Ungewöhnliches Scheibenbeil

Begonnen von Poseidon1, 01. Januar 2017, 22:37:59

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Poseidon1

Moin,
ich wollte mit euch dieses Artefakt besprechen, das ich inzwischen und nach längerer Betrachtung als einfach kantenbehauenes Scheibenbeil mit geraden Kanten ansprechen würde.
Es wurde offensichtlich  aus einem Kern- Korrekturabschlag hergestellt. Die negative der abgebauten Klingen verlaufen bis zum Schneidenbereich.
Von der ursprunglichen Schneide ist nach einem Bruch nur noch ein kleiner aber stark glänzender Rest übrig. Nachgeschärft wurde es von lateral, was ich bemerkenswert finde. Der Nacken ist gebrochen und lief einmal sehr viel flacher aus.
Es würde mich interessieren, wie eure Einschätzung dazu ausfällt.
Ich habe nochmal zwei Aufnahmen aus der Literatur angehängt. Das zweite Bild zeigt ein Scheibenbeil mit einer von lateral zugerichteten Schneide.

Neos

Moin, Mathis, moin an alle,

ein frohes, neues und gesundes Jahr in die Runde!

Für mich sieht das Stück mehr nach einem Kern als nach einem Scheibenbeil aus. Die vermeintliche Schneide sieht mir nicht "scharf" genug aus, sprich: der Winkel ist m.E. zu stumpf als dass der Stein zum Schneiden geeignet wäre.

Beste Grüße

Neos

Steinkopf

Moin,

Poseidon hat das (nur) kantenbehauene Scheibenbeil recht treffend beschrieben.
Es ist nicht, wie zumeist noch, flach gearbeitet. Solche Stücke kommen vor.

Die Schneide ist abgängig - das ist bei den meisten in freier Wildbahn gefundenen
Scheibenbeilen der Fall. Danach kann ein gekonnt gesetzter 'Schneidenschlag'
das Werkzeug noch einmal wieder scharf und einsatzfähig machen.
Diese Nachschärfung erfolgt - wenn es klappen soll - schräg seitlich von hinten.
Hier ist dies wohl nicht so recht gelungen.

Scheibenbeile und auch Kernbeile findet man zumeist verbraucht und 'verhauen'.

Die Stücke aus der Typologie müssten schon unbenutzt sein.

LG

Jan

StoneMan

Moin,

mein Fazit vorweg: Ein leicht lädiertes Scheibenbeil - Glückwunsch dazu.

Zitat Stefan Wenzel, aus "Kern- und Scheibenbeile", Kapitel 61:
Definition
[...]
Bei Scheibenbeilen diente als Grundform für die Beilklinge ein dicker Abschlag oder ein
flaches Trümmerstück, bei dem eine spitzwinklig zulaufende Kante als Schneide genutzt wurde,
während die Seitenkanten durch steile Retuschen zugeschlagen wurden.
Die traditionell übliche Zuordnung der Beilklingen zur Gruppe der Kern- oder Abschlaggeräte
ist bei einzelnen Stücken schwierig. Scheibenbeile weisen den Rest der Ventralfläche eines Abschlags
oder der Spaltfläche eines flachen Trümmerstücks auf.
Bei Kernbeilen ist kein Rest einer Ventralfläche mehr vorhanden...
[...]

Quelle: Kern-_und_Scheibenbeile"Steinartefakte, vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit", Harald Floss

Hier trifft m. M. nach alles auf ein Scheibenbeil zu.
Die Grundform besteht laut Poseidon1, ´aus einem Kern- Korrekturabschlag´, was man nachvollziehen kann.
Es ist eine Ventralfläche vorhanden und die Seitenkanten sind steil modifiziert (Zitat Poseidon1: kantenbehauen...).

Diese kleinen Scheibenbeile sind oft sehr pragmatischer als es in Publikationen dargestellt wird.
Nicht immer ist es so einfach wie hier, ein Scheibenbeil zu bestimmen.
Dem Pragmatismus ist es zu Schulden, dass  es mitunter schwierig ist diese Beiltypen eindeutig zuzuordnen.


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry