Das Runde muß in das Eckige

Begonnen von rolfpeter, 03. Februar 2008, 18:32:22

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rolfpeter

so oder ähnlich hat einstmals unser Vorfahr gedacht und gehandelt  :-D

Wie man sieht ist das Runde noch prima erhalten, das Eckige allerdings ziemlich verschlissen. Trotzdem möchte ich den Fund zeigen, denn durchbohrte Felsgesteingeräte sind für mich immer etwas Besonderes, sowas finde ich ausgesprochen selten!
Es handelt sich bei dem Artefakt um das Nackenbruchstück einer flachen, durchbohrten Dechselklinge. Material ist ein Schiefergestein mit sehr hohem Glimmeranteil.
Die Maße sind noch: 75*66*24 mm, das Gewicht beträgt 144g. Die Hohlbohrung ist konisch mit 23 und 22 mm Durchmesser.
Erstaunlich und für mich nicht erklärlich ist, daß die Bohrung nicht senkrecht in die Oberfläche tritt, sondern ziemlich schräg ausgeführt wurde. Mein Gefühl sagt mir, daß eine senkrechte Bohrung nicht schwieriger herzustellen ist, als eine schräge. Für die Funktion des Kompositgerätes scheint die Stellung des Stieles keine besondere Bedeutung gehabt zu haben. Ich habe mal einen Holzstiel in die Bohrung gesteckt, da sieht man die Fehlstellung deutlicher. Schief angebrache Bohrungen sind allerdings nicht selten bei solcherlei Artefakten. Vielleicht kennt ja jemand von den Lesern die Begründung.







Zum "dechseln" oder hacken wäre eine senkrecht zum Stiel stehend Klinge doch günstiger....oder ist das Wurscht?

Herzliche Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

dappeler

...immer wieder faszinierend, ein solcher Fund, toll!  :super:
dappeler
Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

Silex

ich hab nur ein paar närrische Fragen, RP.
War die Schneide  Deines Wissens oder Deinem Gefühl nach parallel  oder quer zur Holmrichtung? (ah jetzt hab ichs gelesen "Dechsel" flach.....also war die Schneide "quer")
Dann fallen weitere Narreteien weg.
Es sieht zwar gar nicht so schräg aus , auf den Fotos, aber es wäre bei einem flachen Rohstoffstück doch durchaus möglich auf den Gedankengang zu verfallen die  immensen Kraftlinien im Bohrungsbereich auf eine größere, auch arretierungsmäßig stabilere Fläche zu verteilen.
Bei der Fülle von Dechseln die Deine Vorfahren produzierten glaube ich nicht an viel Ausschuss oder Fehlversuche.
Eine absichtliche  Winkelabweichung aufgrund der speziellen Arbeitsweise dürfte solchen Spezialisten wohl auch durchaus vertraut gewesen zu sein.

2 durchbohrte  Teile hab ich bis jetzt gefunden  und beide sind an der Bohrung entzweigegangen. Dass dies bei Deinem Teil, angesichts der Rundumzerstörung nicht geschehen ist  scheint fast paradox.

Danke fürs Zeigen

Bis bald, vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Buddelbär

Hallo Rolf Peter,

habe am Wochenende ein ähnliches Stück gefunden, die Bruchkante stellt sich recht deutlich dar, das Stück wurde in sekundärer Verwendung als "Klopfer" verwendet, wie die Aussplitterungen und Verundungen an den beiden Enden zeigen.
Gefundene allerdings nicht im Rheinland, sondern in Südhessen.

Grüße, Buddelbär

rolfpeter

Servus Buddelbär,

ist ja doch ein wenig besser erhalten als mein Fund. Gratulation!
Ist die Fundstelle altneolithisch geprägt? Wenn es in der Gegend vom Wetteraukreis wäre, dann käme es vielleicht von den Vorfahren der rheinischen Bandkeramiker!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Buddelbär

Hallo RP,

der Fundplatz liegt im süden des Landkreises Landkreis Darmstadt-Dieburg, also recht  weit im Süden Hessens. Ich habe das Stück auf dem Rückweg zum Auto durch Zufall gefunden, der Acker ist eingesät und schon recht grün. Zwei quarzgemagerte Wandscherben konnte ich noch ausmachen. Ein größerer BK Fundplatz liegt ca. 800 m Luftlinie entfernt, dort habe ich auch schon 5 Dechsel (ohne Bohrung) gefunden :winke:. Werde den FPL aber "im Auge" behalten.

Grüße, Buddelbär

Khamsin

Salaam!

Es gibt in der LBK sowohl breitflache (Typ 1) als auch schmalhohe (Typ 2) durchbohrte Dechselklingen. Aus naheliegenden Gründen verlaufen die Bohrungen bei Typ 1 immer zwischen Dorsal- und Ventralfläche, also quer zur Schneidenstellung, bei Typ 2 dagegen immer zwischen den beiden mehr oder weniger senkrecht stehenden Längsseitenabschnitten der Dorsalfläche, also parallel zur Schneidenstellung.

Dabei wurde schon vor langer Zeit beschrieben, dass die Achse der Bohrlöcher bei beiden Typen in aller Regel nicht rechtwinkelig, sondern mehr oder weniger schräg steht!

Warum das so ist, wurde bis heute nicht schlüssig erklärt. Tatsache ist, dass besonders bei Typ 1 der Durchmesser der Bohrung nicht selten sehr gering ist. Dies schliesst eine direkte Steckschäftung für eine spätere Handhabung als Dechsel letztlich aus, wäre doch lediglich ein dünner Stecken (Rute) als Stiel (Griff) möglich und damit eine kontrollierte Handhabung des Kompositgerätes eingeschränkt.

Als denkbare Alternative bietet sich die Überlegung an, dass die Bohrungen bei beiden Typen als zusätzliche Hilfe bei der angenommenen Bindeschäftung gedient haben könnten, was schon vor vielen Jahren von dem Belgier, J. Destexhe-Jamotte, vorgestellt worden ist.
Durchbohrte Dechselklingen beider Typen machen einen sehr geringen Prozentsatz im Ensemble der LBK-Dechselklingen aus. Daraus könnte, in Verbindung mit der Idee von Destexhe-Jamotte, geschlossen werden, dass diese Dechselvarianten beider Typen eine gesondere Funktion besassen. 
Praktische Versuche dazu wurden nach meiner Kentnis noch nicht durchgeführt.

Mit sandigen Grüssen KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Zitat von: Khamsin in 09. Februar 2008, 10:54:56

Dabei wurde schon vor langer Zeit beschrieben, dass die Achse der Bohrlöcher bei beiden Typen in aller Regel nicht rechtwinkelig, sondern mehr oder weniger schräg steht!


Mist, hatte doch glatt vermutet, auch mal was neues, epochales entdeckt zu haben!  :irre:

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert