Rätselhaftes Gerät ?!?!

Begonnen von agersoe, 25. November 2008, 18:55:56

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Der Wikinger

Hallo Leute  :-)


Vielleicht erinnert ihr euch noch an meine Erbe von Steinartefakten vor ein paar Jahren: http://www.sucherforum.de/index.php/topic,20663.0.html

Heute habe ich mal die Kästchen mit den vielen kleineren Sachen und Reste durchwühlt.

Dabei habe ich dieses merkwürdige Gerät gefunden.

Die Länge ist 5,8 cm, die Breite beträgt 2,5 cm.
Das Gerät ist aus grauem (Senon-) Flint hergestellt. (Die ersten beiden Bilder täuschen ! )
Es handelt sich um eine Klinge, die abgebrochen ist (Angelbruch). An der Bruchstelle ist auf beiden seiten genau gleich lange Stichel-(artigen)-schlägen, der Seiten herunter, gemacht.
Auf beiden noch scharfen Seitenkanten ist die Klinge mit feiner, bewusster Zähnung versehen. Solche Zähnung gibt es ab und zu auf Klingen zu sehen, normalerweise aber nur einseitig, bei kleinen Messern / Sägen.
Das Bulbusende, auf den beiden ersten Fotos oben zu erkennen, ist stumpf und nicht verarbeitet.
Der Finder hat das Artefakt mit einer 6 nummeriert, was mir leider nichts sagt.

Dieser Fund ist mir ein Rätsel !  :platt:

Was war wohl die Anwendung ?

Jeder Vorschag ist willkommen !



Hier die Bilder:





Die Zähnung:




Die Stichelschläge:




:winke:

steinsucher

Hallo Wikinger,

das war wohl der "Leatherman" der ausgehenden Eiszeit - oder so. Die Sägen wurden benutzt um Geweihe in Querrichtung zu zerteilen (Äussere harte Schicht ansägen, dann brechen). Die Stichel erledigten die (Schnitz- oder Ritz-) Arbeit eher in Längsrichtung. Soweit die Theorie, den Beweis habe ich allerdings nicht.

Gruß, Fritz.

CptAhab

Säge oder Pfeilspitze, das ist hierdie Frage.
The world is full of crashing bores. - Mozer

Der Wikinger

Hallo  :-)

Eine Pfeilspitze ist es mit Garantie nicht, denn die "Spitze" ist nicht spitz und ist ausserdem, wie gesagt, unverarbeitet !  :nono:

Silex

Die stichelartigen Abschläge an  der Basis...wie kann man solche Angelbruchabschläge  so genau kontrollieren?
Oder ist das Zufall, agersoe?
Dass die Klinge  per Angelbruch  in der Länge beschränkt ist  kann ich nicht sehen...mir scheint es eher ein intentioneller Bruch zu sein. Der Schlagpunkt auf dem ersten Foto in Basisnähe könnte verursachend gewesen sein.
Von der  achsensymmetrischen Grundform her würde ich Säge eher verneinen obwohl die "Sägeretuschen" artifiziell durch regelmäßige Abdrückungen hergestellt wurden.
Die Gleichartigkeit der beiden Flanken  (so wie die  oben angeführte Symmetrieanstrengung)  ist meiner Meinung nach ein mögliches Indiz  für ein  zentral angedachtes Ereignis.
Für mich ein fliegendes Instrument das auf Durchschlag gedacht war....dahinter lauerten womöglich noch  festhaltende  widerhakende  Befreiungsverhinderer.
Vor allem weil jede andere Schäftungsoption an der Basis mir nicht sinnvoll erscheint.
Man kann nur vermuten.
Ein  wirkliches Rätsel, Wikinger.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Danke Edi  :-)

Die Theorie einer Pfeilspitze muss ich nochmals zurückweisen.
Das Stück scheint übrigens auch ein bisschen zu schwer und dick für eine Pfeilspitze zu sein.

Das Bulbus-Ende ist nicht spitz, und steht noch mit einem Rest der Schlagfläche da.
Hätte man eine Pfeilspitze machen wollen, wäre hier sicherlich eine Spitze retuschiert worden.
Hier mal neue Bilder davon:





Der Angelbruch ist nur ganz schwach zu erkennen, und die Fläche ist schon sehr flach, aber ein Angelbruch ist es.
Davon lässt sich aber leicht ein Stichelschlag machen.
Ob die Klinge intentionell gebrochen wurde, kann man kaum wissen, aber möglich wäre es.
Hier der schwache Angelbruch hoffentlich zu sehen:



Hier ein Foto von einer der Stichelbahnen, hoffenlich sieht man das ganz kleine Bulbusnegativ am Ende.



