Säge

Begonnen von digdig, 16. Juli 2010, 13:11:58

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digdig

Hallo,
kann mir jemand etwas zu diesem Silexgerät sagen?
Die "Säge" ist 62 mm lang und 18 - 22 mm breit. Die Dicke beträgt 5 mm. Das Gerät hat auf einer Langseite 25 etwas 1,5 bis 2mm hohe Sägezähne. Meiner laienhaften Meinung nach eine Meisterleistung des Werkzeugmachers.
Der Fundort ist ein Acker in der Münchener Schotterebene neben einem Trockental. Das Tal war nach der letzten Eiszeit wohl noch lange wasserführend. In der Nähe sind Hügelgräber und eine Römerstraße.

Servus

digdig

Moonk

Hallo, sieht aus wie ein Sichel (Sicheleinsatz).
HG Moonk :smoke:
Das Leben ist wie eine Hühnerleiter man kommt vor lauter ..... nicht weiter. HG Moonk

Der Wikinger

Hallo  :-)

Ich kenne zwar deine Fundlandschaft garnicht, aber ich denke es muss für deine Region ein recht seltener Fund sein.  :super:

Es stimmt schon, wie Moonk sagt, dass es Sicheleinsätze mit Zähnung gibt, auch hier im Norden wo ich wohne.

In diesem Fall sehe ich aber eher eine (Klingen-) Säge, die auch vereinzelt in der nordischen Steinzeit vorkommen !

Die Südler werden noch kommen, und sehr viel mehr sagen können.  :super:

:winke:


StoneMan

Das ist ja ein feines Artefakt - Glückwunsch.

Ich würde es als Säge ansprechen.


Groot

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Harkonen

Hallo,
sehr schönes Stück, noch dazu in der Schotterebene gefunden, echt Klasse.
Ich meine, es könnte sich um einen bronzezeitlichen Sicheleinsatz handeln.
Hat das wunderbare Stück evtl. noch Glanzstellen im Bereich der Zahnung.(Sichelglanz)?
Handelt es sich um einen Einzelfund oder gibt es vom Fundort noch Beifunde.
Übrigens, bin auch aus der nähe München.
Das Silexmaterial ist sehr interessant, kenne ich aus unserer Gegend nicht.
Gruß
Harkonen

Mark77

Für eine Säge spricht die fast gleichmäßige Zähnung. Wenn Sichelglanz bei ist, na dann :super: !!!

Das Material könnte alpinen Ursprungs sein, also schon Kreidezeitlich. :winke:

Schöne Grüße,
Markus

thovalo

Derart gleichmäßig gezahnte Stücke in dieser Größe sind, von der Region unabhängig, enorm selten!

Das erscheint als eine "Sonderanfertigung" und nicht als ein regelmäßig auftretender Artefakttyp.  So weit im Süden stand in der Bronzezeit eigentlich ausreichend Matall zur Verfügung, obwohl der Silex auch in dieser Zeit noch das härteste zur Verfügung stehende Material gewesen ist.

Den Bogen der Datierung würde ich bereits in den Becherkulturen beginnen lassen.

Wie siehts denn weiter im Süd-Osten aus (Ungarn, Rumänien, Bulgarien etc.) mit solchen Besonderheiten aus Steinvarietäten?


Aus Norditalien kenne ich so etwas nicht!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Harkonen

#7
Hallo,
leider habe ich meine Sicheleinsatzkollektion  :-) momentan an ein Museum verliehen.
Gerade habe ich nur noch diese beiden Stücke zur Hand.
Die Zahnung ist bei diesen beiden Einsätzen jetzt etwas gröber.
Vielleicht trotzdem ein kleiner Vergleich.

Gruß
Harkonen

Der Wikinger


Wenn man sich den fund von "digdig" anschaut, wird man feststellen können, dass die Zahnung wesentlich anders aussieht, und anders hergestellt ist.
Die Zahnung ist höchst wahrscheinlich mit der schafen Kante einer anderen Klinge gemacht worden.
Sie wird quer zur scharfen Kante gezogen, wechselnd von beiden Seiten, da entsteht diese Zahnung, die zum Sägen hervorragend funktioniert.

:winke:

fuchs

Hallo digdig,
toller Fund, besonders die hervorragende Erhaltung! So was findet man wohl nur einmal im Leben.
@ Wikinger: Tolle Erklärung, habe mich schon gefragt, wie diese Zähne entstanden sind. :super:

Harkonen

#10
Hallo,
schau Dir mal bitte, dem Link folgend die Seite 6 an. Das zweite Geräte von rechts oben.

http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/volltexte/2006/2180/pdf/KATALOG_S_1_50.PDF


wie ich meine, ein sehr ähnliches Stück.

oder hier, auf Seite 7 dem Link folgend, auch ein fein gezähnter Sicheleinsatz

http://www.singularch.de/referenzen/eching_2006_bericht.pdf

Gruß
Harkonen

Harkonen

Zitat von: Der Wikinger in 16. Juli 2010, 23:57:04
Wenn man sich den fund von "digdig" anschaut, wird man feststellen können, dass die Zahnung wesentlich anders aussieht, und anders hergestellt ist.
Die Zahnung ist höchst wahrscheinlich mit der schafen Kante einer anderen Klinge gemacht worden.
Sie wird quer zur scharfen Kante gezogen, wechselnd von beiden Seiten, da entsteht diese Zahnung, die zum Sägen hervorragend funktioniert.

:winke:

Hallo,
wobei schon angemerkt werden muss, dass in der Fachliteratur , bezogen auf das in Süddeutschland gefundene Material dieser Gerätetypen "Sicheleinsätze" sowohl von Grobzähnung wie bei meinen Stücken als auch von feiner Zähnung bei dem neuen vorgestellten Stück gesprochen wird. Es gibt hierzu auch sehr viele Beispiele.
Aber wenn Du meinen Links folgend die Stücke ansiehst wird in den Arch.Berichten nie von Sägen, sondern stets von Sicheleinsätzen gesprochen.
Bis dato schon ein gewisser Widerspruch :kopfkratz:

Gruß
Harkonen :prost:

digdig

Hallo,
eine so große Resonanz hätte ich nicht erwartet. Ich bin platt.

Auf dem Acker (d.h. entlang dem Wirtschaftsweg) wurden ansonsten nur graue Randscherben gefunden, welche dem Mittelalter zugeordnet wurden.
Ein Fundmeldeformular mit Bild ging an das BLfD.
Wegen des "Sichelglanzes" habe ich mich erst mal im Internet umgesehen. Ich kann trotzdem nicht beurteilen, ob auf dem Stück diese Art Patina existiert. Jedenfalls glänzt es überall samtig. Was ich dabei nicht verstehe: was sollen so kleine Sägezähne an einer Sichel für Getreide etc? Andererseits kann man mit so einer "Säge" auch nichts (Holz, Knochen) durchsägen, da die Schneide im Querschnitt ja keilförmig ist. Übrigens ist das Stück rundum scharfkantig zugehauen (retouschiert?), bis auf die weiße Fehlstelle.

Gruß
digdig



StoneMan

Zitat von: digdig in 17. Juli 2010, 13:19:25
... Andererseits kann man mit so einer "Säge" auch nichts (Holz, Knochen) durchsägen, da die Schneide im Querschnitt ja keilförmig ist. Übrigens ist das Stück rundum scharfkantig zugehauen (retouschiert?), bis auf die weiße Fehlstelle.
Warum sollte man damit nix "durchsägen" können? Rundum "einsägen" geht sicher, bis knapp zur Mitte, ist auch irgendwan n"durch".

Zumindest kan man damit gut Kerben sägen.

Groot
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Der Wikinger

Hallo wieder  :-)

Wie StoneMan schon sagte, mit so einer Säge kann man sogar sehr einfach, z.B. einen Rohrknochen durchsägen.  :belehr:

@Harkonen
Meinetwegen können wir gern den Artefakt "Sicheleinsatz" nennen. Ich bin aber immernoch der Meinung, dass eine Funktion als Säge in diesem Fall mehr Sinn gibt.

Die Abwesenheit von Sichelglaz würde die Theorie untermauern.

