3 frühmesolith. Kratzer"typen"

Begonnen von Furchenhäschen, 25. Mai 2020, 12:01:45

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Furchenhäschen

Servus miteinander,

diese 3 vorgestellten Kratzer der letzten Feldbegehung stehen im völligen Gegensatz zu den in feinster Technik hergestellten Mikrolithen
des Spätpaläolithikums bzw. Frühmesolithikum.
Anscheinend wurde bei der Werkzeugherstellung bisweilen sehr pragmatisch gedacht und gehandelt, gleichwohl hätte die ausgefeilte und zweifelsohne vorhandene Bearbeitungstechnik auch formell anspruchsvollere Kratzer zugelassen.
Ein Kratzer wurde aus dem Trümmerstück eines Juraplattenhornstein, vermutl. Jurahornstein Schernfelder Forst hergestellt, der nächste aus Jurahornstein unbekannter Varietät sowie
der letzte aus einem rötlichbraunpatinierten Jurahornstein

Anbei ein Link der einen Teileinblick in unterschiedl. Jurahornsteinvarietäten gewährt.
https://www.uf.phil.fau.de/abteilungen/sammlung/lithothek/plattenhornstein-der-suedoestlichen-frankenalb-2/

Grüße
Peter

thovalo


Hallo Peter!

Wie so oft war augenscheinlich die reine Fenktion wichtiger als das Design!


lG Thomas  :winke:


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Hallo Peter,

bis auf das 2. Exemplar sehen die doch recht ordentlich aus.  :super:

Erstaunlich ist für mich, dass die Formen über Jahrtausende beibehalten werden, auch über Regionen hinaus, einfach deshalb, weil sie so zweckmäig sind.

Der erste Kratzer sieht wie die Miniatur eines nordischen Löffelschabers aus dem ausgehenden Neolithikum/ Bronzezeit.

Das letzte Stück erinnert mich an einen kleinen MP-Bogenschaber.

Für mich übrigens ist es immer noch nicht ganz klar, wann ein Stück als Kratzer und wann als Schaber bezeichnet wird. Ich weiß, dazu gibt es auch hier im Forum schon heiße Diskussionen, aber so richtig klar ist mir der Unterschied nicht. Schaber = MP und Kratzer = JP, Meso- und Neolithikum?  :kopfkratz: Gerade bei den Stücken mit Lateralretuschen komme ich ins Schwimmen.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

Zitat von: Danske in 25. Mai 2020, 14:41:35
Hallo Peter,

bis auf das 2. Exemplar sehen die doch recht ordentlich aus.  :super:

Erstaunlich ist für mich, dass die Formen über Jahrtausende beibehalten werden, auch über Regionen hinaus, einfach deshalb, weil sie so zweckmäig sind.

Der erste Kratzer sieht wie die Miniatur eines nordischen Löffelschabers aus dem ausgehenden Neolithikum/ Bronzezeit.

Das letzte Stück erinnert mich an einen kleinen MP-Bogenschaber.

Für mich übrigens ist es immer noch nicht ganz klar, wann ein Stück als Kratzer und wann als Schaber bezeichnet wird. Ich weiß, dazu gibt es auch hier im Forum schon heiße Diskussionen, aber so richtig klar ist mir der Unterschied nicht. Schaber = MP und Kratzer = JP, Meso- und Neolithikum?  :kopfkratz: Gerade bei den Stücken mit Lateralretuschen komme ich ins Schwimmen.

LG
Holger

Hallo Holger,

im Floss definiert Richter einen Schaber wie folgt:

Als Schaber werden Abschläge oder Klingen mit mindestens einer kontinuierlich retuschierten Arbeitskante bezeichnet. Die Retuschierung ist halbsteil, bildet eine lineare, regelmäßige Kanten-Kontur und sorgt damit für eine stabile, schneidende Arbeitskante. Die Arbeitskante kann an der lateralen oder an der terminalen Partie der Grundform angelegt sein.


Claus-Joachim Kind definiert einen Kratzer wie folgt:

Ein Kratzer ist ein Steingerät, dessen Kennzeichen eine gebogene, konvexe Modifikation an einer Schmalseite der Grundform ist.
Dies unterscheidet ihn von einem Schaber dessen Zurichtung an der Längsseite der Grundform erfolgt.

Kurz und bündig erklärt, ein Kratzer hat mit einem Schaber im Gebrauch und der Herstellung relativ wenig gemein.


Deswegen haben Schaber und Kratzer auch grundsätzlich unterschiedliche Gebrauchsfunktionen!

Grüße
Peter

RockandRole

Hallo Peter,

ich finde die mesolithischen Kratzer auch meist eher funktional. Aber was hat es auch mehr gebraucht? So fetischistisch die frühen Mesolithiker vermutlich mit ihren farbenfrohen Rohmaterialien waren, so pragmatisch ging es in der Kratzerherstellung zugange.  :zwinker:

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Danske

Zitat von: Furchenhäschen in 25. Mai 2020, 15:43:59
Hallo Holger,

im Floss definiert Richter einen Schaber wie folgt:

Als Schaber werden Abschläge oder Klingen mit mindestens einer kontinuierlich retuschierten Arbeitskante bezeichnet. Die Retuschierung ist halbsteil, bildet eine lineare, regelmäßige Kanten-Kontur und sorgt damit für eine stabile, schneidende Arbeitskante. Die Arbeitskante kann an der lateralen oder an der terminalen Partie der Grundform angelegt sein.


Claus-Joachim Kind definiert einen Kratzer wie folgt:

Ein Kratzer ist ein Steingerät, dessen Kennzeichen eine gebogene, konvexe Modifikation an einer Schmalseite der Grundform ist.
Dies unterscheidet ihn von einem Schaber dessen Zurichtung an der Längsseite der Grundform erfolgt.

Kurz und bündig erklärt, ein Kratzer hat mit einem Schaber im Gebrauch und der Herstellung relativ wenig gemein.


Deswegen haben Schaber und Kratzer auch grundsätzlich unterschiedliche Gebrauchsfunktionen!

Grüße
Peter


Hallo Peter,

danke für die Erläuterungen und Hinweise in der Fachliteratur.

So ganz klar ist mir das aber immer nocht nicht, zumal ich in den beiden zitierten Definitionen einen Widerspruch erkenne.

Floss: Schaber: Arbeitskante an der lateralen oder an der terminalen Partie , also auch an der Schmalseite??

Kind: Kratzer: Modifikation an der Schmalseite der Grundform, während Schaber immer an der Längsseite modifiziert sind.

Lutz Fiedler nennt Kratzer mit Retuschen an der Seite oder am Ende.

Irgendwie verwirrend. Die Dänen haben's diesbezüglich richtig gemacht, ein Begriff für beides.

LG
Holger

Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

Zitat von: Danske in 25. Mai 2020, 19:56:14
Hallo Peter,

danke für die Erläuterungen und Hinweise in der Fachliteratur.

So ganz klar ist mir das aber immer nocht nicht, zumal ich in den beiden zitierten Definitionen einen Widerspruch erkenne.

Floss: Schaber: Arbeitskante an der lateralen oder an der terminalen Partie , also auch an der Schmalseite??

Kind: Kratzer: Modifikation an der Schmalseite der Grundform, während Schaber immer an der Längsseite modifiziert sind.

Lutz Fiedler nennt Kratzer mit Retuschen an der Seite oder am Ende.

Irgendwie verwirrend. Die Dänen haben's diesbezüglich richtig gemacht, ein Begriff für beides.

LG
Holger


Hallo Holger,

das halte ich für grundsätzlich falsch, die Funktionen eines Schabers sind doch andere als die eines Kratzers!

