Beil auf Grund starken Lousbergverdachts aufgelesen, verhaftet und mitgenommen!

Begonnen von rolfpeter, 13. Januar 2007, 16:13:05

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rolfpeter

Servus Freunde,

die Regenfälle der letzten Tage zeigen Wirkung! Hab ich doch nochmal eine Beilklinge gefunden. Die hat zwar arg gelitten, weil der Steinzeitwüterich gekloppt hat, bis nur noch dieses Wrack übrig war, aber die perfekte Symmetrie in der Draufsicht läßt erahnen, welch schönes Beil es einmal war.
Restlänge: 97 mm
Gewicht noch 104g
Bei der Materialbestimmung bin ich mir nicht ganz sicher. Es gibt braune und hellgraue Zonen im Gesteinskörper. Alles ein wenig heller, als es beim landläufigen Lousberg-Flint Usus ist. Es hat auch nicht die typischen parallelen Verläufe der Lousberg-Planken. Hmmm. Aber ich vermute doch, daß es Lousberg ist, vielleicht eine hellere, als Fladen vorkommende Variante.
Wie ich das Forum hier einschätze, wird bestimmt eine Klärung des Falles herbeigeführt.

Grüße
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

wühlmaus

Als Rheinländer fühl ich mich natürlich verpflichtet meinen Löwensensenf dazu abzugeben  :narr:

Wie Du schon sagtest, Lousberg Flint ist deutlich dunkeler, es fehlen auch die "schokoladenbraunen Inseln" ...

Was mich auch irritiert, ist die "Grobkörnigkeit" des Materials ... als ob das Stück aus einer großen Rindenpartie gemacht wurde (macht das überhaupt Sinn? ist sowas überhaupt belastbar?) Hier kommt der Kasus-Knacktus: Ich kenne nur das Lousberg-Standard Material. Wie bei dieser Art Flint die Rindenzone (hat der überhaupt welche?), bzw. die "schlechtere" Qualität aussieht, habe ich keinen blassen Schimmer.

Kommst Du übers Landesamt an den J. Weiner ran? Vielleicht weiß Kahmsin auch weiter ...

rolfpeter

N'Abend Wühlmaus, Danke für die Antwort!

Klar hat Lousberg-Flint Rinde, sogar eine ganz typisch weiße und rauhe. Normalerweise tritt oder besser trat der Flint in Plattenform auf, beiderseits mit weißer Cortex. Hier ist ein Bild eines Abschlages, der wohl bei der Herrichtung einer Beilklinge abgefallen ist. Hier siehst Du die Rinde und auch die typische schokobraune Farbe. Braun ist allerdings nur der Randbereich des Feuersteins, hervorgerufen sicherlich von eisenhaltigen Wässern. Innendrin ist der Stein grau. An den unbehandelten Flächen ist Lousberg-Flint rauh. Der schöne Glanz kommt erst mit dem Schliff. Und es gibt neben der dunklen Variante auch eine die deutlich heller aussieht. Das 2. Bild zeigt eine Beilschneide, die aus helleren Lousberger Material besteht, direkt neben dem Neufund fotografiert.
Ich habe mal gehört, daß es nicht nur den plattenförmigen Stein, sondern auch fladenförmigen gibt, der hat dann Rinde an Stellen, wo man es sonst nicht erwarten würde, 3. Bild. Wenn das Stück dann noch verbrannt ist, wie im 3. Beispiel, ändert sich die Sache nochmal.
Natürlich stehe ich mit J. Weiner in Kontakt! Wenn in einem meiner Postings der Begriff "AmV" (Archäologe meines Vertrauens) auftaucht, dann ist damit J.W. gemeint. :zwinker:
Warten wir wir mal ab, Khamsin weiß immer alles!

Wenn nochmal ein paar Euronen in der Kriegskasse sind, darüber nachdenken, in "5000 Jahre Feuersteinbergbau" , u.a. herausgegeben von J.W., zu investieren.

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Trotzdem noch ein erhabener Anblick - dieses Schlaginstrument...

aber Du hättest es wohl auch ohne "Lousbergverdacht" in Gewahrsam genommen- für lebenslänglich - so wie ich Dich kenne....inzwischen könnte ich solche "Typen" aufgrund Deiner Steckbriefe auch schon "fest   nehmen" aber zu uns trauten sich diese Fieslinge nicht....

Und die "5000 Jahre Feuersteinbergbau" kann ich auch wärmstens empfehlen- hinter mir  liegts- in kopierter Gebundenheit

Danke vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Haha, haste natürlich recht, alter Kumpel! Ich nehme jeden Stein mit, der von Menschen- oder Vormenschenhand bearbeitet wurde. Nur älter als, ähhhh, sagemer 2500 Jahre sollte er schon sein.
Gru?
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

wühlmaus

 :staun: :staun: :staun:

WOW!!

Hi RP
Darum hab ich meine Meinung auch sehr vorsichtig formuliert.

Der obere Abschlag ist klar. Den hätte ich auch als Lousberg identifiziert. Da hab ich selber noch einige rumliegen. Die tauchen immer wieder vereinzelt auf meinen Stellen auf. In der Tat ist mir auch schon aufgefallen, dass sie alles andere als "glasig" sind. Das geht auf jedenfall ins grobkörnige.
Das untere Beil, wäre für mich auch kein Problem gewesen ... schön hier der flache Querschnitt, den man auf die Plattenform des Lousbergflintes zurückführen kann.
Aber die Schneide aus dem helleren Material ist der Hammer. Ich hätte das nie mit Lousberg in Verbindung gebracht. Jetzt begreife ich auch deinen Verdacht und teile ihn definitiv mit Dir.
Außerdem wird mir aber auch klar, warum Du meinen Beilabspliß, den ich hier letztens gepostet hab, ebenfalls als Lousberg angesprochen hast...   :engel:

Tja, was soll ich sagen, meine simple Spezifikation Lousberg=braun, Rijkholt=grau kann ich wohl in die Tonne drücken ...
Kann man diese beiden wichtigen Export-Flintarten anhand von Bänderung und Einschlüßen auseinanderhalten?
Wenn wir gerade bei "Weiner" sind: Entweder er oder Khamsin hat ein graues Beil von mir damals auf "Heimdall" mit Silex-rubanee
(?lange her, wahrscheinlich hab ichs falsch geschrieben?) in Verbindung gebracht.
Hast Du Infos über diese Flintvariante?

Fragen über Fragen. Mann, fast 37 jahre alt und immer noch Fahrschüler...

ciao
das Wühlmäusle

Khamsin

Salaam!

Vor einigen Jahren flatterte mir ein kleines, aber, wie ich meine feines Heftchen ins Haus. Kam aus dem Rheinland; der Autor hat es mir geschickt:
Weiner,J.,  Der Lousberg in Aachen, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Rheinische Kunststätten Heft 436 (Köln 1998) 27 Seiten.  Nach meiner Kenntnis ist das die aktuellste Zusammenstellung zum Lousberg, und ich kann das allen rheinischen Steinadepten nur sehr ans Herz legen, zumal diese Reihe offensichtlich nicht die Welt kostet. Bezugsadresse gewiss übers Internet.

Da wird auf S. 4/5 das Material beschrieben: "Das am Lousberg anstehende Material besitzt nahzu regelhaft eine deutliche Plattenform mit oberflächenparallelen, rauhen Rindenzonen und einer Dicke bis zu ca. 8 cm. Ein weiteres besonderes Merkmal des Lousberg-Feuersteines ist seine schokoladenbraune bis braun-violette Farbe. Sie ist jedoch das Ergebnis einer erst nach der Feuersteinbildung entstandenen Einlagerung von Eisenoxyd, die insbesondere dünnere Feuersteinplatten vollständig durchtränkt und so die ursprünglich dunkelgraue Originalfarbe überprägt hat. Bei dickeren Platten sind dagegen lediglich deren Randbereiche unterhalb der beiden Rindenflächen braun-violett verfärbt, während die Kernzonen nach wie vor ihre dunkelgraue Ausgangsfarbe besitzen. Und es ist diese Dreiteilung - braun-dunkelgrau-braun - die den Steingeräten aus Lousberg-Feuerstein ihren reizvollen und zugleich unverwechselbaren Charakter verleiht. Dieser "typische" Lousberg-Feuerstein ist nicht durchscheinend, sondern opak und relativ rauh. Erheblich seltener treten daneben noch eine gründlich-graue Variante und schliesslich eine schwarz-graue auf, die eine glasige Struktur besitzt. Beide Varianten besitzen nicht nur Platten-, sondern gelegentlich auch Fladenform."

Nach den heutigen Erkenntnissen könnte ich mir vorstellen, dass der Autor die Beschreibung sicher noch etwas pointieren würde. Und zwar dahingehend, dass es innerhalb der "klassischen" Variante vom Lousberg-Flint eine grössere Bandbreite gibt, die sowohl die Struktur als auch das Farbspektrum betrifft. Tendenziell wurde ja die Struktur bereits mit "relativ rauh" beschrieben, aber solche qualitativen Angaben sind natürlich immer problematisch. Ich verstehe darunter jedenfalls, dass die klassische Ausprägung generell in Richtung rauh tendiert, wobei fallweise auch "sehr rauhe" Stücke vorkommen können.

Mindestens so wichtig erscheint mir aber das Farbspektrum. Denn offensichtlich gibt es deutlich heller graue Ausprägungen. Das erinnert irgendwie an Rijckholt-Flint mit seiner "klassischen" dunklen und der wesentlich helleren Ausprägung. Bestimmt hängt das mit der Genese und kleinräumigen u.a. chemischen Bedingungen im kreidezeitlichen Meer zusammen. Würde mich nicht wundern, wenn das von Flintlage zu Flintlage anders wäre.

Last, but not least, kann auch der "typische" ("klassische") Lousberg-Flint in Fladenform auftauchen, wie uns die zwar verbrannte, aber doch eindeutige Beilklinge aus RPs Fundus sehr deutlich zeigt!

An dieser Stelle erlaubt mir bitte noch folgende Bemerkungen. Hier ist mal wieder ein exzellentes Beispiel für die Bedeutung von Sammlerfunden für die amtliche Archäologie! Aber das gilt natürlich nur für solche Fälle, wo die Funde den Archäologen "in den Pelz gerieben" werden.

Ergo: Ich bin der letzte, der Privatsammlungen herabsetzen würde. Aber - in Abwandlung des bekannten Ausspruches von I. Kant "Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind" - gilt m.E. für die Steinfreaks unter den Archäologen "Forschung u.a. ohne Berücksichtigung der Funde von Privatsammlern ist leer" und gleichermassen für Privatsammler von Archäologika, hier von Steinartefakten, und zwar überall "Akkumulieren von Funden ohne Kontaktaufnahme zu Fachleuten ist blind"!

Danke für Eure Geduld und beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Silex

"Ergo: Ich bin der letzte, der Privatsammlungen herabsetzen würde. Aber - in Abwandlung des bekannten Ausspruches von I. Kant "Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind" - gilt m.E. für die Steinfreaks unter den Archäologen "Forschung u.a. ohne Berücksichtigung der Funde von Privatsammlern ist leer" und gleichermassen für Privatsammler von Archäologika, hier von Steinartefakten, und zwar überall "Akkumulieren von Funden ohne Kontaktaufnahme zu Fachleuten ist blind"!

aber die Interessen- (besser Finanz-) lage ist eher so dass wir denen die Funde direkt "in den Pelz reiben " müssen um ein wenig Resonanz zu bekommen

Danke
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Edi, lieber Kollege!

Ich möchte hier niemandem zu nahe treten und hoffe nicht, die Grundsätze des Forums zu verletzen, aber da haben wir ja noch unseren Moderator, der mich gfls. zurückpfeifen wird:

Alle Zeichen sprechen ja dafür, dass des grauhaarigen "Problembären" Zeiten - glücklicherweise - ihrem Ende zugehen. Wie schrieb Karl Kraus, einer der Meister der deutschen Sprache einmal unvergesslich, ja unsterblich, da es mehr denn je gilt: "Die deutsche Sprache schützt nicht mehr gegen jene, die sie sprechen". Ist dem in diesem Sinne noch etwas hinzuzufügen?!

Zurück zum "Musterland": Wer weiss, vielleicht profitiert davon auch die Kultur, somit auch die Bodendenkmalpflege in Bayern.

Im übrigen hilft das "in den Pelz reiben" ohnehin nur dort, wo es auch Archäologen gibt, die genauso freakig auf Steine abfahren, wie das bei eingen wenigen Archäologen in anderen Bundesländern der Fall ist. Glücklicherweise seid Ihr in Bayern mit einem der besten dieser Art bundesweit gesegnet, auch wenn dem ja in der Vergangenheit arg am Fell geflickt wurde, nach dem besonders bayerischen Motto "Dem zeigen wir mal, wo Bartel den Most holt!". Und leider hatten - und haben - die u.a. politischen Mandatsträger in Personalunion mit Sprachfuschern da die Oberhand, natürlich nicht nur in Bayern!

Beste Grüsse KIS

"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"