Multifunktionsklinge?

Begonnen von Genmutant, 27. November 2007, 17:52:20

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Genmutant

Bessere Bilder bekomme ich nicht hin. Buchtenschaber? Aber gleich 3 in einem?
Danke für Tips.

Genmutant


Genmutant


Genmutant

#3
... und hier die letzten.
Länge des Gerätes max. 46 mm, Breite max. 22 mm, Dicke max. 6 mm.

Silex

Wo kommst Du her Genmutant?
Das Ding erinnert mich! An eigene Dinger, Endeiszeit! Jurahornstein? Oder anderer ? Aber patiniert.
Ähnliches hab ich auch....aber erst muss ich die Herkunft wissen.
Die Buchten waren wohl das Entscheidende.
War an der "Spitze" nicht auch noch was Retuschiertes?
Schönes Teil mit Deutungsbedarf.
Ca. 6 cm?
Danke
Genmutant
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Genmutant

#5
Länge des Gerätes max. 46 mm, Breite max. 22 mm, Dicke max. 6 mm.

Fundort ist Potsdam. In unserer Gegend sind angeblich Rentierjäger den Herden hinterhergezogen, die wiederum dem zurückweichenden Eis folgten. Die bislang ältesten Funde stammen aus dem 6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung.
Zur "Spitze":
Links und rechts der dunkleren grauen Fläche sind kleine Retuschen, dazwischen scheint es gebrochen.
Ebenso am anderen Ende, könnte also mal länger gewesen sein. Schlagzwiebel fehlt ja auch.

Lege das Ding in den nächsten Tagen der Archäologin vor. Mal sehen was sie dazu meint.
Und morgen gibts hoffentlich ein besseres Bild.

PS: Zur Gesteinsart kann ich leider nichts sagen.

Der Wikinger

Hallo Genmutant  :-)

Ich denke es gibt keinen Zweifel, dass dies ein Multifunktionsgerät ist.
Eine Datierung ins Mesolithikum wäre auch am wahrscheinlichsten.

Ich sehe 3 Einkerbungen, die 2 wären für die Arbeit in Knochen verwendbar, sehen wie sogenannten Unterschneider aus. Schneide- / Aufbrechwerkzeuge, die sich in ein Rohrknochen hineinarbeiten können. Die kleinste Einkerbung könnte als Glätter verwendet worden sein !

Feines Gerät !!  :super:

:winke:

steinsucher

Hallo Folks,
Ist manchmal nicht so einfach . Das Teil hat schon einiges mitgemacht. Alles was hier gezeigt worden ist, habe ich schon als Trecker-Retusche gesehen. Es gibt ja auch keine echten Bearbeitungsnachweise wie Schlagkegel, Reflexnarbe usw.  Sieht so aus, als wenn es ein Naturprodukt mit neuzeitlicher Bestoßung  wäre. Die drei Dellen sehen jedenfalls so aus. Was ist den ein Buchtenschaber? Ich würde sagen: Eine klingenähnlicher Abschlag, im Laufe der Zeit abgenutzt oder beschädigt. Aber ich lerne auch gerne.

Genmutant

Habe mal eine komplette Klinge(60 mm) zum Vergleich daneben gelegt. Geofakt schliesse ich aus. Die menschengemachten Retuschen, insbesondere an der grössten Einbuchtung, sind deutlich zu erkennen(wenn auch vielleicht nicht unbedingt auf den Fotos). Für das fehlende Stückchen könnte allerdings tatsächlich der Trecker verantwortlich sein.

Silex

(Ist das echtes Holz.. oder Imitat? Genmutant?)

Von meinem "südlichen Gefühl" her würde  sich Dein Teil unauffällig bei meinen Rentierjägern einordnen lassen.
Allerdings habe ich , hier und anderswo , schon unglaubliche Retuschen an nördlichen Geräten gesehen die von berufener Seite als "rezent" eingestuft wurden.

Vor allem die lange Retusche ist für mich "humanoid verursacht"

Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Genmutant

Zitat von: Silex in 29. November 2007, 21:44:34
(Ist das echtes Holz.. oder Imitat? Genmutant?)

Von meinem "südlichen Gefühl" her würde  sich Dein Teil unauffällig bei meinen Rentierjägern einordnen lassen.
Allerdings habe ich , hier und anderswo , schon unglaubliche Retuschen an nördlichen Geräten gesehen die von berufener Seite als "rezent" eingestuft wurden.

Vor allem die lange Retusche ist für mich "humanoid verursacht"

Bis bald
Edi
"Rezent"? Ähhhm, also verfälscht???
Halte ich für ausgeschlossen. Das Gerät ist ein Eigenfund vom Acker.
Wenn, dann ist da vor langer Zeit dran rumgebastelt worden.

PS: Die Tastatur ist leider nur aus Plastik.

Der Wikinger

Immer mit der Ruhe, Genmutant !!  :zwinker:

Dein Gerät ist schon, wie auch Silex sagt, ganz in Ordnung.  :super:

Die Retuschen sind ganz eindeutig von Menschenhand gemacht !

:winke:

steinsucher

Hallo Forum,

ich hatte nicht die Absicht irgendetwas als "Fake" hinzureden. Ich möchte nur, weil ich selbst oft auf solche Dinge hereingefallen bin, davor warnen, zuviel in manchmal tolle Serien von Retuschen hinein zu interpretieren.  Auf einigen Bildern (Beispiel: b3.jpg) hängt das braune vom Zinken noch in der "Bucht". Die Retusche auf Bild b12.jpg kann aber durchaus eine richtige Arbeitsretusche sein. Es ist auf Grund der Bilder nur sehr schwer oder auch manchmal gar nicht zu beurteilen.

Vor einigen Jahren habe ich mir für solche Härtefälle einmal eine Stereo-Lupe gekauft. Bei 15-facher Vergrößerung kommen da plötzlich erstaunliche Details zum Vorschein. Alt geglaubte Retuschen zeigen plötzlich eine raue, helle Oberfläche, während der Rest der Umgebung einen etwas speckigen Glanz aufweist mit glänzenden (verrundeten) Graten. Meistens sieht man auch sofort, wo der "neue" Treffer sass. Leider gibt es für das Ding keinen Kameraaufsatz. Abhilfe würde wohl nur eine Makro-Kamera mit der entsprechenden Ausleuchtung mit Tageslichtlampen bringen. Die haben wir aber wohl alle nicht.

Also, nichts für ungut (oder wie das heißt).

Fritz.

Khamsin

Salaam!

@Steinsucher: "Es gibt ja auch keine echten Bearbeitungsnachweise wie Schlagkegel, Reflexnarbe usw. Sieht so aus, als wenn es ein Naturprodukt mit neuzeitlicher Bestoßung  wäre."

Doch, es gibt eindeutige Hinweise auf den Artefaktcharakter des Stückes, wenn auch Bulbus etc. fehlen.
Das Stück besitzt einen Ventralflächen- und Dorsalflächenrest. Die Bulbuspartie fehlt ebenso wie der Distalrest. Daraus resultiert, dass es sich um ein Medialbruchstück handelt. Die langgestreckte Form und die annähernd parallelen Längskanten erlauben überdies die Ansprache als mediales Klingenbruchstück.
Damit wäre die Frage, ob Naturprodukt oder Artefakt und die Art der Grundform geklärt.

@agersoe: "Die Retuschen sind ganz eindeutig von Menschenhand gemacht!".

Diese apodiktische Feststellung erinnert mich sehr daran, wie ich mich vor einiger Zeit einmal "schwer aus dem Fenster gehängt" habe mit einer ähnlich apodiktischen Feststellung in Form einer Wette und damit - zu recht - auf die Nase gefallen bin.

Tatsächlich kann dieses eindeutige Artefakt auf vielfältigste Art und Weise zu seinen Lateralretuschen gekommen sein. Vor dem Hintergrund der erkennbaren Ausprägung der Retuschen eine eindeutige Festlegung auf anthropogen zu wagen, halte ich für sehr mutig, sachlich aber nicht begründbar.
Somit dem Artefakt eine eindeutige Gerätefunktion zuzusprechen, ist m.E. spekulativ und deshalb nicht vertretbar.

Wohlgemerkt, hier geht es nicht darum, das fraglose Artefakt schlecht zu reden. Aber es geht uns stonefreaks hier doch auch nicht darum, aus der berühmten Mücke den noch berühmteren Elefanten zu machen!

Bei der riesigen Fülle von in diesem Forum präsentierten, durch eindeutig erkennbare Formungsretuschierung zugerichteten Flintarfakten lohnt es m.E. einfach nicht, sich fallweise am Beispiel eines nicht-eindeutig intentionell retuschierten Artefaktes in die Niederungen der interpretativen Grauzone zu begeben, dorthin, wo die Kraft des Glaubens jene der sachlichen Begründung dominiert.

Freilich, wer wollte sich davon freisprechen, nicht in die immer wieder lauernden "pitfalls" zu tappen? Ich habs ja mal erlebt, und es war gut, dass mich Steen damals auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat. Also, danke für alle Beiträge zu diesem Fund und damit ein lehrreiches Beispiel.