Grüße
Peter


Furchenhäschen

#7
Hallo Holger,

hier ist nochmal die genaue Definition Schaber die Richter im Floss zusammengefasst niederschrieb, ganz gut die folgende Seite

https://books.google.de/books?id=5fR3DwAAQBAJ&pg=PT208&dq=terminalen+Partie+der+Grundform&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjMq-Xz38_pAhUGXsAKHYizCL0Q6AEIJzAA#v=onepage&q=terminalen%20Partie%20der%20Grundform&f=false

zur Funktion eines Schabers:
Funktion der Schaber
Gebrauchsspurenanalysen haben gezeigt, dass das Schneiden und Schaben von Haut, Fell und Holz die vorrangige Nutzungsart der Schaber war. Insgesamt sind sie jedoch multifunktionale Werkzeuge, an denen eine Vielzahl anderer Verwendungen nachgewiesen ist. M. Kay fand an Schabern aus Staroselje Spuren vom Schaben, Schneiden, Kratzen, Dechseln, Meißeln, Bohren (Kay 1999). Fast die Hälfte der untersuchten Schaber war offenbar geschäftet.


Grüße
Peter

hargo

#8
@Holger

Für neolithische Artefakte im Norden wird empfohlen die Unterscheidung zwischen Kratzer und Schaber nicht mehr vorzunehmen.
Nach meinem Verständnis sind Schaber grundsätzlich dem Paläolithikum vorbehalten.

Siehe pdf unter -->
http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jna/article/view/94

-Kratzer, Schaber und ähnlich retuschierte Geräte-


mfg

Furchenhäschen

#9
Zitat von: hargo in 26. Mai 2020, 00:43:49
@Holger

Für neolithische Artefakte im Norden[/color] wird empfohlen die Unterscheidung zwischen Kratzer und Schaber nicht mehr vorzunehmen.
Nach meinem Verständnis sind Schaber grundsätzlich dem Paläolithikum vorbehalten.

Siehe pdf unter -->
http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jna/article/view/94

-Kratzer, Schaber und ähnlich retuschierte Geräte-


mfg

@ Hargo
na ja das ist zumindest sehr diskussionswürdig,
denn Richter schreibt im Floss, Schaber kommen vom Altpaläolithikum bis ins Neolithikum vor!

Für mich ist ausschlaggebend wie die Artefakte im Floss definiert werden.
Sie werden ja auch nicht vermengt sondern von Kind und Richter getrennt definiert und beschrieben.

Der Floss trennt Kratzer und Schaber, beide Werkzeugtypen kann man nicht vermengen, allerdings nicht unproblematisch.
Kind definiert den Schaber/Kratzer im Floss sehr gut und spricht davon das eine Unterscheidung von Kratzern und Schabern manchmal problematisch sei
da sie ausschliesslich von der Definition der Längs- bzw. Schmalseite einer Grundform abhängt.Ebenso ist die Grenze zwischen Kratzern und endretuschierten Artefakten fliessend.
Zumeist greift die konfexe Modifikation bei den Kratzern als Kratzerkappe weiter auf die Fläche des Artefakts als bei Endretuschierten,
aber es gibt auch Kratzer mit nur sehr kurzen Retuschennegativen. Zitat Kind Ende

Vielmehr halte ich die Definition in Kiel die sich wohl eher verständlicherweise am Norden orientieren nicht für passend.
Die allgemeine und überall passende Definition listet daher m.E. der Floss.

Einfach ausgedrückt sehe ich das so!
Der Schaber ist ein Allroundwerkzeug, vorwiegend zum Schneiden gemacht aber auch zum Schaben und andere Tätigkeiten.
Beim klassischen Kratzer hingegen handelt es sich um ein ziemlich auf eine Tätigkeit spezialisiertes Werkzeug.

Grüße
Peter

hargo

#10
Zitat von: Furchenhäschen in 26. Mai 2020, 08:26:17
....Die allgemeine und überall passende Definition listet daher m.E. der Floss.
....

Hallo Peter,
dem stimme ich voll zu.

Der Artikel von J. Richter (Schaber) wird nicht ohne Grund im Kapitel -Steinartefakte des Mittelpaläolithikums- und der von Herrn Kind (Kratzer) unter -Steinartefakte des Jung- und Endpaläolithikums- aufgeführt.
Es dient halt der Abgrenzung.

Khamsin brachte es mal auf einen Nenner:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21397.0/wap2.html

Zitat>>>...Danach sind

1. Schaber Artefakte mit einer als Arbeitskante retuschierten Längsseite und
2. Kratzer Artefakte mit einer als Arbeitskante retuschierten Schmalseite .