Die Stichelbahnen können ja für eine Schäftung gemacht worden sein. Ich frage mich nur, warum man nicht, wie gewöhnlich, stattdessen Retuschen gemacht hat ?  :kopfkratz:

Irgendwie tendiere ich mehr in Richtung der Analyse von "Steinsucher".
Jedoch scheint mir die klinge, vom Magengefühl  :engel: , und von der Erscheinung des Bulbus her (indirekt Technik) eher neolitisch zu sein.

Sagt bitte mehr !!  :super:
Ich möchte gern so viele Ideen wie nur möglich haben.


:winke:


Dagda

Hallo,

eine Pfeilspitze kann es doch sein.

Stumpfe Pfeilspitzen sind für die Jagd auf Vögel und Kleintiere geeignet, dass wußten bestimmt auch schon die Neolithiker und auch die späten Mesolithiker. Durch die stumpfe Spitze wurde der wervollen Balg oder Fell nicht verletzet und die Tiere eher betäubt.

Die Zacken werden nützlich sein, damit der Pfeil hängen bleibt und eine Flucht erschwert wird (falls der Pfeil in den Körper eindringt). Einen direkten Nachweis habe ich nicht, aber eine kritische Recherche ist über das www jedem möglich.

Der Wikinger


Tja, ich weiss schon Dagda, man hat hier in DK voll bewahrte Vogelpfeile aus Holz mit abgerundeten Enden in Mooren gefunden.

Mein Teil jedoch würde, fürchte ich, das arme Tier total zerfetzen. Mit einer Länge von 5,8 cm, eine Breite von 2,5 cm und ein Gewicht von ganze 16 Gramm !!  :platt:


Silex

mir dünkt das Teil auch neolithisch. Eine Spitze  - oder ein Halbfabrikat- die Spitze könnte auch untypisch abgebrochen sein.
Seltsam  für ein Geschoss ist die parallele , modifizierte Kantenführung. Wenn man aber sägen will nimmt man ein handliches Gerät- denk ich mir- mit  nicht gleichartigen Kanten, vor allem bei Rohstoffreichtum.
Sägen widerspräche der Symmetrie.  Vermutet
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Dagda

... so etwas wäre bei dem Fischreichtum in DK auch denkbar.

Der Wikinger


Vielen Dank, Leute !

Gerade das meine ich mit Ideen !!  :super:


Zitat von: Silex in 25. November 2008, 22:02:56
mir dünkt das Teil auch neolithisch. Eine Spitze  - oder ein Halbfabrikat- die Spitze könnte auch untypisch abgebrochen sein.
Seltsam  für ein Geschoss ist die parallele , modifizierte Kantenführung. Wenn man aber sägen will nimmt man ein handliches Gerät- denk ich mir- mit  nicht gleichartigen Kanten, vor allem bei Rohstoffreichtum.
Sägen widerspräche der Symmetrie.  Vermutet
Edi

Edi, um es nochmals zu betonen, da KANN KEINE Spitze gewesen sein, denn was man da sieht ist ein Bulbus und ein Rest der Schlagfläche !!!   :belehr:

Also kann auch nichts abgebrochen sein.

Zur Theorie Halbfabrikata würde mich auch die Zähnung wundern, diese würde man wohl normalerweise als letzten Schritt der "Herstellungskette" machen, oder ... ??  :kopfkratz:

Anders gesagt, scheint mir das Gerät schon so wie es aussieht, "fertig" zu sein !

:winke:

steinsucher

Hallo noch mal,

natürlich ist alles nur Spekulation. Aber zumindest von der zeitlichen Stellung her stimme ich dem Wikinger zu, das es wohl Neolithikum ist. Der Schlagpunkt wurde nicht präpariert, die Ecken stehen noch. Das ist für frühere Zeiten eher nicht normal. Ansonsten kann man wohl mit einem annähernd 6 cm langen Teil und etwas Hornhaut ganz gut sägen, muss ja nicht gleich ein ganzer Baumstamm sein. Pfeilspitze kann ich mir in dem Maßstab nicht vorstellen. Es gibt die abenteuerlichsten Formen, aber die sind viel jünger oder von modernen "Flintknappern" gemacht und sind in der Regel auch spitz. Und ein fertiges Gerät war es wohl auch.

Gruß, Fritz.

Der Wikinger

Danke Steinsucher  :-)

Ja, von meiner Seite ist alles wirklich auch noch Spekulation, deshalb ist es ja auch interessant alle Meinungen zu hören.

Die Idee mit einem Kombigerät mit Säge und Stichel für die Herstellung von kleineren und feinen Geräten aus Knochen oder Geweih, finde ich gut und irgendwie einleuchtend.
Die "Sägekanten" sind wirklich immernoch ganz schön scharf.

Ich hoffe noch mehr Menungen zu hören.  :super:

:winke:

rolfpeter

#13
Servus Freunde,

es ist schon ein wirklich interessantes Steinchen, welches uns der Wikinger hier präsentiert.
Pfeilspitze schließe ich, allein aus Gewichtsgründen, grundsätzlich aus. Experimente haben ergeben, daß sich jenseits von etwa 8g Pfeilspitzengewicht die ballistischen Eigenschaften dramatisch verschlechtern.
Bei solchen gezähnten Klingen ist man aus heutiger Sicht versucht, an ein Sägeblatt zu denken. Siehe auch hier:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,12345.msg64846.html#msg64846
In dem dort erwähnten Artikel (Kenntnis-Werkzeug-Rohmaterial. Ein Vademekum zur Technologie der steinzeitlichen Holzbearbeitung. Archäologische Informationen 26,2, 2003 (2004) 407-426) kommt Weiner zu der Erkenntnis, daß es zur Holzbearbeitung in der Steinzeit keine Sägen gab.
Bei der Bearbeitung von Knochen und Geweih ist das anders, die wurden durchaus gesägt, das ist auch experimentalarchäologisch nachvollzogen. Es gibt auch Literatur zu dem Thema, beispielsweise (J. Weiner, Zerlegungsversuche an Metapodien  unter Verwendung von Feuersteinsägen vom Typ "Mezzad Mazal". Zeit-Räume, Gedenkschrift für Wolfgang Taute, 2001, 1, 219-226). Weiner zerlegt dort Röhrenknochen mit Feuersteinklingen und kommt zu einem ähnlichen Befund, wie ihn die in Israel ausgegrabenen Knochen und Feuersteinklingen zeigen. Der Befund an den Flintklingen ist aber grundsätzlich anders als an Wikingers Erbstück! Es entsteht parallel zu den Längskanten eine nur wenige mm auf die Fläche greifende glänzende Zone. An den Kanten ergeben sich beidseitige unregelmäßige Aussplitterungen. Kurzum: eine "Knochensäge" hat keine hübsch gleichmäßig gezahnte Lateralkante und benötigt auch keine, da sich die "Sägezähne" bei der Arbeit nach kurzer Zeit von selbst bilden.
Es könnte sich vielleicht um einen Erntemessereinsatz handeln. Gibt es irgendwelche Gebrauchsspuren oder glänzende Zonen? Oder es handelt sich um eine außergewöhnliche Art von Messer.
Ihr seht mich wieder mal ratlos!
Was mich auch erstaunt ist, daß man so präzise Stichelabschläge machen kann, die genau am gewünschen Punkt der Klinge auslaufen.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Rambo

An ein paläolithisches bzw. mesolithisches Werkzeug kann ich nicht recht glauben. Ich frage mich warum die neolithischen Menschen nicht für einen bestimmten Arbeitsvorgang ein eigenes Werkzeug gebastelt haben sollen. Für mich ist das ein neolithischer Letterman
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

steinadler

 :super:top teil , habe ich auch noch nie so gesehen .

mfg
petersen
ich glaube an gott , aber keine bestimmte religion !

schaut mal rein : http://yggdrasil-online.de/cms/

Dagda

... eine andere Anwendungsmöglichkeit wäre die Nutzung in Art eines Löffelbohrers für Sackbohrungen in Holz.

An dieser Stelle möchte ich ein Kompliment für die feinen Detailaufnahmen aussprechen, ganz besonders bei dem Schlagpunkt für den Stichelabschlag. Hier sieht man wie präzise dieser Pukt gewählt wurde. Das er etwas aus der Mitte ist, das sieht man und das der Winkel des aufgesetzeten Zwischendorn schräg angesetzt war, kann man ahnen. Und das Ergebis spricht für sich, deshalb postum auch ein Kompliment an den Steinbehauer.

Loenne

So, und nun die Meinung eines Unwissenden. Es handelt sich bei Stück eindeutig um das Gesellenstück eines "Steinhauer-Lehrlings". Die Aufgabe war ein möglichst kleines Gerät zu schaffen, an der der Meister alle erlernten Techniken begutachten konnte. Das Stück ist gelungen und ab da durfte der frisch gebackene Geselle selbständig Messer und Klingen fertigen.  :frech:

Einmal losgelöst von dem Stück frage ich mich eh, wo diese ganzen "Probier- und Übungsstücke" sind. Auch damals sind die ja nicht als perfekte Steinmetze auf die Welt gekommen, sondern mussten von ihren Vätern und Großvätern lernen (oder auch von den Müttern und Großmüttern). Dabei wird auch viel schief gegangen und probiert worden sein. Solche Stücke müssen schließlich auch irgendwo liegen.

Genug Blödsinn geschwafelt............ :irre:

Gruß
Michael
Mundus vult decipi, ergo decipiatur
www.scheibenknopf.de                

Der Wikinger

Vielen Dank, Leute !

Ich kann dich versichern, Loenne, dass es solche Geräte bei mir gibt, wo man sagen muss, das hat ein Lehrling oder sogar ein kleines Kind gemacht.
Es gibt bei mir eine sehr grosse Steinzeitsiedlung, wo wirklich viele der Geräte als mislungen oder Versuche zu interprätieren sind.
Es ist eine unschöne Mischung von sehr schönen Sachen und wirklichem Schrott.

(..ob die 6 hintendrauf die Note für das Gesellenstück ist ?  :zwinker: :narr: )


Zitat von: rolfpeter in 26. November 2008, 08:46:36
Es entsteht parallel zu den Längskanten eine nur wenige mm auf die Fläche greifende glänzende Zone. An den Kanten ergeben sich beidseitige unregelmäßige Aussplitterungen. Kurzum: eine "Knochensäge" hat keine hübsch gleichmäßig gezahnte Lateralkante und benötigt auch keine, da sich die "Sägezähne" bei der Arbeit nach kurzer Zeit von selbst bilden.
Es könnte sich vielleicht um einen Erntemessereinsatz handeln. Gibt es irgendwelche Gebrauchsspuren oder glänzende Zonen? Oder es handelt sich um eine außergewöhnliche Art von Messer.

Danke für die Analyse, RP.

Dazu wäre noch folgendes zu sagen, mit neuen Fotos illustriert:

1. Es gibt, wie ich das sehe, ganz bewusst gemachte Zähne, die mit fast gleichem Abstand liegen.
(Kann mit der scharften Kante eines Abschlags gemacht werden, habe ich durch Selbstversuchen feststellen können)


2. Es gibt deutliche Zeichen, dass damit gesägt wurde, da auf den Kanten der Zähnen deutlich Nutzungsabsplitterungen zu sehen sind.


3. Es gibt auch zwar nur millimeter breite glänzende Zonen auf den Zähnen:


Hier zusätzlich noch ein paar Bilder, die die Zähne zeigen:







:winke:

Pinky

Hallo,
meiner Meinung ist das was mesolithisches. Uns zwar eine ein Werkzeug mit 2 Funktionen Säge und Stichel in einen. :cool1:

Gruß

Pinky

rolfpeter

Die Fotos sind Klasse!
Besonders das 3. Bild. Es zeigt m.E., daß mit dem Gerät in Längsrichtung gearbeitet, also gesägt/geschnitten  und nicht gedrillt wurde.
Ich bin für "Säge"

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

steinsucher

Hallo Wikinger, hallo Forum,

schöne neue Bilder sind das. Wenn ich sie mir so richtig anschaue, glaube ich nicht mal mehr an Neolithikum. Diese scharfen, meist halbrunden Retuschen für die "Säge" können eigentlich nicht mit einem organischen (Geweih, Knochen) Druckwerkzeug hergestellt worden sein. Das sieht schon sehr nach Metall aus. Ich glaube da mehr an Metallzeit. Das sieht mehr aus wie mit einem Kupfernagel gedrückt.

Gruß, Fritz.

Tomcat

Bei heutigen Messern nennt man eine derartige Schneidenmodifikation 'Serrations' - ein deutscher Begriff wäre Wellenschliff.
Benutzt wird sowas, wenn die Aggressivität der Schneide erhöht werden soll, etwa bei fasrigem Schnittgut wie Plastikschnuren oder Gurten.

Der zweite Grund für Serrations ist die schneidenerhaltende Funktion der Zähne. Wird beispielsweise auf (zu) hartem Untergrund geschnitten, dann wetzt sich die Schneide auf den Zähnen ab, in den Tälern bleibt die Schneidefase aber unberührt und weiter schnittfähig.

Meine erste Assoziation war aber der Fischentschupper an meinem Taschenmesser  :irre:

Die Sägetheorie hört sich natürlich weiter Plausibler an :-)

mfg
Tomcat
Life burns!

Dagda

... zunächst muß ich meine Bewunderung für die großartigen Detailaufnahmen zum Ausdruck bringen.

Eine Frage zu der Abdrückrichtung der Absplisse aus dem Klingenkanten und auch zu den kleineren Abplatzungen: Sind die rechts und links in der gleichen Richtung ausgeführt und trifft das auch auf die bräunlichen Gebrauchsspuren zu?
(Vielleicht habe ich es übersehen oder es ist mir bei den ersten Bildern nicht so klar geworden.)

Annahme Bohrer: Die Bulbusseite der Klnge zu verwenden, läßt das Ziel erkennen, eine möglichst stabile Startposition beim Drillen zu erhalten.

Annahme Säge: Hier stellt sich die Frage, für was ist beidseitige Zähnung nützlich ist?

Der Wikinger

#24
Danke Leute  :-)


Zitat von: Dagda in 26. November 2008, 23:59:44
Eine Frage zu der Abdrückrichtung der Absplisse aus dem Klingenkanten und auch zu den kleineren Abplatzungen: Sind die rechts und links in der gleichen Richtung ausgeführt und trifft das auch auf die bräunlichen Gebrauchsspuren zu?
(Vielleicht habe ich es übersehen oder es ist mir bei den ersten Bildern nicht so klar geworden.)

Auf der einen, jetzt weniger scharfen Seite gibt es Absplisse auf beiden Seiten (ist vielleicht aufgeschäft worden), auf der anderen nur auf der einen Seite.
Es ist ganz deutlich so, dass die eine Seite schärfer ist als die andere.

Hier mal ein vergleichsbild der beiden Schneidekanten. Die eine links ist deutlich getragen und die andere rechts scheint frischer.

Bei den Pfeilen zu erkennen, was ich oben meinte, Dagda.
Die Zähne sind bei Gebrauch abgerundet worden und schneiden nicht so gut. Die anderen rechts sind noch kantig und schärfer.





Zitat von: steinsucher in 26. November 2008, 23:31:16
Diese scharfen, meist halbrunden Retuschen für die "Säge" können eigentlich nicht mit einem organischen (Geweih, Knochen) Druckwerkzeug hergestellt worden sein. Das sieht schon sehr nach Metall aus. Ich glaube da mehr an Metallzeit. Das sieht mehr aus wie mit einem Kupfernagel gedrückt.

Hallo Fritz

Wie schon oben geschrieben sind solche "halbrunde Retuschen" ganz einfach mit der schafen kante eines Abschlags oder einer Klinge zu machen !!  :belehr:

Sowas wurde mit sicherheit auch im Neolithikum gemacht.


Zitat von: Tomcat in 26. November 2008, 23:42:39
Bei heutigen Messern nennt man eine derartige Schneidenmodifikation 'Serrations' - ein deutscher Begriff wäre Wellenschliff.
Benutzt wird sowas, wenn die Aggressivität der Schneide erhöht werden soll, etwa bei fasrigem Schnittgut wie Plastikschnuren oder Gurten.

Der zweite Grund für Serrations ist die schneidenerhaltende Funktion der Zähne. Wird beispielsweise auf (zu) hartem Untergrund geschnitten, dann wetzt sich die Schneide auf den Zähnen ab, in den Tälern bleibt die Schneidefase aber unberührt und weiter schnittfähig.

Meine erste Assoziation war aber der Fischentschupper an meinem Taschenmesser  :irre:

Die Sägetheorie hört sich natürlich weiter Plausibler an :-)

mfg
Tomcat

Danke Tomcat.

Du hast ganz recht, und die Grenze zwischen gezähntes Messer und Säge ist ja auch irgendwie fleissend !  :kopfkratz:


Zitat von: Dagda in 26. November 2008, 23:59:44
Annahme Bohrer: Die Bulbusseite der Klnge zu verwenden, läßt das Ziel erkennen, eine möglichst stabile Startposition beim Drillen zu erhalten.

Dagda, ich muss gestehen, dass ich das sprechen von Bohrer einfach nicht verstehe.  :nono:

Ich habe hunderte von bohrern gesehen, dieses gerät ist definitiv kein Bohrer. Es fehlt jede Spur !!  :belehr:


:winke:


Dagda

... das ist ja eine interessante Diskussion der Ideen zur Verwendungsfindung des vorgestellten scharfzackigem Teiles. (Tolle Bilder sind es geworden!)

Ich möchte noch kurz verständlich machen, welche Überlegung zu der von mir ergänzten Definition als "Bohrer" geführt haben.

Mit Bohrer meinte ich keinesfalls den allgegenwärtigen Werkzeugtyp um in Horn, Muschelschalenn oder Leder kleine Bohrungen oder gar in Steine dicke Löcher einzubringen. Hier dachte ich eher an einen Werkzeug zum Erzeugen von Verzapfungsbohrungen in Holz. Die Suche nach einer geeigneten Technologie beim Haus- und Bootsbau, wird den Erfindergeist der Neolithikern sicherlich auch in dieser Richtung herausgefordert haben. Bei den vielen Rekonstruktionsversuchen neolithischer Holzkonstruktionen wird das Problem ebenfalls Fragen aufgeworfen haben.

Ein Sägeschnitt ist mit dem Teil auch gut auszuführen. Die möglich Schnitttiefe beträgt jedoch nur wenige mm und wird zur Erzeugung einer Sollbruchstelle in Geweihsprossen, genügt haben.



Loenne

Gegen einen Bohrer spricht die einseitige Abnutzung der Zähne. Beim Bohren würden beide Seiten gleichmäßig beansprucht werden.

Gruß
Michael

@Wikinger
Danke für die Aufklärung mit den Übungsstücken.
Mundus vult decipi, ergo decipiatur
www.scheibenknopf.de                

Dagda

... ja schon, aber einen Drillbohrer muß ja nicht unbedingt vorwärts und rückwärts arbeiten. Durch Spannung des Bogens ist es möglich nur eine Arbeitsrichtung zu bevorzugen. Und der Druck von oben kann ebenfalls die Abnutzung in Längsrichtung verursachen.

Das muß ich mal bei der nächsten Jungstein-open-air-Veranstaltung selbst ausprobieren, solange bleibt meine Annahme ohne Nachweis. Es sei denn, das hierzu bereits Erfahrungswerte vorliegen.

Khamsin

#28
Einen erfreulichen Morgen an alle!

Steens Artefakt ist zweifellos eines der enigmatischsten, die je in diesem Forum eingestellt worden sind!

Mit grosser Aufmerksamkeit habe ich die - teilweise atemberaubenden - Bilder angeschaut und natürlich die Kommentare gelesen und mich dann in meine Bibliothek zurückgezogen.

Da schon Steen einleitend auf Sägen hinweist und bereits in der ersten Zuschrift von Fritz auch der Begriff "Säge" fällt, hier zuerst einige Bemerkungen zum Phänomen "Säge" in der Steinzeit, dies auch unter dankenswertem Bezug auf die Zuschrift von RP.

