spitznackiges Flinbeil

Begonnen von Sprotte, 26. Oktober 2009, 21:35:20

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Sprotte

Guten Abend,

ich möchte euch heute ein für den mecklenburgische Raum nicht alltägliches Flintbeil vorstellen. Es ist etwa 14 cm lang und erinnert auf den ersten Blick an ein klassisches Kernbeil, wäre da nicht die sorgfältige Schneidenzurichtung (leider sind zwei kleine neuere Beschädigungen der Schneide vorhanden), die der Ertebølle-Kultur in dieser Qualität fremd ist. (Erste noch recht grobe Ansätze für eine derartige Schneidenzurichtung gibt es aber auch schon während der letzten Phase der Ertebølle-Kultur, man spricht dann von "spezialisierter Schneidenzurichtung" - die Entwicklung ist eben fließend.) Aus ergrabenen Fundkomplexen ist bekannt, dass solche spitznackigen Beile mit frühen Trichterbechern vergesellschaft sind und der Wangels-Phase (ca. 4100-3800 v. Chr.) der älteren Trichterbecherkultur zuzurechnen sind. Erst ab ca. 3800 v. Chr. tauchen dann die (idealerweise) allseits geschliffenen dünnnackigen Beile mit rechteckigen Querschnitt auf, die gerade in Dänemark so erstaunliche Größen erreichen.

Nach dem aktuellen Forschungsstand wird die Entstehung der Trichterbecherkultur aus der ortsansässigen spätmesolithischen Ertebølle-Kultur durch "Einflussnahme" der Michelsberger Kultur abgeleitet. Das begründet die Kombination von neuen Merkmalen (Bodenbau und Viehzucht, Veränderung der Keramik) und alten Merkmalen (insbesondere in der Flinttechnologie: Scheibenbeile sind nicht nur typisch für Ertebølle-Kultur sondern eben auch für die ältere Trichterbecherkultur).

Viele Grüße  :winke:
Sprotte


Sprotte

Hallo, ich bin's noch einmal.

Vom selben Acker stammt das Nackenfragment (Länge: 6 cm) eines weiteren, leider neuzeitlich (schade) zerbrochenen spitznackigen Flintbeils, diesmal mit geschliffenen Breitseiten und überschliffenen Schmalseiten. (Der Schliff lässt sich fotografisch schlecht darstellen, da das Material ein tertiärer, leicht körniger Flint ist.) Der Querschnitt ist eher unregelmäßig oval als rechteckig.

Viele Grüße nochmals  :winke:
Sprotte

queque

Wunderschöne Teile, kann man hier in der rheinischen Flintfitzel-Metropole nur von träumen. Alles selbst gefunden?
:winke:
Bastl

Silex

Kunstwerke hast Du da gefunden....und  wunderbar in Szene gesetzt. Schade dass ich Dir nicht weiterhelfen kann.
Gute Nacht aus dem Süden
(Manchmal sollte man dem Finder/der Finderin- auch ohne hilfeiche Bemerkungen- die Hochachtung und das Lob zukommen lassen  können welche die Sorgfalt, die Wissensaneignung, die Präsentation ...etc. betreffen)
Danke Sprotte!
Eine ferne Welt.
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Sprotte ..

.. herzlichen Glückwunsch zum Fund eines ganz prachtvollen Beils !  :super:

Du hast ganz recht, dass es sich hier um eine Übergangsform vom Kernbeil zum Spitznackenbeil handelt.
Ich möchte aber für eine morphologische Analyse plädieren, die das Beil als Kernbeil einordnet.
Im Werk "Flint fra Danmarks oldtid" benennt Peter Vang Petersen sogar diesen Typ als Leittyp der jüngsten Ertebøllezeit.

