Mesolithisch winzig

Begonnen von Schuhnagel 2, 03. Mai 2025, 08:31:47

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Schuhnagel 2

In seiner Symmetrie schön, ein kleines Meisterwerk.
Spitz zulaufend zwar, aber ist es im Sinn mesolithischer Kategorien eine "Spitze"? Was mir fehlt, ist der Hinweis auf ein standardisiertes Herstellungsverfahren. Oder sehe ich das zu eng?

Viele Grüsse

Ulrich

thovalo

#1
Guten Morgen!

Tatsächlich ist das nicht mal ein sicherer Abschlag, wenn daran ein Mensch überhaupt Hand angelegt hatte, denn dafür gibt es an diesem Stück gar keinen Hinweis!

Es wird in der Archäologie des Mesolithikums in Grundformen und daraus gefertigte Geräte und Geräteeinsätze unterteilt.


Mesolithische "Spitzen" sind immer retuschiert, ja nach Typ und verwendeter Grundform, können die Retuschen unterschiedlich liegen, sind aber immer steil angelegt und so, dass sich aus der verwendeten Grundform eine Spitze ergibt. Verwendet wurden idealerweise Klingen die dann durch Retuschierung zugearbeitet wurden. Abschläge dann, wenn sie in die gewünschte Form überarbeitet werden konnten.


Was Du zeigst kann, gerade wenn es ein Oberflächenfund sein sollte, keiner menschlicher Aktitvät zugeordnet werden. Egal was da sonst noch an der Oberfläche rumgelegen hat.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Hier anhängend eine Serie von kurzen Klingen als grundlegend zur Herstellung von Mikrolithen verwendete Grundformen und eine mesolithische Dreickspitze, die unilateral, an der Basis und zusätzlich auch noch ventrlal retuschiert worden ist.

Das Material ist aus Geschiebe ausgelesener nordischischer Feuerstein und die Fundstelle liegt im Großraum Düsseldorf. Hier sind die Mikrolithen in aller Regel extrem akkurat ausgearbeitet worden, weil das der sehr feinhomogene Feuerstein ermöglicht hatte.

In Süddeutschland war das mit dem verwendeten Hornsteinmaterial oft nicht vergleichbar möglich. Dort wirken viele der mesolithischen Mikrolithen recht gestaucht/pummelig und vergleichsweise grob retuschiert.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

#3
Zitat von: thovalo in 03. Mai 2025, 10:29:33Das Material ist aus Geschiebe ausgelesener nordischischer Feuerstein und die Fundstelle liegt im Großraum Düsseldorf. Hier sind die Mikrolithen in aller Regel extrem akkurat ausgearbeitet worden, weil das der sehr feinhomogene Feuerstein ermöglicht hatte.

In Süddeutschland war das mit dem verwendeten Hornsteinmaterial oft nicht vergleichbar möglich. Dort wirken viele der mesolithischen Mikrolithen recht gestaucht/pummelig und vergleichsweise grob retuschiert.


lG Thomas
Hallo Thomas,

jetzt mach mal die mesolithische Werkzeugtradition in Süddeutschland bzw. Oberbayern nicht so madig. :-D  :winke:
Die Segmente, Klingen und Dreiecksspitzen sehen in Oberbayern vom verwendeten Material abgesehen nicht anders aus als die hier von Dir dankenswerter Weise vorgestellten Stücke.

@Ulrich
Thomas hat absolut Recht, bei deinem Eingangs vorgestellten Stück sehe ich auch keinen Hinweis auf eine menschliche Bearbeitung.

Grüße Peter


Schuhnagel 2

Hallo Thomas

Vielen Dank für die Bestätigung meiner eingangs geäusserten Vermutung bzw. Befürchtung: Trotz mesolithischen Fundorts, trotz Fremdmaterial und trotz wahrscheinlichen (nicht belegbaren) menschlichen Zutuns keine Spitze im Sinn der entsprechenden Kategorie.

Oberflächenfund halt, wie du geschrieben hast. Für August ist an der Stelle mit der grössten Funddichte eine Sondierung vorgesehen. Bin gespannt, ob im Boden geschützte Funde die Qualität des Konvoluts heben kann.

Viele Grüsse

Ulrich
 

thovalo

#5
Zitat von: Furchenhäschen in 03. Mai 2025, 13:14:42Hallo Thomas,

jetzt mach mal die mesolithische Werkzeugtradition in Süddeutschland bzw. Oberbayern nicht so madig. :-D  :winke:
Die Segmente, Klingen und Dreiecksspitzen sehen in Oberbayern vom verwendeten Material abgesehen nicht anders aus als die hier von Dir dankenswerter Weise vorgestellten Stücke.

@Ulrich
Thomas hat absolut Recht, bei deinem Eingangs vorgestellten Stück sehe ich auch keinen Hinweis auf eine menschliche Bearbeitung.

Grüße Peter




Guten Morgen Peter!

Mokrolith ist Mikrolith!


Ein Freund sucht im Süden und ich kenne auch die bildlichen fotografischen Übersichten aus der Literatur, weil ja die meisten intensiveren Arbeiten über das Mesolithium in Deutschland zuerst im Süden enstanden sind.

Es ist tatsächlich so, dass der Hornstein meist nicht die scharfe feinkantige Retuschierung ermöglicht und die Formen gestauchter sind, als das bei den näher glasartigen Feuersteinvariatäten des Nordens z.B. die vom Forggensee.

Das sind morphologische Varianten.

Die Mikrolithen, die dann ganz aus dem Norden stammen (Niedersachsen, Schleswig-Holstein usw. und Skandinavien), sind oft noch etwas großformatiger, feiner und variabler als die, die aus dem Rheinland oder aus dem Süden stammen.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: Schuhnagel 2 in 03. Mai 2025, 17:08:57Hallo Thomas

Vielen Dank für die Bestätigung meiner eingangs geäusserten Vermutung bzw. Befürchtung: Trotz mesolithischen Fundorts, trotz Fremdmaterial und trotz wahrscheinlichen (nicht belegbaren) menschlichen Zutuns keine Spitze im Sinn der entsprechenden Kategorie.

Oberflächenfund halt, wie du geschrieben hast. Für August ist an der Stelle mit der grössten Funddichte eine Sondierung vorgesehen. Bin gespannt, ob im Boden geschützte Funde die Qualität des Konvoluts heben kann.

Viele Grüsse

Ulrich
 


Guten Morgne Ulrich!

Ich bin gespannt was die Fundstelle aus dem Erdreich überliefern wird. Oft sind die Funde überraschend und erstaunlich in der dann doch guten und klaren Ausarbeitung.

Die Nutzung diverser Silexvarietäten ist insbesondere im Süden sehr hoch, weil es viele kleinere und größere Lagerstätten von Silexvorkommen gab. und gibt. Wenn eine primäre Lagerstätte nahe liegt, dominiert oft dieses Material, aber es kommen immer "Fremdmaterialien" mit vor, die dann im Verlauf der Wanderbewegungen mit sich geführt worden sind.

Es gibt im Rheinland eine Fundstelle, da hatten die Menschen des Mesolithikums eine große Knolle aus  Obourgfeuerstein (ein sehr gut zu identifizierendes MAterial ) aus der Maasregion mit sich geführt und dann bei entsprechender Gelgenheit zur Herstellung ihrer Gerätschaften zerlegt. Der größte Anteil alle bei dieser Grabung geborgenen Artefakte, einschließlich der Geräte und Geräteeinsätze, bestand dann aus den Abbauprodkten dieser einen Feuersrsteinknolle die zumindest über etwa 70 km mitgeführt worden war.

Deshalb sind Grabungsdokumentationen ja auch so wichtig, wenn sie Material erfassen, dass sich im "Bodenarchiv" unverlagert und unvermengt mit anderen Zeiten erhalten haben sollte.



lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Schuhnagel 2

#7
Interessant! Thomas, danke für deine Texte.

Bin grad beim Durchackern eines Berichts über eine der wenigen mit der Meinen vergleichbaren Fundstellen auf folgenden Abschnitt gestossen (duchackern, weil mein Französisch eingerostet ist):

(KI- Übersetzt) Die Verwendung von natürlichen ebenen Oberflächen (verwitterte Außenflächen, Bruchflächen auf der Ebene eines "chalzedonartigen" Fehlers) als Schlagfläche ist die am häufigsten verwendete Technik. Zitat aus: Mauvilly M., Braillard, L., Kramer L., 2006, Le Petit Mont, une vallée-sanctuaire préhistorique au cœur des Préalpes fribourgeoises

Das fehlen einer Schlagflächenpräparation spricht also nicht unbedingt gegen einen menschlich erzeugten Abschlag.

Viele Grüsse

Ulrich

StoneMan

Zitat von: Schuhnagel 2 in 04. Mai 2025, 14:17:24Das fehlen einer Schlagflächenpräparation spricht also nicht unbedingt gegen einen menschlich erzeugten Abschlag.

Moin Ulrich,

hat das denn jemand postuliert?

Das Fehlen von menschlichen Bearbeitungsmerkmalen, macht es uns nur sehr schwer etwas zu bestimmen.

Natürlich erleichtern Merkmale wie Schlagflächenrest, Bulbus und Retuschen die Bestimmung eines Fundobjektes,
der Einsteiger muss jedoch wissen, dass sie nicht zwingend erforderlich für ein Artefakt sind.

Letzteres darf aber nicht dazu führen, dass man grundsätzlich in allem etwas sieht - sehen will.

Fehlen Schlagflächenrest, Bulbus, Wallnerlinien müssen andere Kriterien erfüllt sein.

Mein Avatar hier links, hat weder Schlagflächenrest, Bulbus noch Wallnerlinien,
aber die Form ist ein sich wiederholendes Kriterium für die Bestimmung.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Schuhnagel 2

Zitat von: StoneMan in 04. Mai 2025, 19:52:15...

Letzteres darf aber nicht dazu führen, dass man grundsätzlich in allem etwas sieht - sehen will.
...


Gruß

Jürgen

Das tut ja niemand, oder?

Viele Grüsse

Ulrich

RockandRole

Servus,

dein ,bergfrisches' Material macht es wirklich nicht einfach. Ist der Steinschläger dort mit allen natürlichen Klüften und Störungen im Stein konfrontiert.
Weiter unten am Fluss, wo selbiger Fluss schon eine natürliche Auslese betrieben hat, viele Störungen und Klüfte schon aufgesprengt und viel mehr festes Material hinterlassen hat, da wird es wohl eher was mit mehr Schlagmerkmalen. Aber selbst dort findet man sie nicht immer.
Bei dir wiegen andere Kriterien schwerer, wie Fremdmaterial und Belegung der Fundstelle.
Trotzdem ist da nichts weiter passiert.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

StoneMan

Zitat von: Schuhnagel 2 in 04. Mai 2025, 21:30:15Das tut ja niemand, oder?

Moin Ulrich,

doch, das erlebe ich in einigen Archäologie-Foren.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Schuhnagel 2

Zitat von: RockandRole in 04. Mai 2025, 21:47:23Servus,

dein ,bergfrisches' Material macht es wirklich nicht einfach. Ist der Steinschläger dort mit allen natürlichen Klüften und Störungen im Stein konfrontiert.
Weiter unten am Fluss, wo selbiger Fluss schon eine natürliche Auslese betrieben hat, viele Störungen und Klüfte schon aufgesprengt und viel mehr festes Material hinterlassen hat, da wird es wohl eher was mit mehr Schlagmerkmalen. Aber selbst dort findet man sie nicht immer.
Bei dir wiegen andere Kriterien schwerer, wie Fremdmaterial und Belegung der Fundstelle.
Trotzdem ist da nichts weiter passiert.

Liebe Grüße Daniel

Ich war mehrmals mit Archäologen dort, die sich explizit der Erforschung des Mesolithikums im Berggebiet verschrieben und ihre Sporen längst abverdient haben. Interessanterweise machen diese immer wieder Funde, die ich übersehen habe oder die mir in Form und Material zu unscheinbar waren. Wenn diese Stücke es wert sind, aufgehoben zu werden, sind sie es auch wert, sich damit zu beschäftigen, auch wenn sie am Ende nur statistischen Wert erhalten wie der oben gezeigte Fund (wobei ich als Banause dafür meist mehr Zeit aufwende, als dem Stück angemessen scheint).

Bleibt für mich die Frage nach dem Zweck dieses Forums: Tolle Funde präsentieren und sich gegenseitig auf die Schultern klopfen oder auch ab und zu zweifelhafte Funde kontrovers diskutieren?

Viele Grüsse

Ulrich


thovalo



Moin Ulrich!


(Bleibt für mich die Frage nach dem) ....

Zweck dieses Forums: zweifelhafte Funde kontrovers diskutieren !


Du hast genau DAS als Grundgedanke Deiner Frage eingestellt und ich finde, dass hier das Forum dafür der richtige Ort ist!


Ich denke da ticken wir alle gleich!


lG und viel Erfolg

Thomas

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.