Altes und Junges

Begonnen von rolfpeter, 18. Juni 2010, 20:41:05

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rolfpeter

Servus,

ich sortiere gerade meine Funde der letzten Kampagne auf der hiesigen Mesolithikstation ein. Ich wollte euch mal einige Stücke zeigen, die sich von dem dort üblichen Zeugs unterscheiden.

1. Eine Spitze aus Schotterflint, typisch braun patiniert. Die Längskanten sind steil retuschiert, fast wie bei einer jungneolithischen Spitzklinge, nur eben eine Nummer kleiner. Das Stück ist 43 mm lang.
Verwendungszweck? Ein Bohrer ist das nicht, es gibt nur die Retusche nach Dorsal, keine Ausbrüche oder Wechselretuschen.

2. Ein Gerät, hergestellt an einem scheibenförmigen Abschlag aus Schotterflint. Die entstandene Kante trägt einseitig feine Retuschen. Größte Breite: 33 mm, Mesolithisch.
Verwendungszweck?

3. Ein distales Klingenbruchstück, wie es, nicht nur wegen der weißlichen Patina, schlecht ins hiesige Mesolithikum passt. Die ursprüngliche Klinge ist rel. groß und ebenmäßig, das Material ist kein typischer Maasschotter und die lateralen Spuren nach Art eines "outil denticulé" sind auch ungewöhnlich.
In der Ecke der Fundstreuung kommen weiß patinierte Stücke häufiger vor. Jung- oder Spätpaläolithikum?

4. eine neolitische Pfeilspitze mit blattförmigem Umriß, das Terminalende ist abgebrochen. Die Spitze ist beidseitig flächenretuschiert. Beim Material handelt es sich um feuchtbodenpatinierten Rijckholt-Flint, ventralseitig kann man die dunklen Einschlüsse erahnen. Würde mal auf Jungneolithikum tippen. Bislang ist das mein erster neolithischer Fund von dort - wohl ein Irrläufer.
Länge: 35 mm Gewicht: 4,1 g.
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Marienbad

Moin Rolfpeter,

ein typischer Bohrer ist das erste Teil sicher nicht, aber gebraucht wurde es. Bei meinen Versuchen habe ich bemerkt,
dass eine rillige Innenwandung durch eine retuschierte Bohrspitze entsteht, aber mit einer scharfkantigen ( dein Fund ) geglättet werden
kann. Bei weichen Materialien entstehen keine Abplatzungen an den Seiten.
Auch könnte ein Pfriem ( Lochstecher ) für dünnere Häute in Frage kommen. Was meinst Du dazu ?

:winke:   Manfred

rolfpeter

Ja, hast recht, lieber Manfred.

Mit Bohrer habe ich 'nen Drillbohrer gemeint. Aber ein Pfriem ist ja auch irgendwie ein Bohrer. Geht eben nix über Erfahrung!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Marienbad

ZU 2.

damit kann alles mögliche bearbeitet werden, ein Universalwerkzeug eben. Davon gibt es sicher sehr viele,
aber da sie nicht in die typische "Formenkiste" passen, werden sie kaum beachtet.

  :winke:

thovalo

#4
Hallo rolfpeter!

Das ansehnliche Projektil muss ja kein Irrläufer sein, sondern wurde vielleicht eher noch, mit nicht weniger großer Wahrscheinlichkeit, in der ursprünglichen Funktion "verschossen"!

Die Mikro"spitzklinge" ist typologisch irregulär und Marienbads Ausführungen spiegeln die besonderen Erfahrungen der experimentellarchäologischen Praxis. In dieser Ausprägung wäre das dann eine individuelle Bedarfsanpassung......

Der kleine scheibenförmigen Abschlag mit Mikroretusche ...... das Stück ist nicht patiniert, typologisch nicht signifikant und mutmaßlich mesolithisch, weil das Mesolithikum am Ort stark präsent ist!? Eine ad-hoc- Bedarfsgebrauchsretusche

Größere Klingen kommen nicht ganz so häufig im Spätpaläolithikum vor, doch das Fragment passt da gut hinein und ist typologisch weniger repräsentativ, finde ich  :kopfkratz:  Da hast Du selber die bessere Übersicht, da Du ja das gesamte Fundmaterial der Stelle durch Augenschein kennst!

LG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Silex

Wenn es  uralte  , überregionale Fertigungstechniken der Jungpaläolithiker gibt, und mich mein , wenig systematischer,  Geist nicht täuscht, RP, dann ist Deine "SP" ein Ding aus den Eiszeitendungen- lange vor den Mesolithikern-  und "knickrückenspitzend"  unterwegs gewesen.
Die Art der Retuschierung , die Form und  der "Überzug"...... die geben mir fast die Sicherheit sowas in den Raum zu stellen.
Danke fürs Zeigen....die anderen Findlinge sind mir zu fern (bis auf die neolithische Pfeilspitze).

Bis bald

Edi

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.