Oben Pfui- unten Hui

Begonnen von Silex, 09. Juni 2010, 21:41:05

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Silex

Von der "Endpaläolithischen" (mit Hang zu früher) stammt dieses -wohl ins Feuer gelangte- Außenseitertrumm.
Einmal von der Basis her fotografiert - die dann  auf den Folgefotos 2 mal links liegt.
Absoluter Ausreißer im  reinen Klingen- Rückenspitzen/messer- und Kratzerdorado.
Material- und eventuelle Gerätezugehörigkeitstips wären erhofft und hilfreich erwünscht.
(Die Fundstelle liegt auf einem erstmals angeackerten Nachbarstreifen der Hauptfundstelle)

edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

thovalo

#1
 :winke:

Wow, was für ein "Bollermann"!     :super:

(könntest Du bitte noch die Maßangaben mit einstellen!?)

1. zweifelsohne im Feuer partiell (ventral und an einem Stück der Arbeitskante) stärker angegriffen und an diesen Stellen entsprechend grob und kantig ausgebrochen unter anderem Bild 1. Verlust eines Stücks der Arbeitskante. Dieses Spurenbild deutet darauf hin, dass der Fundbeleg auf der Glut eines möglichen "Lager- Herdfeuers" gelandet ist und nicht in einem noch lodernden höher schlagenden Schadfeuer (etwa beim Untergang eines brennenden Hauses). Um solche Schäden zu verursachen muss eine hohe und ggf. länger anhaltende Temperatur erreicht worden sein, wie es z.B. bei einem in der Glut verlöschenden Feuer der Fall gewesen wäre!

2. bei der Dimension (im Vergleich zu Deiner Hand) erscheint das als großes Teilstück eines aufgetrennten Kernsteins für Abschläge (im Gegensatz zum "Klingenkernstein"), das in der Funktion eines Kratzers zugerichtet und wohl auch verwendet worden ist (auf Bild 1 zeigt sich ein erhaltener intensiver abgedrückter Teil des retuschierten Kantenverlaufs).


Glückwunsch! Da steckt eine komplexe Geschichte drin!   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Grenzton

Sorry Ihr beiden, aber ich brauche da mal etwas Nachhilfe.

Woran macht Ihr fest das sich dieses Stück im Feuer befunden hat...?

Gruß, der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

thovalo

#3
Zitat von: Grenzton in 09. Juni 2010, 22:43:54
Sorry Ihr beiden, aber ich brauche da mal etwas Nachhilfe.

Woran macht Ihr fest das sich dieses Stück im Feuer befunden hat...?

Gruß, der Kalle

Im Feuer "dehydriert" der Feuerstein und die kalkhaltigen Partikel werden, je nach Intensität der Hitzeeinwirkung, gebrannt, was den Stein zudem farblich erheblich verändern kann (hier rötlich-violett).
Das zermürbt Partien der inneren Struktur des Gesteins und führt zu recht kantigen bis "blockartigen" Abbrüchen und zu Negativen die, wie hier auch erkennbar, eher an Frostaussprünge erinnern und keine glatten Abschlagnegative ausbilden, wie sie an diesem Stück die noch hellfarbige Oberseite erkennen lässt.

Auf Bild 3 erkennst Du kurz oberhalb des Daumens einen bereits im Stein entstandenen bogenförmigen Riss, der eine Sollbruchstelle vorgibt.

Brandspuren gibt es von nur leichten Anflügen der Verfärbung, bis zu total bröckelnd zu Kalk verbrannten Artefakten die vollkommen weiss und stark craquelliert durchgeglüht sind.

:winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Grenzton

Hm, Danke erstmal für Deine schelle Antwort Thovalo.
Auf meiner Überkornhalde finde ich oft Feuersteinbrocken, die ähnlich verfärbt, oder von Rissen durchzogen sind, aber ich habe immer an natürliche Verfärbungen aufgrund der Mineralien/Patinierung getippt.
Die Risse und oberflächigen Ausbrüche führte ich üblicherweise auf Frostsprengung oder Gesteinsdruck unter den Gletschermassen zurück.
Brandschäden kannte ich bis dato nur als helle bzw. weissliche, und kräuselig rissige Oberfläche.

Gruß, der Kalle 
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

a.k.a. rentner

Schönes Stück...und welch Genuß muss es sein nahe der Hauptfundstelle jungfräulich geackert.......
Ich find Thovalo hat sich in seinen Erklärungen mal wieder selbst übertroffen...reif für den Index.
Als geniessender Betrachter und Zuleser.
Michi

Silex

Danke Thovalo und Mitstreiter!
Breite: 35mm
Länge: 40mm
Dicke (max.): 10 mm
und da  drin scheint tatsächlich was verpackt.
Vermutlich also ein Teilstück eines  ehedemigen Kernsteins.
Die "Kratzerkante" auf dem ersten Foto  kann aber keine sein da  sie sich (wie auf den Fotos  für euch leider nicht erkenntlich) fast parallel  in der Ebene zum daneben  liegenden, planen  Schlagflächenrest erstreckt ....eher noch ein bißchen dahinter liegend. Vielleicht handelt es sich dabei um eine Schlagflächenpräparierung?
Die kleinen, feinen Retuschierungsbahnen (Bild 3) sind alle von den Lateralen  her  (hier  hauptsächlich von  rechts.....da wo oben der Zeigefinger draufliegt befindet sich übrigens die Ansicht  des Fotos 1) geschlagen und scheinen mir keine Zielabschläge (zur Weiterverwendung) zu sein - eher formgebende. Die dadurch entstandene  Kante ist zwar scharf  scheint sich aber weder zum Kratzen noch zum Schneiden zu eignen. Aber das Geheimnis dürfte hier verortet sein.
Diese  in die Fläche ausufernde Art der Fertigungstechnik  taucht an diesem Fundplatz zum ersten mal auf.


Man hat ja öfter ein "Gefühl". Mir kommt es eher älter als "nacheiszeitlich" vor. Zur  ungefähren Klärung werden wohl noch viele Gänge notwendig sein.

Einstweilen alles Gute vom
Edi
(Was für ein Gefühl auf dem  jungfräulichen Acker! Kein Glas-, Plastik-,  neuzeitl Keramik/Metallmüll....aber ein bißchen MÄC wehte sich schon von der Autobahn her ein.)
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

thovalo

Lieber Silex!

Nicht "nacheiszeitlich" finde ich gar nicht so abwegig!   :super:


Viel Erfolg bei der weiteren Nachsuche!


  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Silex

das orakelt delphisch in die angedachte Gegenrichtung.........oder delphiniere ich schon?
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

thovalo

Du delphinierst nicht!  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.