1. Es ist ausgesprochen verständlich, dass u.a. gezackte/gezähnte Flintartefakte mit dem Begriff "Säge" in Verbindung gebracht werden. Das war schon bei den frühesten Archäologen so. In der noch immer (aus forschungsgeschichtlichen Gründen) lesenswerten Arbeit von G. und A. de Mortillet, "Musée Préhistorique" aus dem Jahre 1903 gibt es die Tafeln 39 "Scies et Pierres Sciées" (Sägen und gesägte Steine) und 40 "Scies de Régions Diverses" (Sägen aus verschiedenen Gegenden). Dort tauchen unterschiedlichste Flintartefakte mit z.T. sehr regelmässigen, z.T. unregelmässigen Retuschierungen bzw. Ausbrüchen auf, die alle lapidar als "Sägen" bezeichnet werden. Darunter befinden sich auch skandinavische D-förmige Sichelblätter, deren gerade Kante gezähnt ist.
Selbstverständlich handelt es sich bei Letzteren nicht um Sägen, wie es auch in der Bronzezeit veritable Einsätze von Erntemessern gibt, fallweise sogar aus dem Mittelneolithikum, die natürlich auch - allein aufgrund ihrer Grösse - niemals als Sägen gedient haben können.

2. Was wurde in der Steinzeit gesägt?
Nachweislich waren dies seit dem Paläolithikum Knochen und Geweih; seit dem Neolithikum gesellte sich Stein, und zwar ausschliesslich Felsgestein, hinzu. Interessanter-, aber auch verständlicherweise gehört Holz nicht dazu! Näheres in RPs Zuschrift.

Schaut man sich daraufhin aber die nachgewiesenen "Sägen", besser "Sägeblätter", genauer an, dann ist man erstaunt, dass es sich in allen Fällen nicht um intentionell gezähnte Stücke handelt! Vielmehr sind es für Knochen/Geweih Abschläge und Klingen, deren Kanten im Hinblick auf die Lage an Ober- und Unterseite, auf den Abstand und auf die Tiefe unregelmässig ausgebrochen sind. Es handelt sich somit immer um nicht intentionell gezähnte Stücke.

Die "Sägeblätter" für die intentionelle Zerlegung von Werkstücken aus Felsgestein bestehen in keinem Fall aus Flint, sondern immer aus Quarzit/Sandstein und besitzen anwendungsbedingt immer eine geradlinige Kante mit V- oder U-förmigem Profil und zwei parallel-gegenständigen Schliff-Facetten ohne jegliche Zähnung!

3. Zusammengefasst führt das zu dem Paradoxon, dass es
a) formal an "Sägen" erinnernde Artefakte mit intentioneller Zähnung gibt, die nachweislich niemals sägend eingesetzt worden sind und
b) nach der Funktion fraglos "sägend" eingesetzte Artefakte gibt, die niemals eine intentionelle Zähnung vor dem Arbeitseinsatz erfahren haben.

Aus diesem Grund erscheint es mir geboten, bei entsprechenden Stücken von "gezähnten" Artefakten zu sprechen und von "Sägen" bzw. korrekter "Sägeblättern" wirklich nur bei eindeutig dafür auch benutzten Artefakten! Das ist bei Oberflächenfunden freilich nur für jene, vergleichsweise ausgesprochen seltenen, Funde möglich, die für die Zerlegung von Felsgestein gedient haben.

Zwar entsteht bei Flintartefakten zur Zerlegung von Knochen/Geweih immer ein kantenparalleles helles Residuum, dass sich im europäischen Klima und bei hiesigen Lagerungsbedingungen indes nicht erhält. Solche Stücke dann lediglich aufgrund ihrer ausgebrochenen Kanten als "Sägeblatt" zu bestimmen, ist dagegen problematisch.

4. Steens Artefakt

Steen ist unbedingt Recht zu geben, wenn er feststellt: "...solche "halbrunde Retuschen" (sind) ganz einfach mit der schafen Kante eines Abschlags oder einer Klinge zu machen!!".

Mir sind die dorsalen halbrunden Negativchen einfach zu klein, als dass sie mit einem Druckstab hergestellt worden sein könnten.

Und genauso ist RP beizupflichten, wenn er feststellt: "Was mich auch erstaunt ist, daß man so präzise Stichelabschläge machen kann, die genau am gewünschen Punkt der Klinge auslaufen".

Hierzu vielleicht noch, dass man die Länge von Stichelbahnen sehr wohl durch Stoppkerben bestimmen kann, wofür es zahlreiche Beispiele gibt. Allerdings sieht man auf dem Stück an keinem Ende der Stichelbahnen noch enventuelle Reste solcher Kerben. Und ob sich eine grössere Kontrolle der Länge durch Drucktechnik erreichen lässt, ja, ob Drucktechnik überhaupt dabei angewandt werden konnte, wage ich zu bezweifeln. Ergo: Bin so klug als wie zuvor!

Ich bin der Ansicht, dass die beiden Stichelbahnen zur Verjüngung der Breite angebracht worden sind und dass der dergestalt modellierte, ehemals offensichtlich längere Stiel als Schaft zum Einsetzen des Gerätes in einen Handgriff gedient hat. Allerdings ist auf einer Kante an einer Stichelbahn m.E. longitudinaler Glanz zu erkennen. Ob das auf klassischen Gebrauch dieses Kantenabschnittes hinweist, ist nur durch eine Gebrauchsspurenanalyse zu klären.

Hochsignifikant für den Gebrauch scheint mir die Beobachtung von Steen zu sein, wonach eine gezähnte Kante auch ventral ausgesplittert und insgesamt verrundet ist, die andere dagegen nur die dorsale Zähnung und keine Verrundung zeigt. Das liesse darauf schliessen, dass entweder auf die verrundete Kante ein stärkerer Arbeitsdruck ausgeübt wurde oder länger damit gearbeitet worden ist. Hier wäre zu schauen, ob auch an der nicht verrundeten Kante kantenparalleler Gebrauchsglanz vorhanden ist.
Wenn dies der Fall ist, dann könnte man z.B. zu der Ansicht gelangen, dass in einem ersten Arbeitsschritt mit der nicht verrundeten Kante "vorgeschnitten", der entgültige "Schnitt" aber mit der zweiten Kante vorgenommen wurde, weshalb sie stärker verrundet ist.

Der kantenparallele Gebrauchsglanz weist eindeutig auf longitudinale Arbeitsbewegung hin. Hier fällt auch auf einem der Bilder ein Glanz am dorsalen Mittelgrat auf. Sollte dies wirklich zutreffen, dann könnte dass Rückschlüsse auf die Schnitt-/Trenndicke am zerlegten Material liefern.

Insgesamt scheint es sich m.E. um ein Werkzeug zu handeln, mit dem ein relativ weiches Material aufwändig und schonend(?) zerlegt worden ist. Das Stück selbst ist aufwändig angefertigt, und es könnte sich um ein Kompositgerät handeln, was den Aufwand noch vergrössert (Schäftung).
Dies könnte auf eine Spezial-/Sonderfunktion des Werkzeuges und in Verbindung damit auf ein relativ seltenes und damit wertvolles Werkmaterial hinweisen. Mir fällt da spontan Bernstein ein... 

Die Bearbeitung von Knochen und/oder Geweih mit diesem Stück ist m.E. völlig auszuschliessen, da sich die Kanten sonst in einer anderen Verfassung präsentieren würden und wir hier nichts zu diskutieren hätten. Holz erscheint mir aus den bei RP genannten Gründen gleichermassen unwahrscheinlich. Letztlich wird nur eine Gebrauchsspurenanalyse Klarheit bringen.

Eine Funktion als Projektilkopf oder Bohrerende scheint mir ausgeschlossen. Die einzigen "Sackbohrungen", die steinzeitlich bekannt sind, wären die fallweisen Spuren der Vollbohrung an neolithischen Felstgesteinartefakten, wobei dort immer und zu Recht aus diversen Gründen massive Holzbohrer angenommen werden.

Soweit meine Gedanken, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Der Wikinger

Vielen Dank, Khamsin ..

.. für die ausführliche Analyse !  :super:

Die Theorie, dass dieses Gerät doch geschäftet war, und für die Arbeit mit weniger harten Materialien wie Bernstein oder Muschel-/Schneckenschalen verwendet wurde, finde ich interessant und plausibel.

:winke:

Post Scriptum:

Zitat von: Khamsin in 29. November 2008, 12:50:50
Die einzigen "Sackbohrungen", die steinzeitlich bekannt sind, wären die fallweisen Spuren der Vollbohrung an neolithischen Felstgesteinartefakten, wobei dort immer und zu Recht aus diversen Gründen Holzbohrer angenommen werden.

Dazu wäre vielleicht noch die Theorie der Bohrer aus Rohrknochen zu erwähnen, die wie die heutigen Hohlbohrer funktioniert haben.