Der besondere Beleg einer Spitzklinge der mittleren Jungsteinzeit

Begonnen von thovalo, 20. Dezember 2013, 11:47:17

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thovalo


Im Rheinland folgte auf die "Rössener Kultur" die hier ebenfalls noch der mittleren Jungsteinzeit zugerechnete und aus dem Pariser Becken her ausstrahlende "Bischheimer Kultur" die dann zur jungneolithischen "Michelsberger Kultur" überleitete.

Plätze die die jeweiligen Übergange von Rössen - Bischheim - Michelsberg überliefern sind im Rheinland bislang an einer Hand abzuzählen.

Bisher bildete allein der Forschungsstand in den linksrheinischen Lößregionen die Basis aller Studien.

Seit zehn Jahren ist nun auch für den rechten Niederrhein ein komplex strukturiertes Fundgelände bekannt, das die Kenntnisse zu dieser absoluten "Neugründungsphase" menschlicher Siedlungen im Rheinland durch Vertreter der "Rössener Kultur" grundlegend erweitert.

Die Neugründungen von Siedlungen der Rössener Kultur beschränkten sich offensichtlich nicht mehr auf die "Altsiedellandschaften" der vorangegangenen Kulturerscheinungen.

Von einem rechtsrheinisch gelegenen Platz stammt diese Besonderheit.

Es handelt sich um die Grundform einer Klinge mit steil auf eine Spitze hin zulaufender Retuschierung. Die Proximalpartie ist verloren. Die Läge beträgt noch 4.4 cm. Das eigentliche Länge des Gerätes wird maximal bis 6 cm betragen haben.

Die Modifikation der Grundform erlaubt zunächst die formale Ansprache als kleinformatige Spitzklinge (es fehlt der geschulterte Absatz zum Funktionsende, der dann die Ansprache als "Bohrer" begründen würde). Die Ausbrüche auf der Ventralfläche lassen eine Funktion in drehender Bewegung erkennen. Der alltägliche Gebrauch in bohrender Funktion ist für Spitzklingen gut dokumentiert.
Sie gelten als Multifunktionsgeräte.

Was an diesem Gerät in Kombination von Format, Formgebung und Gebrauchsmerkmalen eine außerordentliche Beobachtung ist, ist die Glanzbildung entlang der am intensivsten retuschierten Lateralkante. Dem ventral gelegenen schwächeren "Sichelglanz" steht der extrem strahlend ausgeprägte "Lackglanz" der Dorsalkante gegenüber.

In allen seinen Merkmalen repräsentiert dieses Artfakt den Beleg einer seltenen Spitzklinge aus der Zeit des mittleren Neolithikums im Rheinland.

Für die extreme Glanzbildung wird in dieser Zeitstellung eine Verwendung bei der intensiven Bearbeitung von Knochen und Holz angenommen.


Die Herkunft des Materials ist nicht sicher fest zu legen.
Es erinnert zumindest an die stark gepunkteten Silices aus der Hesbaye in Belgien.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.