Mittel-oder Altsteinzeitliches

Begonnen von Grenzton, 26. Januar 2009, 00:01:12

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Grenzton

Hallo Freunde.

Nachdem es in der letzten Zeit etwas ruhiger um mich wurde, aufgrund  anderer Projekte, möchte ich Euch heute mal wieder was vorstellen.

Heute war ein herrlicher Tag, und meine Frau und ich haben mal wieder einen Sandabbau ganz in unserer Nähe aufgesucht. (südliches Münsterland)
Der fast weiße Sand und die menschenleere Heidegegend hat es uns angetan.
Der Sand entstand im Santon, wurde während der Saale-Eiszeit ungelagert und mit vielen Findlingen, Geröllen und Flinten "überflutet".
Der Sandabbau findet unterseeisch, d.h. er wird mit Saugbaggern vom Grund des entstandenen See's heraufgepumpt und über Rohrleitungen auf ein Spülfeld geleitet.
Dort fand ich heute das erste mal seit vielen Jahren, einige Abschläge.
Irgendwie hatte ich ein gutes Gefühl im Bauch und es trieb mich direkt zur Überkornhalde. Es dauerte kaum 5 Minuten als ich dieses Teil aus dem Haufen zog.
Aus der Literatur und auch durch andere Funde die ich im Museum gesehen hatte, weiß ich das es ganz in der Nähe in etwa 7-9 Metern tiefe einen Horizont gibt, der viel mittelsteinzeitliches Material des Neandertalern lieferte. Möglicherweise hat dieser Saugbagger ebenfalls diese Schicht abgesaugt...
Die Abschläge erspare ich Euch, aber dieses Stück würde ich Euch schon gerne vorstellen, vielleicht kann mir ja jemand meine Vermutung bestätigen.
Es ist 7 x 4 cm, ohne Retuschen, leicht ins braune patiniert, deutlich sind Schlagnarben, Bulben und Wallnerlinien erkennbar, achja und natürlich ist sie aus nordischem Flint.
Könnte es sich hier um eine Levallois-Spitze handeln?

Gruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

rolfpeter

Servus Kalle,

schön wieder mal was von Dir zu hören.  :winke:

Ich bin zwar paläolithischer Volllaie, aber mir kommt das Stück wie ein Levallois-Abschlag oder eine -Spitze vor, der sehr flache Querschnitt spricht dafür. Und wenn Saale-zeitlich, dann isses auch noch steinalt. Die Neandertaler im engeren Sinne tauchen ja wohl erst in der Eem-Warmzeit vor 130000 Jahren auf. Also wäre der Abschlag von einem Prä-Neandertaler hergestellt.
Herstellungstechnisch ist das Alter solcher Stücke offenbar schwierig zu beurteilen. Ich habe gelesen, daß man alleine nach den Merkmalen unmöglich feststellen kann, ob eine Levallois-Spitze 300000 oder 40000 Jahre alt ist. Das Produktionsverfahren war über das gesamte Mittelpaläolithikum unverändert.

Schöner Fund in bester Erhaltung, Gratulation!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Kelten111

So ist es eine wuderbare Spitze nur kommen mir die Abschläge besonders auf Bild 8 an Bullbus frisch vor!
Verzeih mir wenn ich falsch liege aber meines erachtens dürfte es bei so einen Alten Artefakt diese Spuren nicht mehr zu sehen sein :kopfkratz:
Auch die Seiten sind noch so Scharf wie an ersten Tag  :glotz:

Khamsin

Moin!

Was man in solchen Fällen nur zu gerne einmal riskieren möchte, wäre ein frontaler Blick auf den Schlagflächenrest!

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Zitat von: Khamsin in 26. Januar 2009, 17:54:35
Moin!

Was man in solchen Fällen nur zu gerne einmal riskieren möchte, wäre ein frontaler Blick auf den Schlagflächenrest!

Herzliche Grüsse KIS

Servus,

meinste wegen der Präparation?

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Ein Superfund....aber
"Das" müsste schon unglaublich "verpackt" gewesen sein um die bewegten Zeitläufte seit dem Mittelpaläolithikum dergestalt frisch und jungfräulich überstanden zu haben. Jeder Grat und jede Welle ohne Abrieb - keinerlei chemischen Einwirkungen....
Zweifelsfrei ein Artefakt- ein Abschlag mit Spitzen/Schneidefunktion, aber meiner Meinung nach dürfte es nach der letzten Eiszeit geschlagen worden sein.
Die Unterseite.... die ist nicht abgebildet, Grenzton, oder?


Wahrscheinlich ist bei Euch alles ganz anders.......
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Grenzton

Hallo Sucherfreude.

All diese Einwände gingen mir auch durch den Kopf.

Die Fotos habe ich heute auch an die Spezialisten nach Münster gemailt und prompte Antwort bekommen.
Die der Archäologie seit vielen Jahren bekannte Fundgegend um diesen Stausee herum und die dort gefundenen Fundstücke, die auf gleiche Weise ans Tageslicht gefördert wurden, werden von den Fachleuten ins Mittelpaläolithikum gestellt, und ebenso benannte der Archäologe das Mittelpaläolithikum als einwandfreie Zeitstellung für meinen Fund.
Die Patinierung ist leicht rostbraun bis gelblich, das Stück weist leichte Beschädigungen durch das Spülrohr auf. Jedoch kaum Beschädigungen durch Erosion oder Umlagerung.
Das ist aber für diese Fundstelle nichts ungewöhnliches.
Das Stück wurde in bekannter Levallois-Technik hergestellt, und auch diese Technik ist dort aus dieser Zeit belegt.

Gruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Silex

Danke Grenzton ! Für diese Zusatzinformationen

edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Kelten111

Danke für die Fotos würde dich gerne fragen ob du mir evtl die E-Mail Adresse geben kannst? Bin immer wieder auf der Suche nach einen kompetenten Speziallist der Altsteinzeit, in Sachen Dateirung :winke:

rolfpeter

Servus,
mit der guten Erhaltung und der geringen Patinierung habe ob des hohen Alters eigentlich keine Probleme. Das Ding hat schön behütet in seinem Sandbett gelegen und ist nur mit dem Saugbagger und der Sieblinie in Verbindung gekommen.
Die Levallois-Technik kenne ich leider nicht von Artefakten aus eigener Ansicht, sondern nur von den bekannten Bildchen aus Büchern, und die sehen dem hier gezeigten Stück verdammt ähnlich. Bin mal gespannt, was Meister Khamsin zur Schlagfläche schreibt.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Grenzton

so liebe Freunde

Heute konnte ich bei mäßigem Wetter mal wieder meine Überkornhalde aufsuchen und durfte auch gleich wieder was paläoloithisches aus der Vielzahl von Geofakten ziehen.
Habe den Archäologen auch gleich wieder meinen Bericht geschickt und bin Erwartungsvoll schon ganz "rappelig".
Eine weitere Levallois-Klinge gleicher Patinierung jedoch gänzlich hässlicheren Aussehens.
Ein wenig Kleinkram und dann doch noch ein Klopfer. Dieser weißt an diversen Stellen, Teilflächen auf die wesentlich glatter sind als sonst.
Auch von dem Gesamteindruck, der Form und dem Material scheint er ideal als Klopfer verwendbar zu sein. Leider kann ich Euch das auf den Bildern nicht so schön wiedergeben.

Gruß, der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

...hier geht's weiter...!
Schade ist es das ausgerechnet die Schlagfläche von der Klinge abgetrennt ist, ich glaube aber dennoch das Ihr die Gesamterscheinung deuten könnt.
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

#12
Hallo liebe Sucherfreunde  :winke:

Heute konnte ich es nicht lassen und habe nochmal das Überkorn abgesucht, es lohnt schon da ständig neues Material kommt!
Nach nichtmal 15 Minuten zog ich meine nächste Levallois-Klinge aus dem Residu...
Ich wundere mich wie unsere indirekten Vorfahren mit ihrer Grobschlacht solch feine Klingen herstellen konnten. Die Klinge ist so flach, und nach drei schlägen war sie fertig...
Einen Riesenabschlag und eine weitere kleine Klinge, die sehr zahlreichen Abschläge will ich Euch hier ersparen.
Lt. meiner Literatur, der Aussagen der Betreiberfirma und der Archäologen soll die Fundstelle nicht selten Faustkeile liefern.
Habe da drei heiße Kandidaten gefunden, jedoch will ich mich nicht wieder blamieren, darum poste ich dieses Material hier nicht.

Gruß, der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

abbeville

hallo grenzton
gratulation !! zu diesem fantastischen geräten. bin mir sicher das du hier noch viele weitere gute stücke findest. die levalloisspitzen sind ja museumsstücke!
viele grüße abbeville

Kelten111

Jo super levalloisspitzen  :zwinker:
Da sieht man auch wieder die schöne Flügelform der abschläge :glotz:

steinsucher

Hallo Forum, hallo Grenzton,

das sind ja schon feine Sachen. Allererste Sahne. Ob nun alles Levallois-Technik ist, vermag ich auf Grund der Bilder nicht zu sagen. Das letzte hellgraue Teil scheint aber ein perfektes Beispiel dafür zu sein. Kelten111 beschreibt die Flügelform der Schlagfläche ja immer super und es passt hier.

Feinstes Mittelpaläolithikum.

Gruß, Fritz.

