Scheibenbeil

Begonnen von Wiesenläufer, 03. Juli 2021, 18:29:58

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Wiesenläufer

Moin,

ebenfalls von meinem mesolithischen Fundplatz und schon 2019 gefunden.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, es hatte sich unter den Kernsteinen versteckt.

Es zeigt aber auch, dass mit jedem Jahr der Blick besser wird.  :dumdidum:

Knapp 6,5cm groß
die Schneide etwas über 4cm breit
der Nacken 1,5cm
Dicke: 1,8cm

Vielleicht verbirgt sich in den kommenden Tüten noch mehr.

Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

steinwanderer

Moin Gabi
bei den Kernsteinen kann es liegen bleiben .Das ist meines Erachtens kein Scheibenbeil.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Wiesenläufer

Moin Klaus,

das ist jetzt aber peinlich,  :schaem: habe ich mich so geirrt. 

Jetzt muss ich aber mal fragen; warum nicht ??
Weil es auf der einen Seite noch die Rinde hat ?
Zurichtung und Form passen doch  :kopfkratz:

Gruß

Gabi

Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Neos

Moin, Gabi,

Zitat von: Wiesenläufer in 04. Juli 2021, 17:48:40
das ist jetzt aber peinlich,  :schaem: habe ich mich so geirrt. 

dir muss hier überhaupt nichts peinlich sein - das mal vorweg.

Zitat
Jetzt muss ich aber mal fragen; warum nicht ??
Weil es auf der einen Seite noch die Rinde hat ?
Zurichtung und Form passen doch  :kopfkratz:

Wie Klaus sehe auch ich kein Scheibenbeil in diesem Stück. Ein Kern? Ja, vielleicht, ich tendiere eher noch zu einem "gut gemachten" Geofakt. Ob die vorhandene Rinde das Problem ist glaube ich eher nicht, allerdings kann ich keine intentionelle Zurichtung erkennen. Daher halte ich dieses Stück für naturgemacht, vielleicht noch unter Mitwirkung von John Deere.

Andere Meinungen?

Viele Grüße

Frank

Marienbad

Moin Gabi,

Ich sehe bei deinem Fundstück auch keine gezielten Arbeitsschritte von Menschenhand.
Wie Frank denke ich auch das eine Landwirtschaftliche Maschine dabei tätig war.

LG  Manfred

Wiesenläufer

Moin,

dann ist es mit dem "besser werdenden Blick" doch nicht so weit her.

Danke, für eure Einschätzung dazu. 

Werde es komplett aussortieren und als irreführendes Geofakt  aufheben.  :-D

Gruß

Gabi

Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

palaeo1

Sorry, da muss ich allen, die dieses Stück negieren widersprechen ! Im Binnenland abseits der guten Rohmateriallage der Küste sind solche Stücke üblich. Ich bezeichne sie als "Funktionsform Scheibenbeil", weil sie nicht den klassischen Herstellungsprinzipien folgen. Es werden Frostscherben verwendet und mit einfachsten Mitteln - häufig nur mit einem Schneidenschag versehen - modifiziert. Schneide und Schäftungsmöglichkeit sind der kleinste gemeinsame Nenner. Verabschiedet euch von "Hahn" und "Floss", das sind Ideale, die dort abgebildet sind und haben nur wenig mit der Realität zu tun.
LG Palaleo1

Neos

Hallo, Palaeo1,

Zitat von: palaeo1 in 05. Juli 2021, 22:51:17
Sorry, da muss ich allen, die dieses Stück negieren widersprechen !

das ist dein gutes Recht - insbesondere als Kenner der Materie - und damit magst du auch vollkommen Recht haben. Aber ...

Zitat
Im Binnenland abseits der guten Rohmateriallage der Küste sind solche Stücke üblich.

... der Punkt ist: Gabis Sammelgebiete befinden sich alle nahe der Küste in Mecklenburg-Vorpommern. Und dort gibt es Top-Rohmaterial in Hülle und Fülle, wie man auch an den zahlreichen Funden, die Gabi hier schon präsentiert hat, sehen kann.

Zitat
Es werden Frostscherben verwendet und mit einfachsten Mitteln - häufig nur mit einem Schneidenschag versehen - modifiziert. Schneide und Schäftungsmöglichkeit sind der kleinste gemeinsame Nenner.

OK, das war mir neu und erleichtert damit natürlich nicht unbedingt das Erkennen eines Scheibenbeiles (für einen "Laien").

Zitat
Verabschiedet euch von "Hahn" und "Floss", das sind Ideale, die dort abgebildet sind und haben nur wenig mit der Realität zu tun.

Absolut d'accord. Wobei ich vermutlich nicht derart radikal von "verabschieden" sprechen würde, sondern eher davon, dass man sich vielmehr immer wieder deutlich machen muss, dass diese Schriftstücke nicht das Maß aller Dinge sind auch auch nicht sein können. Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass die beiden Autoren das für sich beanspruchen.

Zurück zum Fundstück von Gabi.

Meine persönliche Einschätzung: Ich vermute weiterhin aus den zuvor genannten Gründen, dass es sich um ein Geofakt handelt und würde mich gar nicht freuen, wenn du, Palaeo1, - in diesem Fall - Recht haben solltest.  :zwinker:

Gabi, vielleicht hast du ja Lust, dieses Fundstück zum diesjährigen Tag der Archäologie in Schleswig-Holstein 2021, der dieses Jahr (wenn alles klappt) am 06.11.2021 wieder in Schleswig stattfinden wird, mitzubringen? Anschließend wissen wir alle definitiv, was es ist, und würden das in diesem Thread dann bekanntgeben. Und vielleicht hast ja auch du, Palaeo1, Lust, uns dort dieses Jahr zu besuchen? Ich würde mich freuen!

Viele Grüße

Frank

PS: @Palaeo1: Solltest du am Ende Recht behalten geht das nächste Bierchen auf mich.  :prost:

Wiesenläufer

Moin,

das ist das schöne hier an dem Forum, es gibt auch gegenläufige Meinungen was es für einen Laien (wie mich) nicht unbedingt leichter macht,
aber noch mehr zum nachdenken anregt.
Wenn man "Paradestücke" herstellen kann, warum sollte man so etwas benutzen.
Andersrum aber auch, warum zu viel Mühe investieren wenn es auch so funktioniert.

@Frank, ich habe es auch schon in der Kiste für September dabei  :zwinker: und "Tag der Archäologie" steht fest in meinem Kalender.
Und auch in dem zweiten Punkt würde ich Dir völlig zustimmen. Würde mich ebenfalls sehr freuen wenn paleo1 am 6.11.21 mit dabei ist.

Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

palaeo1

#9
Zitat von: Neos in 05. Juli 2021, 23:34:46

... der Punkt ist: Gabis Sammelgebiete befinden sich alle nahe der Küste in Mecklenburg-Vorpommern. Und dort gibt es Top-Rohmaterial in Hülle und Fülle, wie man auch an den zahlreichen Funden, die Gabi hier schon präsentiert hat, sehen kann.

Einerseits darf man nicht vergessen, dass im Präboreal/Boreal der Küstenverlauf ein ganz anderer war (Meeresspiegel bis ca. - 40 m ). Andererseits gibt es im Geschiebe vor Ort auch sehr viel schlechtes Rohmaterial und das wurde genutzt, wenn ad hoc ein Gerät benötigt wurde und nichts Besseres zur Verfügung stand. Ob solche Artefakte tatsächlich auch immer in Funktion genommen oder gegebenenfalls verworfen wurden, sei dahingestellt. Es sind aber keinesfalls immer ungenutzte Stücke, das zeigen deutlich die Gebrauchsspuren an der Schneide. Und an den mir vorliegenden Stücken handelt es sich nicht um GSM-Retuschen.


Zitat von: Neos in 05. Juli 2021, 23:34:46
OK, das war mir neu und erleichtert damit natürlich nicht unbedingt das Erkennen eines Scheibenbeiles (für einen "Laien").

Das Problem ist ja eben, dass derartige Stücke nicht als Kern- oder Scheibenbeile identifiziert werden, obwohl sie aus Aufsammlungen von Talsandflächen und Flugsanddecken stammen, in denen keine natürlichen Steinvorkommen vorhanden sind. Somit haben sie einen eindeutigen artifiziellen Charakter. Ich habe die komplette Sammlung des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover und die des Bachmann Museums in Bremervörde sowie die des Kloster Museums in Zeven inventarisiert, dazu diverse Privatsammlungen. Splche Funktionsformen treten regelhaft auf. Um sie von einem opportunistisch abgebauten Kern zu unterscheiden ist die Schneidenzurichtung als signifikantes Merkmal anzusehen.

Zitat von: Neos in 05. Juli 2021, 23:34:46
Absolut d'accord. Wobei ich vermutlich nicht derart radikal von "verabschieden" sprechen würde, sondern eher davon, dass man sich vielmehr immer wieder deutlich machen muss, dass diese Schriftstücke nicht das Maß aller Dinge sind auch auch nicht sein können. Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass die beiden Autoren das für sich beanspruchen.

Aber das Beschränken von Abbildungen auf Idealformen impliziert, das alles Abweichende nicht zu den Gerätetypen gehört. Und das ist das Gefährliche, schafft ein vollkommen falsches Bild der Realität. Und weil das so ist, traut sich auch fast keiner solche Stücke abzubilden.

Zitat von: Neos in 05. Juli 2021, 23:34:46
Meine persönliche Einschätzung: Ich vermute weiterhin aus den zuvor genannten Gründen, dass es sich um ein Geofakt handelt und würde mich gar nicht freuen, wenn du, Palaeo1, - in diesem Fall - Recht haben solltest.  :zwinker:

Mir geht es nicht darum Recht zu bekommen, ich möchte nur etwas die Augen öffnen. Ein Geofakt ist allein aus der logischen, bilateralen Anordnung der Abschläge auszuschließen.

Zitat von: Neos in 05. Juli 2021, 23:34:46
Gabi, vielleicht hast du ja Lust, dieses Fundstück zum diesjährigen Tag der Archäologie in Schleswig-Holstein 2021, der dieses Jahr (wenn alles klappt) am 06.11.2021 wieder in Schleswig stattfinden wird, mitzubringen? Anschließend wissen wir alle definitiv, was es ist, und würden das in diesem Thread dann bekanntgeben. Und vielleicht hast ja auch du, Palaeo1, Lust, uns dort dieses Jahr zu besuchen? Ich würde mich freuen!

Es wird diskutiert werden und ich glaube auch, dass dort die Meinungen auseinandergehen werden. Auch seitens der Berufskollegen werden solche Artefakte gelegentlich negiert. Wenn man sich aber logisch an die Sache heranbewegt ( Flugsanddecke, kein Kontakt mit landwirtschaftlichem Gerät, signifikanter Schneidenschag wie bei typischen Beilen, Funktionshinterfragung), kommt man zu einem ganz simplen Schluss > Funktionsform Beil - mehr nicht !


Zitat von: Neos in 05. Juli 2021, 23:34:46
PS: @Palaeo1: Solltest du am Ende Recht behalten geht das nächste Bierchen auf mich.  :prost:


Ich versuche mir den Tag in Schleswig freizuhalten

palaeo1

Hier noch mal drei Beispiele !

palaeo1

Hier noch einmal ein paar Exemplare !

palaeo1

Hier noch ein Beispiel aus der Dissertation von H. Schwabedissen (1944), der den Kern- und Scheibenbeilkreis grundlegend definiert hat - in der Form heute nicht mehr gültig -, aber damals schon auch solche mit Kortex versehene Frostscherben, die fast ausschließlich einen Schneidenschlag als Modifizierung aufweisen, richtigerweise zu den Scheibenbeilen gezählt hat.  

palaeo1

#13
Ein weiteres Stück aus Siggeneben-Süd, Ostholstein (Meurers-Balke 1983). Es ist genauso grob aus einer Frostscherbe gefertigt in gleicher triangulärer Form.

Neos

Moin, Gabi,

Zitat von: Wiesenläufer in 06. Juli 2021, 05:04:10
@Frank, ich habe es auch schon in der Kiste für September dabei  :zwinker: und "Tag der Archäologie" steht fest in meinem Kalender.

top!  :super:

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Palaeo1,

erst einmal vielen, herzlichen Dank für all die Mühe, die du dir bei diesem Fundstück gemacht hast! Absolut klasse!  :super:

Zitat von: palaeo1 in 06. Juli 2021, 10:38:44
Solche Funktionsformen treten regelhaft auf. Um sie von einem opportunistisch abgebauten Kern zu unterscheiden ist die Schneidenzurichtung als signifikantes Merkmal anzusehen.

Gerade solche Informationen erhält man sonst nirgendwo und ich bin dir sehr dankbar dafür.

Zitat
Aber das Beschränken von Abbildungen auf Idealformen impliziert, das alles Abweichende nicht zu den Gerätetypen gehört. Und das ist das Gefährliche, schafft ein vollkommen falsches Bild der Realität. Und weil das so ist, traut sich auch fast keiner solche Stücke abzubilden.

Das ist ja das Schöne an unserem Forum: Hier darf man sich trauen und tut es auch!  :-D

Zitat
Mir geht es nicht darum Recht zu bekommen, ich möchte nur etwas die Augen öffnen.

Das war und ist nicht mein Eindruck und selbiges gilt selbstverständlich auch für mich. Und was das Augen öffnen angeht: Das kann man m. E. gar nicht oft genug tun in diesem Metier.

Zitat
Ein Geofakt ist allein aus der logischen, bilateralen Anordnung der Abschläge auszuschließen.

Ich glaube zu sehen, was du meinst, würde mich aber riesig freuen, wenn wir auf dem TdA SH die Möglichkeit haben sollten, im kleinen Kreise einmal über dieses Fundstück zu sprechen und es selbst einmal in die Hand zu nehmen. An Gabi wird es jedenfalls nicht scheitern, wie sie ja bereits geschrieben hat...  :zwinker:

Zitat
Es wird diskutiert werden und ich glaube auch, dass dort die Meinungen auseinandergehen werden. Auch seitens der Berufskollegen werden solche Artefakte gelegentlich negiert.

Ja, das denke ich auch. Ich gehe jedenfalls völlig ergebnisoffen an diese Sache heran.

Zitat
Ich versuche mir den Tag in Schleswig freizuhalten

Das ist ein Wort! Und ich fange prophylaktisch schon einmal an, auf ein Bierchen zu sparen...  :dumdidum:

In diesem Sinne erneut besten Dank für deine Kommentare und die Bilder. So etwas bringt uns alle hier voran.

Viele Grüße

Frank

PS: Und es ist doch ein Geofakt!  :frech:

palaeo1

Zitat von: Neos in 06. Juli 2021, 23:05:02
Das ist ein Wort! Und ich fange prophylaktisch schon einmal an, auf ein Bierchen zu sparen...  :dumdidum:
PS: Und es ist doch ein Geofakt!  :frech:
schauen wir mal ! Ich setze eine Flasche Ouzo dagegen ! :-)
Gruß
Klaus

Neos

Zitat von: palaeo1 in 06. Juli 2021, 23:49:06
schauen wir mal ! Ich setze eine Flasche Ouzo dagegen ! :-)
Gruß
Klaus

Deal!  :smoke: