Geschichte vom hässlichen Maasei-Kern

Begonnen von queque, 04. März 2010, 19:03:09

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queque

N'Abend zusammen,

ich weiß, in Zeiten, in denen Robert seine Schätze hier einstellt, muss ich mit so einem Trumm aus dem Sucher- und Sammleralltag zwangsläufig auf Unmut stoßen: Ich entschuldige mich schon jetzt dafür (Larry, ich weiß: Dachterrasse!!!).
Aber ich glaube, dieses Steinchen kann die Geschichte seiner Zurichtung erzählen, wenn ich in den letzten Jahren etwas gelernt habe. Wenn nicht, bitte ich um gehörige Maßregelung!

Also: Ich denke, dass der Steinzeitwerker zunächst eine Schlagfläche präpariert hat, von der nur noch ein paar Zurichtungsretuschen auf der "Rückseite" zu sehen sind ('Rückseite'). Danach hat er von dort aus Lamellen abgeschlagen, bis er nicht mehr weiter kam (Steckenbleiber in Bild 'vorne' 1a rot markiert). Anschließend hat er das Ganze umgedreht und versucht, von der der ursprünglichen Schlagfläche gegenüber liegenden Seite Lamellen abzuschlagen (Bilder 'vorne 3 und 4'). Als er damit nicht weiter kam, hat er versucht eine der Schlagbahnen als Präparationsfläche zu nutzen bzw. eine neu aufzubauen (Bilder 'vorne 7a' schwarz und 'vorne 8a' rot markiert). Dann hat er davon abgelassen und das Teil in den Ackerorkus befördert.

Völlig  :irre: oder nachvollziehbar? Ich kann mir die Vielzahl von Schlagbahnen in unterschiedlichen Orientierungen sonst nicht erklären.
Übrigens: Fundort ist eine Stelle genau auf der rheinischen Mittelterrassenkante, auf der Meso- und Neolithikum rumliegt.

Danke für die Aufmerksamkeit.
Gruß
Bastl

a.k.a. rentner

Also ich hätte es als Kernrest mitgenommen.....wenn das was zu bedeuten hat.
M.

queque

Klar hat das was zu bedeuten: Erstens siehst Du's auch als Kernrest und zweitens erstaunt es mich, dass Du/Ihr mit Euren mehr oder weniger täglichen Museumsfunden Euch nach so einem schrumpeligen Teil überhaupt gebückt hättet  :zwinker:.
Mich interessiert halt, ob ich mit meiner Interpretation der Schlagnarben bzw. -bahnen richtig liege  :kopfkratz:.
Gruß
Bastl

fuchs

Eine sehr schöne Geschichte! Ich kann noch nicht so gut die Steine lesen, übe es aber. Besser und ehrlicher als so mancher Zeitungsartikel. :winke:

a.k.a. rentner

Denke schon, daß du richtig liegst....andere werden es sicher besser wissen, aber es sieht doch recht klar und eindeutig aus. Ab den Schlagbahnen 3 und 4 komm ich aber nicht mehr mit.
Michi

Silex

Das ist genau die richtige Herangehensweise an  die  Denke der Verfertiger, Queque. Anders als bei (halb)industriellen Metallstatusobjekten hat man das Gedankenmuster der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Rohstoff direkt vor sich. Wenn man gut ist- ich bin fernab davon- kann man die zeitliche Abfolge  der Abschläge exakt bestimmen.
Aber nur selten - wenn überhaupt-  nimmt man sich die Zeit fundamental  zu beobachten.
Man braucht auch nicht in Demutshaltung vor "Protzfunden" erstarren wenn man sich langsam an  die örtlichen Geheimnisse hineindiffundiert und die Fundstoffe etwas profaneren Charakter aufweisen weil es eben die Lebenswirklichkeit und die Gegebenheiten  (bisher) nicht anders ergeben.
So ein  Zeugnis wie Du es gefunden hast ist an einem bestimmten Ort mehr wert als das 30te Prunkbeil von einer jahrelang abgegrasten Fundstelle.

Danke fürs Zeigen und Erläutern!
Ganz steige ich mit den Fotos noch nicht durch    aber es wird besser werden.
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

queque

Hallo miteinander,

Danke für Euren Zuspruch. Ich bin weit davon entfernt, die Dinge wirklich lesen zu können - ich versuch's halt. Wirklich lesen kann man es nur, wenn man es selbst mal gemacht hat - das alte Lied.

@ Edi: Gelobe Besserung, was die Fotos betrifft. Übe noch immer - schon ziemlich lange ... Und was die profanen Funde betrifft, hast Du natürlich recht. Allerdings: Mit so einem oder auch zwei Prunkbeilchen im Rücken .... aber die gibt's hier halt nicht so häufig wie im Rentnerland.

Gute Nacht
Bastl

Silex

Die Fotos haben optimal gepasst, queque....nur meine Scroll-und Text/BildSynapsenkorellationsfähigkeiten sind derzeit etwas disparat.
Eigentlich gehört sowas in die Hand....aber es ist wunderbar Funde von Gleichgesinnten anschauen zu dürfen.
Das hatte ich mir schon immer gewünscht.
Gute Nacht vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

steinsucher

Hallo Forum, hallo Bastl,

ich hätte das wohl so ganz ähnlich aus dem Ei gelesen. Zu viele Fotos verwirren auch manchmal, aber die ersten sind doch klar. Zeitlich hätte ich spontan Mesolithikum gesagt. Da waren keine massigen Teile vorhanden. Material war im Rheinland nicht so im Überschuss vorhanden. Man nahm auch gerne ein Maas-Ei. Aber alles ohne Gewähr.

Grüße aus Heinsberg,

Fritz.

queque

Hallo Fritz,

Mesolithikum könnte hinkommen. Der Fundort liegt, wie gesagt, genau auf der Mittelterrassenkante bei Neuss. Direkt unterhalb liegt einer der bekanntesten mesolithischen Schlagplätze unserer Region, auf dem viele Tausend Maaseier zerkloppt worden sind, deswegen hat man dort von den Lamellen über die Retuscheure bis hin zu den begehrten Mikrolithen alles gefunden (leider hat der Bauer den Acker nun in eine Weide umgewandelt). Auf der Terrassenkante liegt in erster Linie Neolithisches, aber hin und wieder auch ein wenig Mesolith.

@ Edi: Hast Recht, das macht Spaß!

Grüße us Kölle,
Bastl