Schala gaschle KIS



"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Der Wikinger

#14
Danke, Oh Sohn der Wüste !!  :zwinker:

Ja, du hast natürlich recht. Die Feststellung ist mutig, und auch "gefährlich". Sagen wir mal es steht 1 zu 1.  :smoke:

Was mich aber bei diesem Stück in Richtung Überzeugung gebracht hat, ist die Morphologie der Retuschen und eigene Erfahrung mit selbstgefundenen, ähnlichen Geräten.
Sieht man näher, kann man feststellen, das auf der grossen Retusche "eindeutig" die Retuschen regelmässig sind, und "ein bewusstes Ende" hat,  das in einer "Schneide- / Aufbrechungskerbe" endet.
Diese Art der Retuschen wären bei einer zufälligen (Pflug-) Retuschierung eher sehr unwahrscheinlich.  :belehr:
Ausserdem ist zu erkennen, dass die Patinierung der Retuschen sich nicht (wesentlich) von der Farbe und Textur des übrigen Geräts unterscheidet.
Ein ganz wichtiges Indiz ist auf Bild b3 zu sehen, wo man erkennen kann, dass die Einkerbungen deutliche Abnutzungsspuren haben, die auf der Bulbusseite zu erkennen sind. Die Einkerbungen biegen (durch Abnutzung) leicht über die Bulbusseite hinüber.

:winke:





Genmutant

Zitat von: agersoe in 01. Dezember 2007, 13:49:39
(...)das auf der grossen Retusche "eindeutig" die Retuschen regelmässig sind, und "ein bewusstes Ende" hat, (...)
Bewusstes Ende? Stimmt! Tatsächlich sind die kleinen paralellen Retuschen nur innerhalb der sichelförmigen Einbuchtungen/Retuschierungen zu finden. Sonst ziemlich jungfräuliche und scharfe Kanten. Ein, zwei sonstige Einkerbungen machen tatsächlich den Eindruck von Beschädigungen. Sehen aber eben auch im Detail völlig anders aus.

Zitat von: agersoe in 01. Dezember 2007, 13:49:39
Ausserdem ist zu erkennen, dass die Patinierung der Retuschen sich nicht (wesentlich) von der Farbe und Textur des übrigen Geräts unterscheidet.
Auch hier offenbar wieder sehr treffend formuliert. Tatsächlich ist (nur) ein minimaler Unterschied erkennbar. Die Einbuchtungen mit den kleinen paralellen Retuschen ercheinen mir eine Spur weniger "matt" als der Rest der Oberfläche. Mit den Worten vom Steinsucher "etwas speckigen Glanz aufweist mit glänzenden (verrundeten) Graten" wäre das auch gut beschrieben.
Darauf habe ich mir die beiden Bruchenden nochmal angeschaut. Das schmale (Distal?)-Ende ist etwas heller, sauberer, glatter, als alle anderen Flächen. Dürfte dort also jüngeren Datums beschädigt worden sein. Das andere, breite (Bulbus?)-Ende, unterscheidet sich nun wieder kaum von sonstiger Fläche und den Einbuchtungen. Am ehesten vllt. irgendwo dazwischen, obwohl da nicht so viel Platz ist.

Zitat von: agersoe in 01. Dezember 2007, 13:49:39
Ein ganz wichtiges Indiz ist auf Bild b3 zu sehen, wo man erkennen kann, dass die Einkerbungen deutliche Abnutzungsspuren haben, die auf der Bulbusseite zu erkennen sind. Die Einkerbungen biegen (durch Abnutzung) leicht über die Bulbusseite hinüber.
Stimmt auch.
Steinsucher schreibt: "Auf einigen Bildern (Beispiel: b3.jpg) hängt das braune vom Zinken noch in der "Bucht"" Tatsächlich hängt dieses "Braune" unmittelbar hinter(!) der von agersoe hier beschriebenen Abnutzungseinkerbung auf der Bulbusseite. 
Das Metall eines Pfluges dürfte diesen sichelförmigen Rückstand nicht verursacht haben. Müssten aber nicht genau so, und genau an dieser Stelle, die Rückstände dessen zu finden sein, was da mal mit "abgeschabt" wurde?! Blöder Weise dürften diese Rückstände aber doch eigentlich nicht mehr da sein(sollte ja wohl organisches Material gewesen sein)?!

Ich bin übrigens allen sehr dankbar für Eure Meinungen und die Diskussionen über diese "Mücke". So viel wie in den letzten Tagen habe ich lange nicht dazugelernt.
Das eigentlich interessante für mich ist, dass das Gerät eines der ältesten meiner Region zu sein scheint. Was natürlich das Ganze, zumindest regional betrachtet, schon zu einem "Elefanten" macht.
Naja, nur noch 3 mal schlafen, und dann kann sich die Archäologin damit rumquälen. An dem Rückstandsrest habe ich lieber nicht dran rumgefummelt. Sollte von der Menge zur genaueren Bestimmung eigentlich ausreichen. Vielleicht erfahren wir ja dadurch, was genau damit bearbeitet wurde.