Grenzton

Danke für die Blumen!!!
Die Archäologen vom Amt sind auch so ziemlich aus dem Häusschen...
Auch wenn die Funde keinem exakten Befund zuzuorden sind wurde der Fundstelle eine Fundpunktnummer zugeteilt. :mail:
Ich wurde gebeten die Fundstelle wegen der längerfristigen Kontinuität in meinen "Begehungsplan" aufzunehmen.
Mit der Betreiberfirma habe ich auch schon Kontakt aufgenommen, ich hoffe das es positiv verläuft. Auf alle Fälle werde ich Euch berichten.

Gruß,  der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Kelten111

Da kommen mit sicherheit noch super Teile zum vorschein evtl mal ne kleine Schnitzerei oder so!
Zeitmäßig würde ich sagen 40000 bis 100000 v.Ch

Grenzton

Hallo Freunde.

Von den letzten Stücken habe ich jetzt bessere Bilderr für Euch.

Gruß,  der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

#19
...und von der selben paläolithischen Halde habe ich diese 3 Teile abgesammelt.
Sie sind 9, 8,5 und 4,5cm
Könnte das was faustkeilartiges sein???
Die ersten Bilder sind Geräte welcher Art auch immer, Stichel, Kratzer, Pfeilbewehrung.

Gruß,  der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

#21
Das Bild war mir vorhin etwas verrutscht, sorry

Diese beiden würde ich als discoide Faustkeile ansprechen, was ment ihr dazu?
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Silex

Da hast Du vermutlich was Bedeutendes entdeckt, Kalle!
Sehr gespannt was dabei rauskommt
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Grenzton

#23
Hey Edi,

was hälst Du denn von den Stücken?
Ich bin mal gespannt was die Fachleute vom Amt morgen dazu zu sagen haben.

Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Kelten111

#24
Hallo das Foto Fragliches 10 sieht für mich aus wie ein Fauskeilblatt!!! :glotz:
Die vermeindlich zwei discoide Faustkeile würde ich eher als Restkerne ansprechen aber sehr schöne :glotz: :staun:
Hier ein Faustkeilblatt von meinen Lieblingsacker.

Grenzton

Hallo miteinander!

Heute habe ich mal wieder meine Halde unsicher gemacht und möchte Euch gern wieder meine Funde zeigen.
Eine Levalloisspitze oder Faustkeilblatt und einen Abschlag, die beide nahezu weiß patiniert sind und beide glänzen wie poliert.
Das dritte ist eine Stielspitze aus recht rauhem Flint der über die Jahrtausende sehr glatt geworden ist.
Ich hoffe die Bilder sind ausreichend...

Gruß,  der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Kelten111


Silex

Fette Teile, Kalle.
Eine Fundstelle zum Beneiden (und umsomehr da relativ witterungsunabhängig)!!!
Ich warte auch schon sehnsüchtig auf die "Beurteilung" Deiner Funde durch die Archäologen.

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Grenzton

Hallo Edi,

Ja stimmt, habe ich doch am Dienstag mit meinem "Betreuer" von Amt telefoniert;

Natürlich kann er sich aufgrund von zweidimensionalen Bilder nicht bei allen Stücken festlegen, aber sicher ist das es sich hier eindeutig um paläolithische Klingen und Faustkeilblätter handelt, jedoch mischen sich auch Werkzeuge darunter die neolithisch anmuten.

Bei dieser Fundstelle handelt es sich um einen Lager/Siedlungsplatz der Neandertaler, die Zeitstellung steht bei 120000 bis 40000 v.Chr
Während der letzten Eiszeit war NRW Siedlungsfrei, um dann ab ca 10000 v.Chr wieder neu besiedelt zu werden, jedoch waren zu diesem Zeitpunkt die Neandertaler längst "Geschichte".
Neolithische Jäger und Siedler haben hier ebenfalls ihre Supren hinterlassen.
Aufgrund seiner besonderen Geographie was dieser Platz optimal zum besiedeln.
Moränenkiessandzug mit jede Menge Rohstoffe für die Werkzeugindustrie, zwei Flüsse die ineinander münden und immer Wasser führen, leichte Hügellandschaft und das vorhandensein von jagdbarem Wild.
Diese Fundstelle werde ich noch sehr lange aufsuchen, denn ich glaube das wird für mich "Die" Fundstelle.
In der Vergangenheit wurde vieles Publiziert, und in den nächsten Jahren wirde sicher einiges mehr auf dem Büchermarkt erscheinen.

Gruß,  der Kalle

PS: weiteren Bilder bereite ich eben vor und hänge sie hier gleich noch an!
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

arriba

Hi  :-)

Spannende Geschichte!  :super: Freue mich ebenfalls auf die Aussage deines Archäologen! Mach doch ruhig einen oder mehrere neue Threads auf, macht es übersichtlicher für den Betrachter/ Leser wenn nur ein, zwei Funde im Thread sind  :-) Ausserdem kannst du es dir bei solchen Funden leisten das Steinzeitforum zu füllen  :zwinker: Hast du ein paar Bilder von der Fundstelle - kann mir nicht  vorstellen wie es dort aussieht .....

:zwinker: Rikke