Und nun muss man noch wissen, dass für den Begriff "Schaber" DIE Domäne schlechthin das Alt- und besonders das Mittelpaläolithikum (z.B. La Quina Schaber, Breit-, Winkel-, Spitz-, blattförmige Schaber) ist. Daraus ergibt sich cum grano salis die terminologische Faustregel:

1. Alt- und Mittelpäläolithikum: Schaber,
2. Junpaläolithikum bis Endneolithikum: Kratzer

Natürlich gibt es, wie immer, Ausnahmen, aber die interessieren hier nicht!....
<<<<Zitat Ende



mfg

Steinkopf

Gute Zusammenfassung lässt sich mit leben.

Jan

Furchenhäschen

#12
Zitat von: hargo in 26. Mai 2020, 17:34:01
Hallo Peter,
dem stimme ich voll zu.


1. Schaber Artefakte mit einer als Arbeitskante retuschierten Längsseite und
2. Kratzer Artefakte mit einer als Arbeitskante retuschierten Schmalseite .


1. Alt- und Mittelpäläolithikum: Schaber,
2. Junpaläolithikum bis Endneolithikum: Kratzer

...[/i][/i]<<<<Zitat Ende



mfg

Hallo Hargo,

genau so ist es unkompliziert,
einfach, ohne Ausschmückung und Umschweife ausgedrückt ist das definitiv so!

Manchmal ist es wirklich so, je mehr man schreibt umso verwirrender wird es.

Witzig/deftig wie Khamsin ist zitiere ich aber auch seinen Schlußsatz:

Letzten Endes spielt das aber für unser gegenseitiges Verständnis hier im Forum keine entscheidende Rolle.  Wenn also jemand aus Norddeutschland ein Artefakt als Löffelschaber einstellt, dann schau ich mir das Stück an. Und dabei spielt es keine Rolle, ob das Ding als Schaber oder Kratzer beschrieben wird. Spannend - und komentarwürdig - würde es erst dann, wenn jemand z.B. ein Keilmesser als Faustkeil benennen würde.
Zitat Khamsin Ende:  :-)


Grüße
Peter

Danske

Zitat von: hargo in 26. Mai 2020, 17:34:01
Hallo Peter,
dem stimme ich voll zu.

Der Artikel von J. Richter (Schaber) wird nicht ohne Grund im Kapitel -Steinartefakte des Mittelpaläolithikums- und der von Herrn Kind (Kratzer) unter -Steinartefakte des Jung- und Endpaläolithikums- aufgeführt.
Es dient halt der Abgrenzung.

Khamsin brachte es mal auf einen Nenner:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21397.0/wap2.html

Zitat>>>...Danach sind

1. Schaber Artefakte mit einer als Arbeitskante retuschierten Längsseite und
2. Kratzer Artefakte mit einer als Arbeitskante retuschierten Schmalseite .

Und nun muss man noch wissen, dass für den Begriff "Schaber" DIE Domäne schlechthin das Alt- und besonders das Mittelpaläolithikum (z.B. La Quina Schaber, Breit-, Winkel-, Spitz-, blattförmige Schaber) ist. Daraus ergibt sich cum grano salis die terminologische Faustregel:

1. Alt- und Mittelpäläolithikum: Schaber,
2. Junpaläolithikum bis Endneolithikum: Kratzer

Natürlich gibt es, wie immer, Ausnahmen, aber die interessieren hier nicht!....
<<<<Zitat Ende



mfg

:super: :super: Das ist auch für mich klar!

Danke an alle für die interessante Diskussion zu der Thematik.

@Peter: Sorry, dass ich mit meiner Fragerei deinen Thread verhunzt habe. Das Thema hat ja eigentlich mit deinen schönen Meso-Kratzern nur am Rande was zu tun.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

Hallo Holger,

ist doch schön und so sollte es ja sein, alles passt!

Das sich aus einer Artefaktvorstellung heraus spannende Diskussionen ergeben ist doch top!.
Allzu leicht gerät Grundlagenwissen irgend wann in den Hintergrund und somit wird alles wieder richtig aufgefrischt
und man beschäftigt sich wieder eingehend damit.

Grüße
Peter :winke: