mesolithisches Langbeil ?

Begonnen von Dagda, 25. November 2008, 00:42:05

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Dagda

Hallo Steinis,

so quasi als Einstand möchte ich ein bisher nicht eindeutig zugeordnetes Steinbeil zeigen, dass ich vor einiger Zeit an einem Altwasserarm des Neckars im nördlichen Oberrheingraben gefunden habe.

Das Beil hat die Abmessungen:
L = 21cm, Schneidenbreite 6,5 cm, Nackenbreite 5,6 cm. Der Beilkörper ist flachoval und um 3cm dick.

Der Nacken trägt eine schräge Fläche, die wie gesägt erscheint, jedoch eher als glatter Bruch dem Gefüge des Gesteins folgt. Die Schneide selbst ist als asymmetrisch anzusehen (Dechsel). Die Länge des Beiles ist durchaus für den Bootsbau (Einbaum) geeignet.

Die Schneide ist nur einseitig angeschliffen. Das Material besteht aus dem hier in großen Fladen vorkommenden Amphibolith.

Lutz Fidler hat das Teil seinerzeit nicht spontan als frühneolithisch angesprochen und eher zu Mesolithikum tendiert. Leider wurde das Beil bis heute keiner weitern Beurteilung mehr unterworfen. In etwa 1,5 km konnte ich einen mesolithischen Lagerplatz entdecken, der über den ganzen Klutrurzeitraum auf einer Binnenlanddüne bestanden hat. Ein Verbindung ist somit durchaus gegeben. Das es sich bei dem Beil um einen Verlustfund handelt ist denkbar.

Freuen würde ich mich, wenn über die Diskussion eine Zeitstellung möglich ist. Das Berührunspunkte zur frühen LBK bestanden haben, ist aus der Überschneidung der Siedlungsräume anzunehmen.


rolfpeter

Servus Dagda,

ich vermute, es handelt sich bei Deinem Fund um eine stark verwitterte Dechselklinge bandkeramischer Zeitstellung. Ich kenne zwar euer Mesolithikum nicht, bei uns sind mir aber keine geschliffenen Dechselklingen aus dem Mesolithikum bekannt. Ich habe ein Fundstelle im feuchten Umfeld eines Baches, da kommen sowohl bestens erhaltene, als auch grauslich verwitterte Amphibolit-Dechsel in direkter Nachbarschaft vor. Der ansonsten sehr widerstandsfähige AHS-Schiefer scheint mit bestimmten chemischen Verhältnissen überhaupt nicht gut zurecht zu kommen. Hier sind 2 Klingen, die in direkter Nachbarschaft lagen:





Genau so wenig wie ich euer Mesolithikum kenne, weiß ich etwas über die LBK am Oberrhein. Neuere Untersuchungen für Hessen und das Rheinland haben aber ergeben, daß die Herkunft des Amphibolits im Alt- und Mittelneolithikum fast ausschließlich im Isergebirge zu suchen ist.
B. Ramminger hat 2007 eine Dissertation zu diesem Thema geschrieben. (Die Dame scheint in Ihrem Fach gut zu sein, ist sie doch erst 2007 promoviert worden, hat sie jetzt schon eine Juniorprofessur!) Hier ist mal ein Link der besonderen Art: zu einem Podkast von Britta Rammiger, wo sie das Studienfach Archäologie - interessierten Studienanfängern vorstellt. Irgendwo weiter hinten, bei 40+ Minuten geht sie detailliert auf das Thema Amphibolit ein. Hört es euch mal an, ist wirklich gut.

http://www.podcampus.de/node/952

Ein weiterer Link führt zur Dissertation von Nicole Kegler-Graiewski: "Beile - Äxte - Mahlsteine. Zur Rohmaterialversorgung im Jung- und Spätneolithikum Nordhessens". Hört sich zwar sehr lokal und Jungneolithisch an, ist aber  empfehlenswert, auch für LBK und auch für Gebiete außerhalb Nordhessens.

http://kups.ub.uni-koeln.de/volltexte/2007/2160/index.html

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Dagda

Hallo Rolf Peter,

vielen Dank für die vielen Querverweise und Links, sowie Deine persönliche Einschätzung.

Wie ich schon erwähnte, gab es in dem Fundbereich sicherlich Annäherung zwischen den seßhaft gewordenen Mesolithikern und den ankommenden landwirtschaftlich orientierten Gruppen.

Die von Dir gezeigten Beilklingen und auch die erwähnten, recht unananschaulich verwitterten handlichen Dechsel, finde ich auch im Oberrheingraben. Das Rohmaterial, hier meist Amphibolith, ist im ca. 5km entfrenten (kristallinen) Odenwald zu finden. Ebenso wie ein dunkelbrauner bis rötlicher gut spaltbarer Quarzit, der sowohl auf dem mesolithischem Fundplatz als Hackmesser (und Meisel ?), als auch in den jungsteinzeitlcihen Siedlungszonen auftaucht.

Bei dem von mir gefundenen Langbeil besteht noch eine Besonderheit gegenüber den rundum berabeiteten und aufwendig geschliffenen (formschönen) Beilen der LBK. Das Beil zeigt noch Spuren von der groben Zurichtung mit einem etwa 2cm breiten Meisel und beschränkt sich mehr auf eine Minimalbearbeitungstechnik, was sich dann auch beim Schliff der Klinge zeigt.

Sicherlich wird auch ein Jungsteinzeitler irgendwann mal sein erstes Steinbeil angefertigt haben, was dann so ähnlich ausgesehen haben könnte.

Deine Hinweise schau ich mir erst mal in Ruhe an. Vielleicht hat noch Jemand eine Idee oder Vergleichsstück zu dem Fundstück, wobei ich sagen muß, dass ich mich selbst auch noch nicht fetgelegt habe.