Rätselhaftes Gerät ?!?!

Begonnen von agersoe, 25. November 2008, 18:55:56

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Khamsin

Salaam!

Habe meinen Beitrag ein wenig überarbeitet!

Lieber Steen, gut, dass Du bei Deiner Bemerkung: "Dazu wäre vielleicht noch die Theorie der Bohrer aus Rohrknochen zu erwähnen, die wie die heutigen Hohlbohrer funktioniert haben" "Theorie" geschrieben hast.

Bereits die Altvorderen im späten 19. Jh. haben sich ausführlich mit der Bohrtechnik auseinandergesetzt. Und dabei wurden natürlich Gedanken zu den Bohrköpfen und deren Material geäussert, darunter auch Knochen und Hirschgeweih(sprossen). Dazu gibt es auch praktische Versuche.

Bis heute liegen jedoch keinerlei Funde von "Bohrköpfen" aus Knochen und Geweih vor, die sehr charakteristische Gebrauchsspuren aufweisen müssten. Gerade Röhrenknochen sind ja nicht drehrund im Gegensatz zu 1000en von überlieferten vollständigen und partiellen Bohrlöchern.
Und hier könnte man nicht argumentieren, dass sich solche Bohrköpfe durch die Arbeit rundgeschliffen hätten. Denn dadurch wäre ihre Wandung unterschiedlich stark in richtung Markkanal abgeschliffen worden, was schnell zur Überbelastung des Bohrkopfes und damit zu dessen Bruch geführt hätte.
Die Idee des Einsatzes von Bohrköpfen aus Knochen und Geweih gilt bei den Archäologen deshalb schon lange als überholt.

Herzlichst wie immer KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Der Wikinger


Vielen Dank, Khamsin  :super:

Ja, ich weiss, Theorie ...
... ich muss jedoch sagen, dass die Theorie hier im Norden recht beständig zu sein scheint !!  :kopfkratz:

Khamsin

Moin Steen!

Das ist mit vielen Theorien/Meinungen so, nicht nur bei uns im Norden! In der Tat ist das Beharrungsvermögen mancher, definitiv als falsch/nicht zutreffend/unhaltbar erkannter Hypothesen/Sachverhalte/Meinungen/Vorstellungen/Ideen der Archäologen, aber auch archäologisch interessierter Laien, mehr als erstaunlich. Als Beispiel sei hier etwa genannt

- das sog. Polieren von Steinbeilklingen als eigenständiger (letzter) Fertigungsschritt. Sieht man einmal von den Klingen sog. Prunkbeile aus Grüngestein ab, die gewiss als Statussymbole gedient haben, gibt es das "Polieren" nicht. Der letzte Arbeitsschritt ist das Schleifen. Freilich kommt bei dieser Sachlage erschwerend hinzu, dass im Englischen und Französischen das Schleifen ebenfalls als "polishing" bzw. "polissage" bezeichnet wird, was gewiss von manchen frühen Archäologen als Bestätigung ihrer Hypothese des "Polierens" gewertet wurde. Die Idee des Polierens geht auf die Beobachtung z.T. intensivster Glanzzonen auf den schneidenwärtigen Abschnitten von (Flint-)Beilklingen zurück. Tatsächlich handelt es sich nach den Ergebnissen von Gebrauchsspurenanalysen um sog. Holzglanz der infolge des Kontaktes mit Werkstücken aus Holz entstanden ist.

- das sog. Feuerhärten der Funktionsenden von hölzernen Grabstöcken/Speeren/Lanzen. Wurde mittlerweile für die - wenigen - Originalfunde, wie z.B. die Lanzenspitze von Clacton on Sea oder die vollständige Lanze von Lehringen bei Verden a.d.Aller zweifelsfrei nachgewiesen, dass sie keine Spuren der Feuer-/Hitzeeinwirkung aufweisen, so ist generell für dieses Konzept festzustellen, dass durch Hitzeeinwirkung keine wesentliche Funktionsverbesserung eintritt!
Interessanterweise sind alle Spitzen der Speere aus Schöningen frei von solchen Spuren. Und dies, obwohl diese Speere - im Vergleich zu den beiden vorgenannten Exemplaren aus hartem Eibenholz - aus vergleichsweise weichen Fichtenholz bestehen, für das man eine Feuerhärtung erst recht fordern müsste! Das Konzept einer Feuerhärtung von Holz hat seine Wurzel im eurozentrischen Gedankengut des 19. Jh. und ist tatsächlich ein Artefakt von Archäologen; die völkerkundliche und archäologische Realität reflektiert es dagegen nicht!

- die Behauptung, in der Steinzeit habe man eine Mischung aus erhitztem Kiefernharz, Bienenwachs und zerstossener Holzkohle als Klebstoff benutzt! Erstaunlicherweise wurde bislang nicht einmal eine solche Mischung nachgewiesen. Dagegen haben sich - sieht man von einer einzigen Probe aus dem jüngeren Neolithikum Süddeutschlands ab - alle anderen analysierten Proben (Mittelpaläolithikum bis Neolithikum) als echtes Birkenpech erwiesen! Und in unmittelbarer Verbindung damit

- die Behauptung, man habe Birkenpech seit dem Neolithikum in keramischen Retorten hergestellt. Nirgendwo wurde bislang ein tragfähiger Befund/Fund entdeckt, der dies nachvollziehbar stützt! Trotzdem kann man diese unhaltbare Hypothese an diversen Stellen nachlesen.
Gewiss liessen sich noch weitere Beispiele anführen.

Das Beharrungsvermögen solcher Hypothesen liegt gewiss auch am Rezeptionsverhalten der Leserschaft, die - verständlicherweise und erst recht, wenn sie aus der Feder von Archäologen stammen - an das, was sie da lesen, glauben. Eine gute Bestätigung der alten Erkenntnis: Wer schreibt, der bleibt!

Zweifellos spielt aber auch bei den genannten Beispielen der Umstand eine entscheidende Rolle, dass es sich um hochspezielle Forschungsnischen handelt, sozusagen "Nebenkriegsschauplätze" auf dem Grossgebiet der Archäologie, auf denen sich nur sehr wenige Archäologen tummeln. Wenn man da nicht selbst Fachmensch oder zumindest sehr, sehr gut informiert ist, sondern lediglich interessierter Nichtkenner, dann fällt es umso leichter, das Geschriebene als zutreffend zu akzeptieren, auch dann, wenn es wirklich überholt und damit nicht mehr zutreffend ist.

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"