Etlicher Aufwand für...?

Begonnen von Silex, 20. September 2008, 22:05:05

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Silex

Sehr geschätzte Steinzeitliebhabmenschen!
Unten sehr plan mit Bulbus (deswegen kein Foto). Oben diverse Abspanungen und eine Bucht  mit Retuschen. Aber auch an den konvexen Rändern sind kratzertaugliche Bereiche.
Erst einmal ist mir Ähnliches zwischen die Finger geraten.
Da an diesem Fundplatz die Steinzeit(?) seltsame Blüten treibt - wie auch dergleichen diesbezüglich  sich  oftmals widersprechende Expertenexposées- bleibt mir nur die Frage nach Eurem "Zeit- und Anwendungsgefühl".
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

clemens

Lieber Edi,

Wenn ich der Frau Tochter ein Hollerpfeiferl mache dann hätte ich das gerne zum oberflächenglätten - irgendwo hatte ich aufgeschnappt dass sowas eine Zeit lang als Pfeilschaftglätter durchging was aber heutzutage nur kopfschüttelnd verneint wird  -das es sowas überhaupt je gab.
Dennoch: sollte die Bucht menschliche Retuschen tragen - was, ausser um Rundungen zu vereinheitlichen? Ein Gesenkschmieden sozusagen.

phantasiert Clemens


Silex

Ja Clemens, diese Pfeilschaftglätterbuchtretuschenwundersilexhilfswerkzeuge hab ich im Eigenversuch auch schon ausprobiert. Entrinden ist ein Ding der Unmöglichkeit...da schoppt sich das zu "Entfernende" im Sekundentakt zum Greuel des Schabewollenden...jede Klinge oder ein grober Sandstein  werkelt da  eilfertiger zum frohlockenden Plaisier eines , in diesem Behufe,  Werktätigen.
Wenn ich ehrlich bin hab ich bisher  nur 6 Steinzeitgeräte "verstanden".
Die neolithische (jungpaläolithische) Pfeil(lanzen)spitze
Die Axt und das Beil (auch Dechsel evtl.)
Den mesolithischen Mikrolithen
Den vielperiodigen Kratzer oder Schaber
Die ebensolche (Messer)klinge
Den Unterlieger und Reiber....

alles andere scheint mir noch nicht aus- und hinreichend sicher....vom Stichel , Rückenspitze, Faustkeil, Keilmesser, Klopfer, Ausgesplittertem...etc.
(Wenn man sich z.B. die Artefakte von Bilzingsleben anschaut (Altsteinzeit) da kommen  ganze Typologien und Datierungen in meinem kleinen "Forsch"Gehirn durcheinander...)
Der Verfertiger des Dings hat  wohl seine Fertigkeit darauf verwendet etwas zu einem damals notwendigen Gebrauch herzustellen.
Vielleicht sollte man  beispielsweise versuchen aus einem Fleischmuskelbatzen die Sehnen mit einer scharfen Klinge herauszulösen und anschließend durch  so eine Bucht hin- und herzuziehen um die Muskelansätze  zu entfernen.... das wäre vielleicht lebenspraller und zeitnäher....aber auch eben nur eine Vermutung.
Bei Steinzeitlagern denke ich an viel Fleisch, Knochen, Geweihe, Felle...Gestelle zum Dörren, Räuchern, Trocknen, Spannen,  (Sehnenspannern), Gestank, "Kinder"arbeit,....aber jetzt geh ich ins Bett....
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Moin!

Ich will ja nicht unken, aber diese Kerbe erinnert mich - in Verbindung mit den Rost(?)spuren - irgendwie an die Reaktionsausbrüche an der proximalen Seite von Flintensteinen. RP weiss gewiss, was ich meine. Bin mal gespannt, was er dazu sagt. Schaut man sich aber die Dorsalfläche genauer an, d.h. den Verlauf der dortigen Negative, dann könnte es sich nur um einen ad hoc hergestellten Flintenstein handeln. Ein Manufakturstein besässe andere Merkmale.

Im übrigen, lieber Edi, stehst Du mit der Feststellung:

"Wenn man sich z.B. die Artefakte von Bilzingsleben anschaut (Altsteinzeit) da kommen  ganze Typologien und Datierungen in meinem kleinen "Forsch" Gehirn durcheinander..."

keinesfalls alleine! Was sich Herr Mania da z.T. hat einfallen lassen, ist - höflich ausgedrückt - ausgesprochen abenteuerlich. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als dass er vor dem Hintergrund des hohen Alters der Fundstelle letztlich doch Opfer seiner verborgenen eurozentrischen Empfindungen geworden ist.

Herzliche Grüsse KIS 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Servus,

ich habe auch immer meine Probleme mit diesen konkaven Ausbrüchen, sei es an den Lateralseiten von Klingen, wo sie rel. häufig zu beobachten sind, sei es an anderen Artefakten. Von einer Deutung als Pfeilschaftglätter halte ich überhaupt nichts, habe das an anderer Stelle auch schon zum Ausdruck gebracht. Ich vermute, es handelt sich größtenteils um Gewalteinwirkungen von landwirtschaftlichen Maschinen. Meine Vorstellung: der Prüfling ist gut eingebettet in festes Erdreich, wird von der Pflugspitze in einem günstigen Winkel erwischt, das erzeugt den Ausbruch...und läuft noch einige cm längs der Pflugkante, das ergäbe die Verschleißmerkmale.
Zur Flintensteintheorie Khamsins kann ich wenig beitragen. Gut, man sieht häufig am Proximalende Beschädigungen durch die Einspannschraube, aber wenn ich mir Edis Stück so ansehe, dann müßte dieser Flintenstein etliches an Jagden erlebt haben. Burglengenfeld ist ja nur einen Steinwurf von Edis Heimat entfernt - wie sehen die Steine von dort eigentlich aus?

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert