Bohrkern ??

Begonnen von osman.herberger, 23. Februar 2009, 20:12:39

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osman.herberger

Hallo zusammen !

Dieses Teil habe ich vor kurzem auf einem neolithischen Siedlungsplatz aufgelesen. Ich hab mich zwar über die ungewöhnliche Form gewundert, hab aber dem Fund aufgrund von Unkenntnis keine weitere Bedeutung geschenkt. Gestern hab ich dann in einem Buch über die Steinzeit in Deutschland gelesen, dass die Neolithiker verschiedene Bohrtechniken verwendeten, um die Klingen von Steinäxten mit einem Loch für den Schaft zu versehen. Unter anderem benützten sie hohles Holunderholz, Schilfrohr oder Knochen, so daß am Ende ein Bohrkern übrig blieb, wenn sie das andere Ende erreicht hatten. Ich erinnerte mich wieder an den Fund und beschloss, ihn hier ins Forum zu stellen.

Das Material ist Stein, viel mehr kann ich dazu nicht sagen, auch wenn mich die Farbe und Beschaffenheit an die Dechselklinge aus Amphibolit erinnert, die ich am selben Ort gefunden habe. Aber vielleicht geht da die Phantasie mit mir durch...
Das Teil ist ca. 2 cm lang und verjüngt sich zum einen Ende, d.h. unten hat es einen Durchmesser von 1,8 cm, oben dann nur noch 1,2 cm.
Auffallend ist am unteren (breiteren) Ende eine leicht vertiefte Rille, die sich um das Teil zieht (siehe Foto 5!)

Artefakt oder Geofakt ?
Bohrkern oder nicht Bohrkern ?

Vielen Dank für Eure Hilfe !

Liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

szeletien

Hallo Stefan

Eindeutig ein sehr gut erhaltener Bohrkern. Die Rille beweist, das die Bohrung nicht vollständig durchgebohrt wurde. Das gute Stück wurde um Zeit zu sparen durchgeschlagen. Die kleine Vertiefung wurde angelegt damit der Bohrer zentriert bleibt. Ein sehr schönes Stück, eigentlich sehr selten hab selber noch keinen gefunden.
Danke fürs zeigen, bis bald Jürgen

osman.herberger

Servus Jürgen,

Danke für Deine Einschätzung, die mich sehr freut !
Ich muss aber nochmal nachfragen, weil meine Vorstellungskraft nicht ausreicht: Wie kann durch das Durchschlagen so eine Rille entstehen ? Und welche kleine Vertiefung meinst Du, die angelegt wurde, damit der Bohrer zentriert blieb ?
Ich hoffe, man kann sowas überhaupt schreibenderweise beantworten...

"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

rolfpeter

Gratulation, sowas fehlt mir auch noch in der Sammlung!

Die Bohrung ist vom dünnen zum dicken Ende ausgeführt worden, anders geht's nicht. Zuerst wird eine Mulde oder ein Kringel in den Stein gepickt, damit der Bohrer nicht seitlich wegläuft, das ist die Delle am dünnen Ende. Und dann wird gefiedelt was das Zeug hält. Irgendwann ist man ziemlich unten angelangt und konnte dann den Bohrkern durchkloppen. Davon stammt die Bruchzone am dicken Ende.
Das mit dem Röhrenknochen als Bohrer ist eine alte und immer wieder gern verbreitete Mär. Gebohrt wurde trocken mit Holunder oder einem anderen Holz mit ordentlichem Markkanal und einem arbrasiven Bohrmittel, Quarzgrus, Sand, o.ä. Die dollen Bohrapparate aus dem Heimatmuseum sind übrigens auch Hirngespinste.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

osman.herberger

Danke RP für die Erklärung. Jetzt hab ich´s gecheckt !
In dem erwähnten Buch (übrigens Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit) ist noch zu lesen, dass man für eine solche Hohlbohrung etwa 15 Stunden benötigte, was etwa der Hälfte der Zeit einer Vollbohrung entsprach.

Wenn ich dran denke, dass ich bis heute die scheinbare Seltenheit dieses Fundes überhaupt nicht zu schätzen wusste...Um so mehra gfrei i mi !!
Ein blindes Huhn findet halt manchmal auch ein Korn bzw. einen Kern...

Und RP: Sorry, dass ich Dich von der mattscheibenflimmernden Karnevalssitzung abgehalten habe...

"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

Silex

Eine dreifach donnernde Gratulation zu diesen schönen Fund, Stefan.
Und Danke für die Erklärungen, RP , Szeletien.
Meine Archäologen hatten bei einer Auffindung  von mir auch schon mal diesen Verdacht. Khamsin hat dann hier richtigerweise  damit "aufgeräumt".
Übrigens glaube ich nicht dass die Neolithiker nach einer schweißtreibenden , erfolgreichen Bohrung so eine Stein"Seele" einfach weggeworfen haben.
Wie meist aber nur Vermutung.

Die sonnenzugewandten Grobackerspitzenflanken lugen teilweise schon in vielversprechender Braunschwarzsprenkelung aus der Weißödnis......
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Schollentreter

Die Bohrkernchen sind im LBK-Gebiet nicht ganz so selten. Tauchen immerwieder mal auf, wo Äxte gelocht wurden. Soweit ich weiß, stammen die Reifen von neuer Zugabe von Schleifmittel, z.B. zerstoßenem, scharfkantigem Sand. Einfacher Flusssand ist nämlich leider zugerundet und bringt beim Bohren wenig Freude.
Grüße,

Thomas

Schollentreter

Ich mein natürlich "Riefen", nicht Reifen!  :irre:

Hab nochmal eine bisle hellere Aufnahme gemacht.

Marienbad

#8
Zitat von: osman.herberger in 23. Februar 2009, 20:44:55
Servus Jürgen,

Danke für Deine Einschätzung, die mich sehr freut !
Ich muss aber nochmal nachfragen, weil meine Vorstellungskraft nicht ausreicht: Wie kann durch das Durchschlagen so eine Rille entstehen ? Und welche kleine Vertiefung meinst Du, die angelegt wurde, damit der Bohrer zentriert blieb ?
Ich hoffe, man kann sowas überhaupt schreibenderweise beantworten...



Hey  :winke:

schau bitte mal unter:       http://www.steinharteknochentechnik.magix.net/website/     beim Thema Hohlbohren rein.

Dort ist alles beschrieben, bis auf das ,,Durchschlagen" findest Du dort alles. Beim Durchschlagen würde der
Kern zerstört werden, sie wurden teilweise ,,gebrochen", damit es schneller ging.

HG MB

osman.herberger

Super Seite !! Vielen herzlichen Dank für den Hinweis !
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

clan

Tolle Internetseite auf die du hier aufmerksam gemacht hast. Habe gleich gestöbert und bin über die Unterseite ,,Schälchenstein" gestolpert, wo von zerbrochenen Äxten mit nachträglich  eingepickterten Mulden berichtet wird, die als Druckoberlager bei Bohrarbeiten verwendet sein könnten. Genau so eine zerbrochene Axt hatte ich hier eingestellt. http://www.sucherforum.de/index.php/topic,34203.0.html
Der ,,insurgent" erwähnte die Möglichkeit, aber erst jetzt sehe ich was er meinte. Wieder etwas dazugelernt!  :-)

Kelten111

Da kann ich mich an szelezien und Silex nur anschließen ! :winke:
Super Fund so einen habe ich leider noch nicht :heul: