Flintenstein mit Schlagbuckel ? (allgemeine Frage)

Begonnen von psearch, 30. März 2007, 07:22:17

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psearch

Hallo,

gestern bin ich über meinen Suchacker in Südhessen getigert auf dem sich normalerweise eigentlich nur Stücke aus dem dort anstehenden Chalcedon
datierend ins Endpaläolithikum / Mesolithikum finden lassen .... als Sonderfund war aber auch ein nahezu rechteckiges Stück Feuerstein dabei.
Leider kann ich mit meiner Kamera keine Nahaufnahmen machen, deshalb kann ich es nur beschreiben : Es besteht aus bräunlich-durchsichtigem Flint,
der am distalen Ende grau und undurchsichtig verfärbt ist. Länge ist ca. 2.5 cm, Breite 1.5cm. Am distalen Ende befindet sich eine ausgeprägte Schlagfläche plus Schlagbuckel; am
proximalen Ende ist das Klingenstück mit drei Retuschen halbrundförmig retuschiert. Die Kanten sind ebenfalls alle retuschiert; auf einer Seite ist das Stück recht zernudelt (daher
mein Verdacht auf Flintenstein, könnte aber auch vom Pflug stammen). Im Querschnitt ist das Stück am distalen Ende rautenförmig.
Vom Prinzip her Kratzer aus dem Mesolithikum, könnte aber auch Flintenstein sein.
Daher (weil kein Bild) die allgemeine Fragen :

1.) Gibt es Flintensteine, bei denen der Schlagbuckel plus Schlagfläche vorhanden sein könnte ?
2.) Woher könnte der bräunlich-durchsichtige Flint stammen ?

Die Kanten sind nicht mehr frisch, was mich aber etwas stutzig macht ist die unterschiedliche Färbung des Stückes : hellgrau / undurchsichtig, am retuschierten Ende
hellbraun/durchsichtig. Die Kanten sind übrigens nicht mehr scharf, ansonsten aber typische Klingenform.
Ist schwierig, ich weiss (da kein Bild), aber über ein paar allgemeine Tips würde ich mich freuen.

MFG PSearch

psearch

Hallo,

hier nocheinmal ein paar zugegeben unscharfe Bilder, aber besser geht es mit meiner Kamera nicht.
Damit man sich wenigstens eine Vorstellung machen kann.
Feuerstein kommt bei uns natürlich nicht vor. Und Chalcedon ist es wirklich nicht.

MFG PSsearch

Khamsin

Salaam!

Ja, es gibt Flintensteine mit Bulbus. Die sind niemals aus Klingen, sondern immer aus charakteristisch kurz-breiten Abschlägen hergestellt. Der Schlagflächenrest (obgleich retuschiert) und der Bulbus sind erhalten, und die Stücke haben immer im Längsschnitt eine Keilform. Dabei ist die dünne, gerade retuschierte Kante gegenüber dem Bulbus die (einzige) Funktionskante zum Funkenschlagen.

Dies ist die früheste (älteste; 17. und 18. Jh) Flintensteinform in den Manufakturen, bekannt aus den südenglischen frühen Manufakturen (nicht dagegen aus dem späteren Weltzentrum Brandon/Suffolk) und aus Frankreich, dem anderen Weltzentrum um den Ort Meusnes im Dépt. Loire-et-Cher.
Solche Stücke sind in Festlandeuropa extrem selten, dagegen völlig geläufig in den typischen Fundstellen (Siedlungen und Forts der Engländer und Franzosen sowie Indianerlager) US-Amerikas (dort wedge=Keil genannt).

Das hier eingestellte Stück ist Mangels möglicher makroskopischer Autopsie - trotz des freundlichen, aber letztlich unzureichenden Fotos - weder formal noch rohmaterialspezifisch weiter zu beurteilen.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

psearch

Hallo Khamsin,

vielen Dank für deine Ausführungen, dies hat mir schon sehr weitergeholfen. :-)

Es ist definitiv ein Klingenstück, der Schlagflächenrest ist bei dem guten Stück nicht retuschiert, der Bulbus ist ebenfalls nicht bearbeitet. Das Stück hat auch keine keilförmige Form.
Die seitlichen Beschädigungen dürften wohl vom Pflug kommen, denn die Vorderseite, die beim Flintenstein zum Funkenschlagen dienen sollte, ist nicht beschädigt und trägt keine
rezenten Verletzungen, nur Retuschen, deren Wallnerlinien ankorrodiert sind.
Ein Blick in Lutz Fiedler's "Alt- und mittelsteinzeitliche Funde in Hessen" zeigt das entsprechende Stücke im Mesolithikum gar nicht so selten waren.
Damit passt das Stück gut zu den anderen mesolithischen Abbaukernen und Klingen die ich dort gefunden habe (allerdings aus Chalcedon) und ist wohl ein Kratzer.
Die Stücke aus Chalcedon zeigen eine identische Art und Weise der Korrodierung. Allerdings sind die meisten Stücke die man findet nicht retuschiert.
Die Fundstelle liegt direkt über einem Acker, in dem Gänge aus Baryt/Chalcedon direkt ab die Oberfläche kommen. Mann kann somit von einem Werkplatz
ausgehen, denke ich. Im Umkreis gibt es ab und zu auch mal Artefakte aus Basalt, schön mit Schlagbuckel und Wallnerlinien und Retuschen, die aber schon ziemlich
angewittert sind.


:cool1: :jump: Wieder ein schönes Stück für meine Sammlung mehr.

MFG PSearch



Khamsin

Salaam!

Danke für die weiteren Informationen! Ja, Klingennegative auf der Dorsalfläche sind normalerweise auf "wedges" nicht vorhanden.

Beste Grüsse KIS 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

psearch

Hallo Khamsin,

gerne geschehen. Übrigens habe ich (mal wieder) Proximal- und Distalende miteinander verwechselt  :narr:
In der Tat ist das Proximalende da wo der Bulbus sitzt .... .
:prost: Zum Glück ist das dem Artefakt selber egal  :-D

MFG PSearch