von: Danske in 16. August 2021, 19:08:27
Aber diese schweren Beile sind schon eine Wucht, das Stück dürfte so um die 650-700 Gramm wiegen, oder?

es wiegt exakt 725 Gramm.

Zitat
Ich denke, dass das Beil ursprünglich etwas länger war und ein Stück vom Nacken verloren hat.

Ja, das denke ich auch. Aber es werden nur wenige Zentimeter gewesen sein.

Zitat
Was schätzt du, welcher Typ es ist?

Ich würde meinen, dass Typ IIIb gut passen müsste. Was denkst du?

Zitat
Und danke für's Zeigen  :Danke2:

Sehr gerne!  :-)

Viele Grüße

Frank

PS: Wie schaut's bei dir aus dieses Jahr mit dem TdA SH 2021 in Schleswig, so dieser denn stattfinden sollte?

Danske

Zitat von: Neos in 16. August 2021, 20:15:56

Ja, das denke ich auch. Aber es werden nur wenige Zentimeter gewesen sein.

Ich würde meinen, dass Typ IIIb gut passen müsste. Was denkst du?

PS: Wie schaut's bei dir aus dieses Jahr mit dem TdA SH 2021 in Schleswig, so dieser denn stattfinden sollte?

Hallo Frank,

Typ IIIb mit den breiteren Schmalseiten könnte passen, der Nacken wäre dann vielleicht 3 cm länger gewesen. Typ V käme unter Umständen auch noch infrage, wobei dafür die Schmalseitenkonvergenz bei deinem Stück recht groß ist.

Interessieren würde mich die Veranstaltung in Schleswig schon, überhaupt keine Frage. Ist halt nicht gerade mal um die Ecke für mich. Würde das vielleicht mit einem Kurzurlaub verbinden, mal schauen.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

StoneMan

Zitat von: Neos in 15. August 2021, 00:56:20
Moin, zusammen,

stellt euch vor ihr sitzt in der Aula einer Schule, um euch einen archäologischen Vortrag anzuschauen. Es geht - natürlich - um die Steinzeit. ...

Moin,

ich vermute, es war kurz nach der Kaffeepause?

Ja, das Teil ist auf jeden Fall eine Preziose  :Danke2:

Bei Dir ist es in guten Händen.

Du den kennst Fundort und somit behält es seinen wissenschaftlichen Wert.
Die Ungenauigkeit aufgrund fehlender Koordinaten ist marginal, unsere "eingemessenen" Funde
hat John Deere vorweg bereits verlagert - so what.

Du darfst es gerne wieder zum TDA mitbringen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Neos

Moin, Jürgen,

Zitat von: StoneMan in 28. Dezember 2021, 11:03:56
ich vermute, es war kurz nach der Kaffeepause?

Hey, das ist über zwei Jahre her!  :schaem:

Zitat
Du darfst es gerne wieder zum TDA mitbringen.

Das geht klar!

Viele Grüße

Frank