Das Teil in deinem oberen Link ist, wenn ich das richtig erkenne, weninger als halb so gross wie der Fund von "digdig".
Im zweiten Link, sehe ich keine Abbildung eines Sicheleinsatzes ?  :kopfkratz:

Ich muss ausserdem darauf aufmerksam machen, dass es viele Geräte gibt, wo die Wissenschaft sich auf eine Bezeichnung festgelegt hat, obwohl es vielleicht eine ganz andre hatte. Die vielen "Nuss-Knacker" in den Museen in memoriam, die in Wirklichkeit in den meisten Fällen Widerleger für Bohrstäbe sind !!!  :belehr:

:winke:

Harkonen

Zitat von: Der Wikinger in 17. Juli 2010, 13:56:11
Hallo wieder  :-)

@Harkonen
Meinetwegen können wir gern den Artefakt "Sicheleinsatz" nennen. Ich bin aber immernoch der Meinung, dass eine Funktion als Säge in diesem Fall mehr Sinn gibt.

Die Abwesenheit von Sichelglaz würde die Theorie untermauern.

Das Teil in deinem oberen Link ist, wenn ich das richtig erkenne, weninger als halb so gross wie der Fund von "digdig".
Im zweiten Link, sehe ich keine Abbildung eines Sicheleinsatzes ?  :kopfkratz:

Hallo,
der Autor schreibt auf seite 7 zu Befund 16 feingezahnter Sicheleinsatz.

Das im Bericht der Archo beschriebene Stück wäre ähnlich fein gezahnt, kuckst Du nochmal, aber ganz genau. :winke:

Gruß
Harkonen

StoneMan

Zitat von: Der Wikinger in 17. Juli 2010, 13:56:11[...]
Ich muss ausserdem darauf aufmerksam machen, dass es viele Geräte gibt, wo die Wissenschaft sich auf eine Bezeichnung festgelegt hat, obwohl es vielleicht eine ganz andre hatte... :belehr:

:winke:
@Steen,

das tut gut, wenn jemand wie Du so etwas sagst. Nun bin ich nicht alleine damit.

Ich zitiere mich mal aus meinen eigenen privaten Notizen:

Bei der Beurteilung von "Unbekanntem" nimmt zwangsläufig unser bereits vorhandenes Wissen Einfluß.
Zu sehr sind wir in Schubladen gezwängt, wollen alles nach unserem oft nur theoretischem Wissen - Schema erklären.
Fehlinterpretationen sind die Folge.

Zahlreiche Funde, zum Teil unbestimmte, aber auch Eigenversuche der Geräteherstellung lassen mich nach dem "Wie" – nach dem Ursprung fragen.

Aufgrund meiner Neigungen und handwerklichen Fähigkeiten, die ich durch Beruf und den bis heute ausgeübten Hobbys der Gärtnerei
und der Holzbearbeitung erworben habe (*1), bin ich in der Lage, unbekannte Geräte aufgrund der genannten Erfahrung durch Handhabung
ihrem Verwendungszweck und mitunter auch ihrer Herstellung – getrennt von theoretischen wissenschaftlichen Publikationen, zu beurteilen.

Vielleicht gerade deswegen bezweifle ich manches, von Wissenschaftlern "Erforschtes", stelle kritische, aber auch selbstkritische Fragen.


(*1) später auch Versuche der Herstellung von Werkzeugen aus Flint.
Ende Zitat.

Ich möchte versichern, dass das keineswegs eine respektlose Haltung den Wissenschaftlern/Archäologen gegenüber ausdrücken soll.
Dennoch ist es so, dass für die Beurteilung von "handgemachtem Werzeug" also "Artefakten", eine Grundlage vorhanden sein muss.
Das Handwerk schlechthin, nicht ausschließlich, ist dazu eine gute Grundlage.

Groot

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

Harkonen

Hallo Jürgen und Kollegen,

ihr habt schon Recht.
Wissenschaft lebt ja von kontroversen Themen.
Ich persönlich denke ja und ich habe es selbst versucht, dass sich die grob gezähnten Sicheleinsätze besser zum schneiden von Schilf und Riedgras eignen.(relativ großer Halmquerschnitt)
Deswegen denke ich finde ich diese Stücke fast ausschliesslich im Donaumoos, das seit der Bronzezeit der natürliche Hauptlieferant für Schilf war.
Zum Getreideschneiden eignen sich aber wiederum die feingezähnten Sicheleinsätze besser, wahrscheinlich wegen des geringeren Halmquerschnittes.
Das Schnittergebnis ist eindeutig besser.
Gruß
Harkonen

StoneMan

@Harkonen,

Deine Ausführung zu den grob-und feingezähnten Sicheleinsätzen und deren unterschiedlichen Verwendungszwecken find ich sehr schlüssig.


Groot

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry