Neue mittelpaläolithische Artefakte aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme)

Begonnen von palaeo1, 19. Januar 2019, 11:59:24

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palaeo1

Die Aufnahme privater Sammlungen und des Bestandes des Bachmann-Museums in
Bremervörde hat für den Ldkr. Rotenburg (Wümme) fünf neue mittelpaläolithische
Artefakte ergeben. Darunter befindet sich eine Blattspitze. Entgegen der bisherigen
Lehrmeinung konnte damit erstmals auch über den Mittelgebirgsraum hinaus
für das norddeutsche Tiefland das Vorkommen von Blattspitzen nachgewiesen werden.
Die vorgelegten Artefakte wie auch die in großer Anzahl in den Weser- und
Leine-/Wietze-Terrassen im Raum Nienburg und Hannover geborgenen Artefakte
wie Faustkeile, Faustkeilblätter, Keilmesser, blattförmige und bifaziale Schaber
lassen für das niedersächsische Tiefland eine dichte Besiedlung für den Zeitraum
der ausgehenden Saale- und - zumindest der interstadialen Phasen - der Weichsel-
Kaltzeit sichtbar werden. Die geologischen Formungsprozesse während dieser Kaltzeit
haben aber weitgehend zu einer oberflächenfernen Einbettung der Siedlungshorizonte
geführt.

Der ganze Aufsatz dazu hier:

https://www.academia.edu/38173165/Neue_mittelpal%C3%A4olithische_Artefakte_aus_dem_Landkreis_Rotenburg_W%C3%BCmme_

Vieles liegt unentdeckt in privaten Sammlungen, einiges wird sogar in Regionalmuseen falsch analysiert, kommt alles vor. Alles lässt sich diskutieren und neu beurteilen. Das ist Wissenschaft !

Gruß
palaeo1

psearch

Hallo,

und schon selbst einen Fundplatz ausfindig gemacht? Ich finde ja immer das gesamte Inventar spannend und nicht nur die finalen Geräte.

MFG Psearch

palaeo1

Ja, im Rahmen einer Mittelaltergrabung ist ein kleiner Fauskeil in situ entdeckt worden. Leider war der Bereich extrem durch jüngere Besiedlung gestört. Zudem lag das Artefakt in einer sog. Kryotasche, einem durch Frost aufgewölbten Sedimentbereich, der außerhalb der eigentlichen Fundschicht lag. Eine Untersuchung des Areals konnte nicht stattfinden, da der Fundhorizont bereits unterhalb der Baugründung lag.

Aber ich habe mehrere Grabungskampagnen als örtlicher Grabungsleiter an dieser Fundstelle mitgewirkt.

https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Stephan-Veil+Vor-55000-Jahren-Ein-Jagdplatz-fr%C3%BCher-Menschen-bei-Lichtenberg-Ldkr-L%C3%BCchow-Dannenberg/id/A02kBkHk01ZZN

Da lag neben Faustkeilen, Keilmessern und Schabern auch das Abschlagmaterial, wie Präparations- und Verdünnungsabschläge.

Gruß
palaeo1

psearch

Da ich das Buch leider nicht habe, wie war der subjektive Eindruck von den technologischen Fähigkeiten der Neandertaler ? Ich hatte Mal die Möglichkeit das Fundmaterial aus verschiedenen mittelpalaeolitischen Schichten durchzusehen im Vergleich zu jungpalaeolithischen Fundschichten aus dem gleichen Rohmaterial. Während Homo Sapiens bemüht war, das Rohmaterial optimal auszunutzen, war bei den Neandertalern kaum ein technologischer Fortschritt zu erkennen. Zwar wurden auch Klingen angefertigt, aber bei weitem nicht so effektiv. Ansonsten immer nur das gleiche Inventar : Keilmesser, Faustkeile, Schaber, Spitzen. Nicht schlecht ausgearbeitet, aber immer irgendwie das Gleiche. Da es Homo Sapiens wesentlich innovativer, auch die Ausarbeitung war wesentlich feiner. 

MFG Psearch

palaeo1

Das wäre hier in ein paar Sätzen nicht zu erklären, das Ganze ist etwas komplexer. Und Auszüge könnten nur wieder missverstanden werden und zu unnötigen Diskussionen führen.

Hier ein Link zu einer ausführlichen Publikation und zu einer Antwort:

https://zenon.dainst.org/Record/001185909

kann man sich sicher irgendwo aus einer Bibliothek besorgen, evtl. als Fernleihe.
Gruß
palaeo1

psearch

Subjektive Einschätzungen werden von mir zur Kenntnis genommen und nicht in Frage gestellt. Ob man diese sich zu eigen machen möchte bleibt am Ende jeden selbst überlassen. Denn schließlich ist alles nur Vermutung und Theorie, keiner hat und wird je einen Neandertaler in Aktion erleben  :frech:.

MFG Psearch

palaeo1

Zitat von: psearch in 20. Januar 2019, 12:44:58
Subjektive Einschätzungen werden von mir zur Kenntnis genommen und nicht in Frage gestellt.

Sorry, aber subjektive Einschätzungen werde ich hier im Forum nicht abgeben. Belegt ist, dass die technologischen Fähigkeiten enorm hoch waren, sie aber Idealbilder von Funktionsformen hatten, d. h. eine Normierung der Werkzeugformen stattfand, aber immer abhängig der Rohmaterialsituation.
Gruß
palaeo1

psearch

Hallo,

ist in Ordnung so  :prost:. , als Laie kann ich schon eher ein wenig spekulieren, die Menge der Funde gibt mir zumindest manchmal Recht  :narr: .

Bin allerdings auch zu dem gleichen Schluss gekommen. Der offensichtlich stark ausgeprägte visuelle Sinn der Neandertaler (bestätigt durch aktuelle Schädelscans) postuliert eine auf Funktionsformen ausgeprägte Werkzeugtechnologie. Da operierte Homo Sapiens mit seinem wesentlich größeren Frontallappen nach wesentlich anderen Kriterien.

Ansonsten viel Erfolg noch  :-)

MFG Psearch