rote Flintpatina

Begonnen von Wiedehopf, 06. Juni 2021, 22:05:56

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Wiedehopf

Guten Abend,

weiss jemand wie diese rote Flintpatina entsteht ?  Bezüglich der Farbe bisher ein Unikat für mich.
Altfund Insel Alsen, DK 

Viele Grüße
Michael

Steinkopf

#1
Moin Michael,

Fotodiagnose ist ne vage Angelegenheit.
Ist die Farbe denn exakt getroffen oder sehen Deine Augen die Farbe des Beils eher
blasser oder eher krasser?

Zwei Möglichkeiten kann ich mir vorstellen:
  (1)  es könnte sich um roten Helgoländer Flint handeln.
        Davon sind auch auf Alsen schon Funde belegt.
  (2)  Flint kann durch Eisen im Wasser über lange Zeit auch recht rot patinieren.
        (Patina nach Wiki)

Ein Fundstück aus Ocker / Eisen Millieu habe ich hier
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,49515.0.html
abgebildet.

LG
Jan

Wiedehopf

Hallo Jan,

danke für den Link. Das dort abgebildete Sichelfragment kommt der Farbe sehr nah. Mein Beil (bzw. Beilplanke) ist schon krass rot. Ich werde mal eine Tomate kaufen und zum Vergleich daneben legen. In 35 Jahren Sammlertätigkeit habe ich etliche braun, orange, karamell .... patinierte Stücke gesehen, mit allen möglichen Zwischenstufen aber so etwas rotes noch nicht. Eventuell kommt noch eines meiner anderen Stücke (eine Vorarbeit / Planke für Dolch oder Sichel) der Farbe zumindest partiell nahe, ist aber nicht so glasig/glänzend wie dieses Beil sondern mehr stumpf. Auch meine Flintfunde aus dem örtlichen Geschiebe hier in Westfalen weisen alle möglichen Farben von grau-weiss bis glänzend schwarz auf (habe immer Wert auf Farbserien gelegt) aber dieses intensive rot habe ich nie gefunden. 

Viele Grüße
Michael         

Steinkopf

Ich liebe Tomaten - und Erdbeeren!

thovalo

Zitat von: Wiedehopf in 06. Juni 2021, 23:05:02
Hallo Jan,

danke für den Link. Das dort abgebildete Sichelfragment kommt der Farbe sehr nah. Mein Beil (bzw. Beilplanke) ist schon krass rot. Ich werde mal eine Tomate kaufen und zum Vergleich daneben legen. In 35 Jahren Sammlertätigkeit habe ich etliche braun, orange, karamell .... patinierte Stücke gesehen, mit allen möglichen Zwischenstufen aber so etwas rotes noch nicht. Eventuell kommt noch eines meiner anderen Stücke (eine Vorarbeit / Planke für Dolch oder Sichel) der Farbe zumindest partiell nahe, ist aber nicht so glasig/glänzend wie dieses Beil sondern mehr stumpf. Auch meine Flintfunde aus dem örtlichen Geschiebe hier in Westfalen weisen alle möglichen Farben von grau-weiss bis glänzend schwarz auf (habe immer Wert auf Farbserien gelegt) aber dieses intensive rot habe ich nie gefunden. 

Viele Grüße
Michael         



Rote Silices scheint es auch nicht ganz so selten in den Niederlanden zu geben, wie ich das aus Kontakten dorthin mehrfach sehen konnte!

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiedehopf

Vielen Dank für eure Hinweise. Ich möchte dem mal weiter nachgehen und habe mir nun ein Buch über den roten helgoländer Flint bestellt. 

Viele Grüße
Michael 

thovalo


Gutne Morgen!

Ich habe mir nochmal die Bilder der Beilklinge angesehen. Sie ist im Nacken und in Partien der Schneide bräunlich gefärbt und nicht rot.
Es kann auch der Einfluss eines nicht zu heissen Feuers die Rotfärbung des weiten Teils der Beilklinge verursacht haben.
Auch eine mägliche Variatänte.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Zitat von: thovalo in 08. Juni 2021, 10:42:05
Gutne Morgen!

Ich habe mir nochmal die Bilder der Beilklinge angesehen. Sie ist im Nacken und in Partien der Schneide bräunlich gefärbt und nicht rot.
Es kann auch der Einfluss eines nicht zu heissen Feuers die Rotfärbung des weiten Teils der Beilklinge verursacht haben.
Auch eine mägliche Variatänte.

lG Thomas  :winke:


...oder die Verfärbung resultiert aus einem hohen Eisen(III)-Oxid-Anteil im Boden. Helgoländer Flint sehe ich eher nicht.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Steinkopf

#8
Moin liebe Helgoland-Fans,

Jaap Beuker hat eine Reihe von 7 oder so Merkmale entwickelt, die zum TeiL sehr fein sind
und zur Identitätsfestdtellung dienen.

Es gibt Flinknollen, die längere Zeit im salzigen Meerwasser lagen - also nicht mehr in der
Kreide eingebettet. Diese entwickeln unterhalb der Cortex eine fast schwarze Zone, die
Beuker 'Salzwasserpatina' nennt. Solche schwarzen Bereiche findet man auch außerhalb von
Helgoland bei Flintartefakten im Ostseeraum.

Einige frisch aus Helgoland Flint geschlagene Stücke hänge ich an.

Ansonsten würde eine ungeschliffene Beilplanke schon ins Bild passen.
In diesem Zustand wurden in der Bronzezeit Sichel, Dolche und Beile aufs Festland
geschafft und vollendet. Es gibt meines Wissens keine/kaum Spuren von Werkstätten mit Schlagabfall.
Ein Platz im Raum Aurich/Norden mit kleinen Abschlägen mag von einer Wiederaufbereitung zeugen.




LG
Jan


ChristianH

#9
Wie auch immer: Funde aus Helgoländer Flint gelten immer als spektakulär und archäologisch bedeutsam, da sie selten sind und eine steinzeitliche Mobilität dokumentieren. In diesem Sinne wurde seitens der norddeutschen Archäologie extra eine Art Handblatt (sieher hier) zu der Thematik geschaffen.

PS.: Ich glaubte auch kürzlich, ich hätte einen Kernstein aus rotem helgoländer Flint gefunden (siehe Bild), doch die rote Farbe war hier leider nur oberflächlich, also wohl durch lokale Patinierung entstanden...

Wiedehopf

Hallo zusammen,

vielen Dank erneut für die unterschiedlichen Hinweise. Das von Christian verlinkte Handblatt ist sehr lehrreich und nützlich für mich. Ich interessiere mich nämlich ganz unabhängig von der hier vorgestellten Beilplanke für die unterschiedlichen Ausprägungen von Flint und verwandten Silex-Mineralien. Ich habe mir jetzt das Buch 'Flint von Helgoland - Die Nutzung einer einzigartigen Rohstoffquelle an der Nordseeküste' bestellt, mal sehen was ich daraus an neuen Erkenntnissen ziehen kann. Bisher habe ich gelernt, dass es sich beim Helgoländer nicht um eine Patinierung handelt sondern um eine durchgängige Färbung des Materials. Anders als bei anderen Stücken die mir vorliegen und bei denen rezente Beschädigungen einen Einblick unter die Patina oder Kortex erlauben ist hier aber alles heil und durchgängig gefärbt (und so soll es auch bleiben).   

Viele Grüße
Michael

Wiedehopf

Guten Morgen,

in dem oben verlinkten Handblatt heisst es, dass im roten Helgoländer Bryozoen vollständig fehlen. Ich habe mir das Beil daraufhin noch mal genauer angeschaut und meine - neben anderen fossilen Einschlüssen -  auch solche entdeckt zu haben. Also würde ich jetzt mal von einer irgendwie gearteten chemischen oder thermischen Verfärbung ausgehen und die helgoländer Spur erst mal ad acta legen.

Viele Grüße
Michael

thovalo



Gutn Morgen!

Es befinden sich absolut eindeutig Bryozoa in der Matrix des Silex  :glotz:
Du machst ein hervorragende Recherche!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Zitat von: Wiedehopf in 09. Juni 2021, 10:23:42
Guten Morgen,

in dem oben verlinkten Handblatt heisst es, dass im roten Helgoländer Bryozoen vollständig fehlen. Ich habe mir das Beil daraufhin noch mal genauer angeschaut und meine - neben anderen fossilen Einschlüssen -  auch solche entdeckt zu haben. Also würde ich jetzt mal von einer irgendwie gearteten chemischen oder thermischen Verfärbung ausgehen und die helgoländer Spur erst mal ad acta legen.

Viele Grüße
Michael

Hallo Michael,

ja, eindeutig Bryozoen. Danke für die Info.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.