Lousberg(?)messer, Valkenburgklinge und sichelförmiges Artefakt

Begonnen von thovalo, 16. Mai 2010, 14:13:51

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thovalo

 :winke:

Von einem Fundplatz hier unmittelbar vor der "Haustüre" liegt und den ich wohl deshalb Jahrelang nicht mehr begangen habe, weil das "Ferne" spannender erschien, stammt ein Neufund, der zusammen mit zwei älteren Fundbelegen nun langsam zu einem bemerkenswerten kleinen Fundensembel wird.

Grund sind die verwendten Rohgesteine Lousberg - (?) und Valkenburgfeuerstein, die sich bislang fast ausschließlich als Materialien für Beilklingen dokuentiert finden.

Bereits vorhanden waren ein Klingenfragment aus "Valkenburgsilex" mit einer gestumpfter Lateralretusche gegenüber einem schneidenden Kantenverlauf (Länge: noch 4.2 cm) und ein "sichelförmig" gebogener Abschlag mit gleichförmig retuschiertem Innenbogen (Länge: 7.4 cm).

Der Neufund von Gestern ist als Grundform ein großer, hart geschlagener Abschlag aus Lousbergfeuerstein (?), bei dem es sich ausdrücklich nicht um das Fragment einer zerlegten Beilklinge handelt (Maße: 7.8 x 5.3 cm). Im Bereich der Schlagfläche ist zudem das Schalgnegativ eines zuvor bereits vom "Kern" gelösten Abschlags zu beobachten. Das qualitätsvolle Material kann durch den umfangreichen Abgleich mit Originalfundbelege vom Lousberg gut dieser Silexvarietät zugeordnet werden. (Es bleibt aber ein Stück "Restunsicherheit". Vergleiche mit dunkel gefärbten "Schotterfeuerstein" sollen noch folgen um einen sicheren Ausschluss zu ermöglichen)

Als "Artefakttyp" handelt es sich um ein charakteristisches spät- bis endneolithisches "Schneidewerkzeug", wie es allerdings, aufgrund des enormen Forschungsdefizits im Rheinland, insbesondere im Bereich von Süddeutschen und französischen Feuchtbodensiedlungen in großer Stückzahl nachgewiesen werden kann. Bemerkenswert ist an diesem Fundbeleg eine steil angelegte "Stumpfungsretusche" entlang der breiten Distalpartie des Abschlags, die ursprünglich scharf schneidend ausgelaufen ist. Durch die Retuschierung sollte möglicherweise die verletzungsfreie Handhabung gewährleistet werden. Die steile und fein ausgeührte Stumpfungsretusche wurde auch an der als Medialfragment erhaltenen Klinge aus Valkenburgsilex ausgeführt.

Die Klinge aus Valkenburgfeuerstein und der überraschend großformatige Abschlag aus möglichem Lousbergfeuerstein von einem gemeinsamen Fundplatz bilden, dazu noch so erstaunlich weit entfernt von den primären Lagerstättten in den Niederlanden und bei Aachen, rechts (!) des Rheinlaufs, weitaus mehr als nur eine "Besonderheit". Dies würde auch für einen Import von hier sonst kaum bekannten "Massschotterfeuerstein" zutreffen.

Das im Innenbogen und auch auf der Gegenseite lateral zur Spitze hin durchretuschierte "sichelförmig" gebogene dritte Artefakt weist analoge Merkmale zu einem hier bereits vorgestellten "sichelförmig" gebogenen Artefakt mit vergleichbar retuschiertem Innenbogen und plan überschiffener Dorsalfläche von einem komplex strukturierten neolithischen Großfundareal auf.

LG   :winke:

Bild 1: Aufsicht des Neufundes dorsal

Bild 2: Aufsicht des Neufundes ventral

Bild3: Ansicht des kräftig ausgeprägten Bulbus, der auf einen "harten" direkten Schlag hindeutet

Bild 4: Schlagfläche und Negativ eines vorangegangenen Abschlags

Bild 5: Schneidenpartie

Bild 6: Stumpfungsretusche der Distalpartie

Bilder 7-8: Vergleich des Neufundes (rechts) mit einem Abschlag vom Lousbergplateau in Aachen

Bilder 9-10: Vergleich des Neufundes (rechts) mit einem Kernstein vom Lousbergplateau in Aachen
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#1
Weitere Bilder und nähere Detailansichten (Nummerierung in der Reihenfolge der eingestellten Bilder)


Bilder 1-2: weitere Ansichten der Abschläge. Der Neufund rechts, der kleinere Vergleichsbeleg vom Lousberg links

Bild 3: Auflage des am rechten Niederrhein neu gefundenen Abschlaggerätes auf einen Kernstein vom Lousberg bei Aachen, der ein entsprechend kräftiges Negativ von einem gleichfalls sehr großen  Abschlag aufweist

Bild 4: noch einmal Kernstein vom Lousberg und neu gefundenes Artefakt

Bilder 5-6: Medialfragment einer Klinge aus Valkenburgfeuerstein und "sichelförmig" gebogenes Artefakt mit retuschiertem Inenbogen

Bild 7: die drei Artefakte vom Fundplatz

Bild 8: Gegenüberstellung der beiden "sichelförmig" gebogenen Artefakte mit retuschiertem Innenbogen

Bild 9: retuschierter Innenbogen des mit dem Lousbergartefakt zusammen gehörigen "sichelförmigen" Abschlags

Bild 10: Ansicht des stumpf retuschierten Kantenverlaufs am Medialfragment der Klinge aus Valkenburgfeuerstein
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

rolfpeter

Servus,

ja, Valkenburger Flint wurde nur selten zu Klingen verarbeitet, das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. Ich habe in meiner Sammlung nur 9 Stücke, davon aber sogar eine Spitzklinge. Siehe Anhang1.

Beim Lousberg-Flint wäre ich skeptisch. Mir kommt das Material fast so vor wie ein feuchtbodenpatinierter Flint. Wenn die Fotos nicht täuschen, sind die rezenten Macken ja auch irgendwie anders gefärbt - gräulich. Anhang 2 und 3.
Wenn's doch Lousberg sein sollte, dann habe ich auf dem 4. Bild einen ähnlichen Abschlag, das ist Lousberg!

Das Sicheldings erinnert ja stark an de geschliffenen Fischbearbeiter. Das eine Ende könnte aber auch als Bohrer gedient haben?

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

#4
Da sind wir "daccor"!

Bei einem Bohrerende würde ich, wie Du wohl auch, zumindest ein ventrales Negativ erwarten, das hier allerdings fehlt und dafür wäre die feine Retuschierung des Innenbogens auch ohne Sinn gewesen!   :glotz:

Feuchtbodenpatinia: ja,wäre auch möglich, aber das ist selbst im Vergleich Original LOUSBERG und Original Bodenfund "von Gestern" nicht so eindeutig klar zu unterscheiden. Am Fundort ist Raseneisenerz abgebaut worden. Vielleicht sind Eisenminerale wirklich progressiv mit ein- und durchpatiniert!

Es bliebe dann bei "feuchtbodenpatinierten" Rijkholt- oder Maasschotterfeuerstein, der hier auch nur sehr selten anzutreffen ist!


Das gebogen retuschierte Silexteil steht dem einige Zeit zuvor vorgestellen Artefakt wirklich nahe.... und .... wäre ggf. der zweite Beleg für diesen ungewöhnlichen "Typus". "Analoge Form" finde ich bislang noch am sichersten formuliert!  :zwinker:

Dass an dem Platz über Jahre hinweg nur so wenige, dann allerdings markante Artefakte "durchsickern", würde ich fast schon als spätneolithischen "Klassiker" ansehen.....  wenige Artefakte aus wenigen Befunden.... das passt gut in das bisherige Bild.... des späten Neolithikums im Rheinland...!

Doch bleibt der Zeitrahmen bis zur Bronzezeit ohne Vorbehalt offen......... !
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.