Es gibt, meiner Meinung nach, folgende Gründe, warum man diesen schönen Fund als Kernbeil der späten Erteböllezeit sehen muss:

1. Die Abwesenheit von einem Schliff.

2. Das Faktum, dass noch Reste von Cortex auf der einen Seite zu erkennen sind.

3. Die gebogene Schneide, die aber deutlich weniger gebogen ist, als bei den typischen, geschliffenen Spitznackenbeilen.

4. Der Nacken ist bei den Spitznackenbeilen oft wesentlich spitzer, und die Längskanten symmetrischer.

:winke:

Der Wikinger

Zitat von: Silex in 26. Oktober 2009, 22:12:36
(Manchmal sollte man dem Finder/der Finderin- auch ohne hilfeiche Bemerkungen- die Hochachtung und das Lob zukommen lassen  können welche die Sorgfalt, die Wissensaneignung, die Präsentation ...etc. betreffen)

Da hast du vollkommen recht, lieber Edi !  :super:

... und dafür wird "bei uns" auch immer Platz sein !  :winke:

rolfpeter

Servus

und vielen Dank für den interessanten und gehaltvollen Beitrag!

Kannst Du näheres zum Material des Beilnackens sagen? Das Gestein erinnert mich sehr an den bei uns im Rheinland relativ häufig auf jung- und spätneolithischen Fundstellen vorkommenden Valkenburger Flint. Und ehrlich gesagt kenne ich auch keinen anderen Feuerstein mit dieser an Quarzit erinnernden Struktur.

http://steinescherben.homepage.t-online.de/thema4a.htm

Würde natürlich ans "Wunderbare" grenzen, wenn das Zeugs es bis nach MäcPomm geschafft hätte!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

a.k.a. rentner

(Manchmal sollte man dem Finder/der Finderin- auch ohne hilfeiche Bemerkungen- die Hochachtung und das Lob zukommen lassen  können welche die Sorgfalt, die Wissensaneignung, die Präsentation ...etc. betreffen)

In diesem Sinne:
Danke für den super Fund........
Michi

Sprotte

Hallo,

vielen Dank erst einmal, insbesondere dir, lieber Wikinger. Natürlich gehe ich gerne mit, dass das erste Beil noch in die jüngste Ertebøllezeit und nicht schon in die älteste Trichterbecherkultur einzuordnen ist. Die typologischen Merkmale sprechen eben ihre eigene Sprache.

Das Fehlen von Schliff würde allein nicht zur genauen zeitlichen Einordnung ausreichen, da ergrabene Komplexen der ältesten Trichterbecherkultur (mit den typischen Trichterbechern) in Ostholstein bisher - soweit mir bekannt ist - nur spitznackige Beile OHNE Schliff ergeben haben. Auf Rügen gibt es gleichalte Komplexe mit geschiffenen spitznackigen Beilen. Regionale Unterschiede sind selbst auf so kurze Distanz nicht zu unterschätzen.

Übrigens stammen von dem Fundplatz der beiden Beile noch ca. ein Dutzend Scheibenbeile (auch selbst gefunden), auch solche mit Flächenretuschierung auf der Oberseite, klassisch spätmesolithische eben. (Ich werde bei Gelegenheit mal einige ins Forum stellen.)

Viele Grüße  :winke:
Sprotte

Der Wikinger

Hallo wieder Sprotte  :-)

Es wird eine interessante Diskussion der Winzigkeiten, aber trotzdem.  :zwinker:

Ich zweifle nicht an, dass dieses Beil die älteste Trichterbecherkultur anhören kann.
Vielleicht, und wahrscheinlich ist das ja sogar das Gleiche wie die späteste Erteböllekultur. Die Perioden übergreifen sich eben.

Das alles ist ausser Diskussion.  :super:

Was ich aber immernoch betonen muss, ist die Tatsache, dass das Beil, meiner Meinung nach, kein Spitznackenbeil, sondern morphologisch ein Kernbeil ist, aus den oben genannten Gründen.

Hier eine zusammengestellte Illustration aus dem Buch von Peter Vang Petersen "Flint fra Danmarks oldtid".

Links das Kernbeil (könnte fast eine Zeihnung von deinem Fund sein !  :staun: ), rechts das Spitznackenbeil.




:winke:

Sprotte

Alles klar!  :super:

Danke nochmals  :winke:
Sprotte

Sprotte

Hallo und Guten Abend,

wie versprochen stelle ich nun eins der Scheibenbeile (Länge: 9,5 cm) aus grauem Flint mit flächenretuschierter Oberseite vom selben Fundplatz wie die schon gezeigten Beile ins Forum. Zeitlich ist es (ich hoffe, dass es unwidersprochen bleibt  :zwinker:) ins Spätmesolithikum zu stellen.

Viele Grüße  :winke:
Sprotte