Mehrzweckgerät?

Begonnen von arriba, 19. März 2008, 22:59:03

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

arriba

Den hier fand ich heute Morgen am "nicht mehr vorhandenen Bach"  :zwinker:
Passt der überhaupt zu den mesolitischen Funden?

arriba


arriba

....und das hier noch...

Offa

Hallo arriba,
ich denke ein Bohrer ist das allemal,und die konkave Schaberretusche hat sicherlich auch einen schabenden oder glättenden Zweck gehabt.

:winke:Offa

steinsucher

Hallo Arriba, hallo Forum,

ein Bohrer? Ja, sieht so aus. Allerdings die knackige Bucht ist wohl etwas jünger. Ich habe mir mal zwei Deiner Bilder näher angesehen. Wenn man genau hinsieht, ist die Farbe in dieser Bucht viel heller als die der Oberfläche der Bohrerspitze. Auch die Kante der Bucht zeigt kleine Spitzen und Brüche und keine gleichmäßigen Arbeitsretuschen. Deshalb denke ich, das die Kante während der Gebrauchszeit etwa entlang der grünen Linie (auf den Bildern unten) verlief. Irgendwann in jüngerer Zeit hat das Teil dann einen ungewollten Schlag mitbekommen.

Allerdings basiert all das auf den Bildern. Ich weiß auch nicht, ob das Teil aus ungestörter Fundlage oder von einem Acker stammt.

"Gut Stein",

Fritz.

rolfpeter

Servus Freunde,
ich stimme Dir zu Fritz, die "Bucht" ist eine rezente Pflugmacke. Einen Bohrer mag ich aber nicht erkennen. Wenn es sich rechts außen um eine Schlagfläche handeln sollte, mit Bulbus und Schlagnarben, dann ginge es bei mir vielleicht als Abschlag durch. Wenn es am Fundort allerdings viel Flint gibt, ähnlich wie im Norddeutschen Tiefland (Lüneburger Heide z.B.) dann hätte ich es als Moränenquetschling behandelt und nicht aufgesammelt. Ich bin mal in der Heide über einen Acker gelaufen, da waren die Frostscherben, die dann noch einen 2. oder 3. Schlag abbekommen hatten so zahlreich, ich kam aus dem Bücken und wegschmeißen gar nicht mehr raus.
Wenn der Fundort "feuersteinfrei" wäre, dann sieht es natürlich anders aus.
Herzliche Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

arriba

#6
Hallo

Ich bin zwar die letzte die behaupten soll es wären "echte" retouschen.... :zwinker:
Aber es gibt hier an vielen Stellen, in etwa 1-2 Meter tiefe, Sande die Eisen enthalten, und ich glaube das es nicht unbedingt was "neues" ist weil da farbunterschiede sind - korrigiere mich wenn ich auf dem Holzweg bin..... Hier mal einige Ex.
Auf dem letzten Bild, der Stein ganz rechts.
Ich denke diese Sande sind noch von der Saale-eiszeit - aber ich weiss es überhaupt nicht :zwinker:
Meine Funde stammen alle von verarbeiteten Feldern.



- Diese Felder sind eigentlich relativ Steinarm, aber ca. 150 Meter weiter oben gibts Flint ohne Ende :platt: (andere seite vom Bach)

Offa

Hmm  :kopfkratz: ich frage mich,wenn es eine rezente Pflugmarke sein soll,wieso ist dann keine glatte Bruchkante entstanden,sondern diese unebene zerüttete Bruchkante?Könnte das nicht auch Gebrauchsspuren sein,wie man sie auch an den sog Pfeilschaftglättern oder Speerschaftglättern her kennt?Ich habe ja auch einige davon,und bei einigen kann man gezielte Retuschen noch erkennen,bei anderen die wohl länger in Gebrauch waren sind diese völlig abgenutzt,und das Arbeitsgebiet sieht ähnlich zerüttet aus.
Auch habe ich zwei Spitzgeräte/Bohrer die aus altpatinierten Frosttrümmern entstanden sind,und die Retuschen an diesen Bohrern wirken durchaus frisch.
Aber es ist schon so wie Fritz sagt,es ist schwer dies anhand von Bildern zu beurteilen.Formmäßig würde das Teil schon zu den Bohrern passen,die ich hier finde.

:winke:Offa

rolfpeter

Zitat von: Offa in 20. März 2008, 16:02:55
Hmm  :kopfkratz: ich frage mich,wenn es eine rezente Pflugmarke sein soll,wieso ist dann keine glatte Bruchkante entstanden,sondern diese unebene zerüttete Bruchkante?Könnte das nicht auch Gebrauchsspuren sein,wie man sie auch an den sog Pfeilschaftglättern oder Speerschaftglättern her kennt?Ich habe ja auch einige davon,und bei einigen kann man gezielte Retuschen noch erkennen,bei anderen die wohl länger in Gebrauch waren sind diese völlig abgenutzt,und das Arbeitsgebiet sieht ähnlich zerüttet aus.

Genau so wie auf dem Bild sehen Macken aus, die von einem Pflug produziert wurden. Ich bin mal so frech und behaupte außerdem, daß ein Großteil der hier im Forum gezeigten Pfeilschaftglätter gar keine sind. Wenn der Pflug eine Klinge erwischt, dann bricht das Teil glatt durch, da gebe ich Dir recht. Aber wenn ein kompakter Abschlag getroffen wird , dann entstehen diese zerrütteten Rundkerben.
Hier habe ich grade mal eine Frostscherbe aus der Klamottenkiste geholt und bin flott in den Garten, das Dings in die Erde gesteckt und mit der Axt feste auf eine Kante gehauen. 
Vorher:


Nachher:


Herzliche Grüße
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger


Wie schwer es mir auch fällt, muss ich dich hier widersprechen, RP !!  :engel:

Trotz der marginalen Farbunterschiede, sehe ich hier ganz klar einen Pfeilschaftglätter !!
Diese Farbunterschiede sind, nach meiner (nordischen) Erfahrung KEIN Indiz ein Stück gleich als Nicht-Gerät zu kathegorisiern.
Patinierungen können in verschiedenen Umgebungen verschieden zum Ausdruck kommen.

Wenn man genau hinschaut, und mit deinem geposteten Beispiel vergleicht, sieht man dass bei dem Stück von Arriba eine bewusste Ausretuschierung gemacht wurde.
Eine so tiefe "Pflugretusche" wäre auch unwahrscheinlich bei der schmalen Spitze, da wäre gleich die ganze Spitze abgebrochen.
Auf deinem Stück sind die Abprallungen spitz und unregelmässig. Bei Arribas in Serie und klar in Halbkreisform gemacht. Man sieht auch unten klare Spuren von Abnutzung. :belehr:

Bohrer kommt also nicht in Frage.
Pfeilschaftglätter ist aber mehr als wahrscheinlich, die gegenüberliegende Retuschen sprechen auch dafür, als Schutz der Handfläche bzw. der Finger, wenn man damit arbeitet.

:winke:

Khamsin

Moin!

Völlig unabhängig davon, ob das ein Artefakt ist oder nicht, was mich irritiert, ist die unbekümmernte Verwendung des feststehenden Begriffes "Pfeilschaftglätter".

Es gibt ein wohldefiniertes Gerät mesolithisch-neolithischer Zeitstellung, das diesen Namen trägt, aus Plausibilitätsgründen sehr wahrscheinlich zu Recht. Das sind handliche langschmale Objekte aus Sandstein mit einer glatten Seite, die anderen Seiten sind meist gewölbt. Auf der glatten Seite ist mittig in Längsrichtung und über die gesamte Länge verlaufend eine Rille mit halbrundem Querschnitt gepickt.

Da es bei der angenommenen Funktion keinen Sinn macht, ein solches Stück einzeln zu benutzen, gehen die Archäologen davon aus, dass baugleiche Stücke immer paarweise verwendet worden sind. Bemerkenswerterweise besitzt die so entstandene Röhre einen Durchmesser von 8-10 mm und entspricht damit dem geläufigen Querschnitt/Dicke prähistorischer und übrigens auch moderner Pfeilschäfte.

Der Pfeilschaft wurde in eine Halbrille eingelegt, das zweite Stück passgleich aufgelegt und der nun erst funktionsfähige Pfeilschaftglätter (die meisten Einzelfunde sind tatsächlich nur "halbe Pfeilschaftglätter"!!!)  in einer Hand gehalten, der eingeklemmte Pfeilschaft in der anderen. Letzterer kann dann durch die nun vollrunde Rille hin- und hergeschoben werden, und die Oberfläche wird gegelättet. Wer das schon mal mit einem nachbebildeten Pfeilschaftglätter gemacht hat, wird mir zustimmen.

Allerdings, eines ist ja klar: kein Archäologe hat das jemals gesehen, so dass die Funktion und die daraus resultierende Namengebung natürlich rein hypothetisch sind. Wie aber bereits bemerkt, legt der Plausibilitätsschluss diese funktionale Zuordnung in Form einer Wahrscheinlichkeitsaussage sehr nahe.

Vor diesem Hintergrund käme niemand auf die Idee mesolithschen oder neolithischen Klingen oder Abschlägen, die aus welchen Gründen auch immer Buchten aufweisen, eine Funktion als Pfeilschaftglätter zuzuweisen. Warum, na, weil es dafür eben "richtige" Pfeilschaftglätter gibt.

Übrigens spricht es auch Bände, dass im Kanon der wohldefinierten Aretefakttypen aus Flint, jedenfalls aus der LBK, dem Mittelneolithikum und Jungneolithikum, nicht ein einziger Gerätetyp bekannt ist, dessen Hauptmerkmal eine Bucht ist! Nun völlig mentalverquirlte Typologiefreaks würden auch z.B. neolithische Buchten in ihr Schema aufnehmen.
Damit wir uns aber richtig verstehen: Es gibt im Paläolithikum, vor allem älterer Zeitstellung, Artefakte mit intentionell angelegten Buchten, die man dann auch interpretieren muss.

Hier schliesst sich übrigens der Kreis, denn es erscheint mir schon bemerkenswert, dass mehr oder weniger halbrunde Buchten nahezu magisch zur Annahme verleiten, man habe damit im Querschnitt runde Holzobjekte bearbeitet. Sind es im Meso- und Neolithikum die Pfeilschäfte, so sind es im Altpaläolithikum die Lanzen- und Speerschäfte, z.B. die Speere aus Schöningen (da gibt es irgendwo in der Literatur ein Bild von einem gebuchteten Flintgerät ...).

Dass man mit diesem Buchten auch zahlreiche andere Tätigkeiten ausüben könnte, darauf ist noch keiner der Spezis gekommen.

Wer aber schon einmal die Oberfläche von Holzobjekten mit Steinartefakten geglättet hat, wird mir zustimmen, dass sich z.B. die Bauchseiten von Bogenstäben mit hervorragendem Ergebnis mit den geraden Kanten händisch geführter Klingen oder Abschläge (auch Bruchstücken) bearbeiten lassen. Und wenn ich z.B. Pfeilschäfte bearbeite, dann entrinde ich die abgelagerten Schösslinge (Hasel, vor allem aber viburnum) mit Hilfe eines Abschlages oder eines Klingenbruchstückes.
Bei der endgültigen Überarbeitund der Schäfte kommt der von mir vor vielen Jahren angefertigte Pfeilschaftglätter aus einem Sandsteingeröll kaum noch zum Einsatz; er wird schon lange durch Schleifpapier ersetzt.

Aber wieder zurück zu den notorischen Buchten. Für eindeutig intentionell Angelegte gilt dasselbe, wie schon für die paläolithischen Exemplare Gesagte: Wo steht, dass man damit nicht auch ganz andere Tätigkeiten ausgeübt hat oder, mit anderen Worten, was verleitet Menschen nachgerade zwanghaft dazu, mit den Buchten eine Funktion als Pfeilschaftglätter in Verbindung zu verbinden?

Im besten Sinne des Wortes unglaubwürdig wird es in den Fällen, in denen die artifizielle Natur solcher Buchten zu hinterfragen ist bzw. Buchten an "Klamotten" auftreten, deren Oberflächen anders patiniert sind als ihre Umgebung.

Und schliesslich spricht noch folgender Grund gegen Pfeilschaftglätter in Form von Buchten: Die Herstellung der Bogenwaffe ist ein seriöses Geschäft, bei dem es viel zu berücksichtigen gilt. Dies erst Recht zu einer Zeit, in der das Überleben davon abhängen konnte. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass es sich bei den wichtigeren zur Herstellung von Bogen und Pfeil benötigten Werkzeugen nicht um "ad hoc"-Geräte handelt, also solche, die man aus gerade mehr oder weniger zufällig vorhandenem Material irgendeiner zufälligen Form hergestellt hat. Und zu diesen wichtigen Geräten darf man wohl die echten Pfeilschaftglätter zählen! Das schliesst die fallweise Verwendung von "ad hoc"-Geräten, etwa Klingenbruchstücken etc. nicht aus.
Dafür spricht überdies auch, dass Pfeile Verbrauchsmaterial sind und man deshalb immer wieder welche herstellen musste, was man am sinnvollsten mit schon in der Vergangenheit bewährten Werkzeugen machte.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

tozi

hallo,

ich würde mal sagen dass das ein frügeschichtlicher dosenöffner ist (vgl. bild)
das mit dem pfeil gekennzeichnete teil ist wohl im laufe der jahrhunderte entweder abgenutzt oder abgebrochen.... grins
frohe ostern.
gruß tom