Wer suchet der findet: Kernscheibe?

Begonnen von Jondalar, 29. Oktober 2024, 10:47:18

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Jondalar

Hallo zusammen,

in dem Beitrag

Ein für mich besonderer Fund (II): Klingenkern mit mindestens 15 ,Bahnen'

hatte ich einen Kern vorgestellt und durfte dankenswerterweise lernen, dass das Stück um eine Kernscheibe 'gekappt' worden war. Meinte mich ja gleich daran zu erinnern, dass sich so etwas auch in meiner kleinen Kollektion befinden könnte. Anbei also der Verdachtsfall (d= max.40, h= max. 13mm), den ich Euch sowieso früher oder später einmal gezeigt hätte, da er für mich bisher nicht so ganz zuzuordnen war. Das sollte doch so eine Kernscheibe sein, oder?
Viele Grüße

Jondalar  

neolithi

Schönes Stück, aber ich würde es als Rundschaber ansprechen. :kopfkratz:

Herzliche Grüße
Anke

Furchenhäschen

Hallo Martin,
ein sehr feiner Kratzer, evtl. Mesolithikum.
Wie sind die Beifunde zugeordnet?

Grüße Peter

thovalo


Moin!

Ideal ausgeprägte Kernscheiben erinnern fast an Zahnräder, denn vom Rand der abgetrennten Kernscheiben gingen die Schläge für die Grundformen aus.



lg Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.


Neos

Hallo, Jondalar,

wenn Anke

Zitat von: neolithi in 29. Oktober 2024, 11:01:39Schönes Stück, aber ich würde es als Rundschaber ansprechen. :kopfkratz:

schreibt, dann kann ich ihr nur beipflichten. Bei uns im Norden (Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern) spricht man ein solches Artefakt in der Regel genau so an. Grund dafür ist, dass die norddeutsche Archäologie sich teilweise an der dänischen Archäologie bzw. deren Begriffen orientiert (dän. Schaber: "Skraber"). Im Rest der Republik nennt man es "Kratzer", und zwar um diesen Artefakte-Typus zeitlich unterscheiden zu können: Altsteinzeit: "Schaber"; Jungsteinzeit bis Bronzezeit: "Kratzer".

Viele Grüße

Frank

Furchenhäschen

Zitat von: Neos in 29. Oktober 2024, 17:54:55Hallo, Jondalar,

wenn Anke

schreibt, dann kann ich ihr nur beipflichten. Bei uns im Norden (Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern) spricht man ein solches Artefakt in der Regel genau so an. Grund dafür ist, dass die norddeutsche Archäologie sich teilweise an der dänischen Archäologie bzw. deren Begriffen orientiert (dän. Schaber: "Skraber"). Im Rest der Republik nennt man es "Kratzer", und zwar um diesen Artefakte-Typus zeitlich unterscheiden zu können: Altsteinzeit: "Schaber"; Jungsteinzeit bis Bronzezeit: "Kratzer".


Frank

Hallo Frank,
kleine Ergänzung,
Kratzer gab es ab dem Mesolithikum, Neolithikum bis in die Bronzezeit, wobei sich paläolithische Schaber sich doch auch im Aussehen grundsätzlich von Kratzern bzw. Skrabern unterscheiden, auch im Gebrauch.
Ja ich weiß, das sind wieder die Nord/Südbegrifflichkeiten.
Viele Grüße
Grüße Peter

neolithi

Hallo zusammen ,
Frank hat das Begrifflichkeitsthema zu Schaber/ Kratzer richtig dargestellt. Ich hatte das Fass nicht aufmachen wollen, gab hier schon manchmal heiße Diskussionen dazu  :-D

Ich bin in diesem Jahr kaum zum Suchen gekommen, aber passend zu diesem Thread habe ich eine von mir als Kernscheibe diagnostizierte Selbige gefunden.

Ich hoffe, die auf die Schnelle gemachten Bilder reichen euch.

Herzliche Grüße
Anke

Jondalar

Hallo Anke,

vielen Dank für Deine schnelle Einordnung und die Bilder, anhand denen man das Geschriebene sehr gut nachvollziehen kann. Ursprünglich war das Stück für mich auch ein Kratzer, ich zweifelte aber ob des konischen Querschnitts und der fast umlaufenden Bearbeitungsspuren...
Na, ich werde bei mir noch mal nachschauen, ob sich nicht doch eine Kernscheibe finden lässt...  ;)
Viele Grüße

Jondalar

Furchenhäschen

Hallo,
dazu muss man schon anmerken, daß lt. Floss die Funktion eines Schabers eine andere als die eines Kratzers ist. Der Schaber hatte überwiegend eine schneidende Funktion. Siehe auch Floss S.312 Ein Schaber weisst in der Regel einen Retuschierwinkel von< 45 Grad auf!Zu den Kratzern empfehle ich speziell die Seite 588, mesolithische Kratzer, Gebrauchsuntersuchungen ergaben, dass damit beispielsweise Holz, Knochen, Geweih geschabt wurde. Also denke ich, dass es sich nur um ein versehentliches verwechseln von Begrifflichkeiten handelt. Ich orientiere mich dahingehend am Floss. Das ist kein Fass aufmachen aber ich halte es doch für eine notwendige Diskussion, die man richtig stellen sollte

Grüße Peter

Jondalar

Hallo Peter,

es ist ein zeitlich gemischter Fundort vom Spätpaläolithikum bis in das Neolithikum. Das Mesolithikum kann ich durch mindestens 2 Dreiecksspitzen belegen. Wenn das Stück tatsächlich ein Kratzer aus dem Mesolithikum wäre, dann wäre er für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich sorgfältig gearbeitet. Die meisten anderen, die ich bisher gefunden habe, sind deutlich nachlässiger gestaltet.
Viele Grüße

Jondalar

p.s.: vielen Dank noch für Deine Anmerkung zu der Kratzer-Schaber-Abgrenzung

Jondalar

Hallo Thomas,

vielen Dank für das anschauliche 'Bild' des Zahnrades. Völlig einleuchtend!
Viele Grüße

Jondalar

Jondalar

Hallo Jan,

vielen Dank für den Hinweis auf das beispielhafte Foto einer Kernscheibe.
Viele Grüße

Jondalar

Jondalar

Hallo Frank,

vielen Dank für Deine Abgrenzung Kratzer-Schaber. Es sind mittlerweile ja schon einige Anmerkungen hierzu eingetroffen, sonst hätte auch ich noch einmal gefragt, ob es nicht auch einen funktionalen Unterscheid gibt. Als 'anschaulicher' Mensch habe ich immer versucht mir vorzustellen, dass man mit einem Schaber eher 'flächig' arbeiten kann, beispielsweise ein Fell von Fett befreien, was mit einem Kratzer eher mühsam wäre. Dieser schien mir für 'lineares' Arbeiten besser geeignet... Spannend auch die zeitliche Abgrenzung...
Viele Grüße

Jondalar

Neos

Hallo, Peter,

Zitat von: Furchenhäschen in 29. Oktober 2024, 18:27:52Kratzer gab es ab dem Mesolithikum, Neolithikum bis in die Bronzezeit, wobei sich paläolithische Schaber sich doch auch im Aussehen grundsätzlich von Kratzern bzw. Skrabern unterscheiden, auch im Gebrauch.

dank dir für die Ergänzung. Natürlich (!) spricht man von Kratzern ab dem Mesolithikum. Ein kleiner Fauxpas meinerseits.  :irre:

Beste Grüße

Frank

Danske

Hallo Jondalar,

du zeigst uns hier ein schönes Fundstück, welches ich auch als Kratzer ansprechen würde. Im höheren Norden der Republik und in Dänemark würde man es wohl als Skiveskraber bezeichnen.

Hallo an alle,

um noch ein wenig mehr Verwirrung beim Thema Schaber/ Kratzer zu stiften, habe ich mir die Ausführungen von Lutz Fiedler in "Altsteinzeit von A-Z" angeschaut.

Darin stellt er auch Kratzer vom Alt- bis Spätpaläolithikum dar, was eigentlich im Widerspruch zu den zeitlichen Festlegungen "Kratzer vom Mesolithikum bis Bronzezeit" stehen würde.

Schaber bezeichnet er als Geräte mit hobelnd-abspanender oder schnitzend-schneidener Wirkungswweise und unterscheidet abhängig vom Winkel der Arbeitskante drei Funktionen:
1. Das Schneiden bei einem Winkel der Arbeitskante zwischen etwa 15 und 40 Grad,
2. das spanabhebende Schnitzen bei einem Winkel der Arbeitskante zwischen etwa 20 und 50 Grad und
3. das Wegkratzen (von Fett und Bindegewebe) mit einem Winkel der Arbeitskante zwischen etwa 40 und 90 Grad, wobei wahrscheinlich in der Praxis mit allen Schneidenwinkeln ad hoc geschnitten, geschnitzt oder Häute beschabt werden konnten, nur mit unterschiedlicher Effizienz.
In die 3. Kategorie fallen z.B. die Quina-Schaber.

Für mich heißt das nun: Mit einem Quina-Schaber konnte man z.B. das Fett von Häuten abkratzen, aber weder ich noch sonst jemand käme auf die Idee, Quina-Schaber als Quina-Kratzer zu bezeichnen.

Etwas verwirrend, das Ganze. :irre:

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

#16
Hallo Holger,
Zum Thema Quina-Schaber muss man schon anmerken, dass der Nutzbare schabende oder aber in diesem Fall des speziellen Werkzeuges auch schneidende Bereich um ein vielfaches größer ist als bei einem klassischen Kratzer. Ein Quinaschaber ist deswegen vielseitiger nutzbar als ein Kratzer.Ich vertrete auch allgemein die Meinung, dass wir hier in Deutschland die wissenschaftlich, üblichen und gültigen Bezeichnungen für Artefakte verwenden sollten, wie sie in der Fachliteratur von Fiedler und Floss verwendet werden. Ich glaube nicht, dass ein Franzose oder Italiener auf die Idee käme auf andere , spezielle Artefaktbezeichnungen bei Gerätetypen aus dem Nachbarland zurückzugreifen. Auch der Einsatzbereich von Schabern und Kratzern, Faustkeilen, Klingen, Beilen usw. ist in der entsprechenden Fachliteratur klar definiert und durch Gebrauchsspurenanalysen weitestgehend bekannt.
Grüße Peter

Danske

Hallo Peter,

deine Ausführungen sind zu 100 Prozent richtig. Die Unterscheidung zwischen Schaber und Kratzer, wie in der Fachliteratur dargestellt und von dir erläutert, ist auf jeden Fall berechtigt. Die Franzosen übrigens nutzen auch nicht umsonst die Begrifflichkeiten racloir und grattoir.

Mir ging es darum aufzuzeigen, dass es Kratzer bereits im Paläolithikum gab und Schaber auch zum Kratzen verwendet werden konnten, somit eine strikte Unterscheidung hinsichtlich der Verwendungsbreite beider Gerätetypen nicht immer gegeben ist.

LG
Holger :winke:
 
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

#18
Hallo Holger,
ein interessantes und immer wieder diskussionswürdiges Thema welches völlig emotionslos aufgearbeitet werden sollte.
Das es im Paläolithikum Werkzeuge mit schabender Funktion gab ist klar. Im Mittelpaläolithikum waren in der Regel häufig "Multitools" im Einsatz wie  beispielsweise Werkzeugtypen wie der Faustkeil und der Schaber. Der Schaber hatte wie in der Fachliteratur erläutert eine schneidende und wohl teils auch je nach (Retuschen-) Winkel auch noch eine schabende Funktion. Reine bzw. ausschließlich für kratzende Funktionen hergestellte Werkzeuge sind mir aus dem Mittelpaläolithikum noch nicht bekannt. Klassische Kratzerformen treten deutlich später auf, ich denke da an diskoide Kratzer, Klingenkratzer, Rundkratzer usw.
Erste "richtige, werkzeugspezifische Kratzerformen" sind mir in Bayern aus dem ab dem Aurignacien bekannt. Darauf wollte ich hinaus, dass man nicht den Fehler begehen sollte zu pauschalisieren. Deswegen halte ich die stete Vermischung mit den Bezeichnungen für Kratzerartefakte, auch aus den nordischen Ländern für nicht ganz richtig. Jedenfalls sorgt dies bislang von Nord/Süd stets für Missverständnisse.
Deswegen halte ich die Bezeichnung Schaber: "Skraber für einen eindeutigen Kratzer in der deutschsprachigen Archäologie für  nicht glücklich bzw. eigentlich für falsch.
Ich hoffe, dass ich meine Gedanken zum Thema verständlich erläutern konnte. :-)

Viele Grüße Peter

Danske

Zitat von: Furchenhäschen in 31. Oktober 2024, 15:54:22Ich hoffe, dass ich meine Gedanken zum Thema verständlich erläutern konnte. :-)

Das konntest du, lieber Peter. Vielen Dank :Danke2:

Liebe Grüße
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Jondalar

Hallo zusammen,

vielen Dank für Euere weitergehende Differenzierung von Schabern und Kratzern. Was ich nun, kurz zusammengefasst, mitnehme, ist, dass Schaber im Paläolithikum und Kratzer schwerpunktmäßig ab dem Mesolithikum, aber auch bereits im Spätpaläolithikum verwendet wurden. Es gibt funktionale Unterschiede, Schaber konnten jedoch universeller eingesetzt werden. Korrekt?
Viele Grüße

Jondalar 

RockandRole

Hallo Leute,

Kratzer gab es natürlich ab dem Paläolithikum.  Ab dem Mesolithikum gab es kaum noch Schaber, natürlich nur im Süden  :zwinker:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen