Pfeilschneiden vom Niederrhein

Begonnen von thovalo, 02. Dezember 2016, 21:24:49

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thovalo



Auf einem rechtsrheinischen Fundareal am Niederrhein häufen ich einzigartiger weise neben Pfeilspitzen ebenso viele Pfeilschneiden.
Obschon die extrem umfangreiche Sammlung zur neolithischen Archäologie des Platzes bereits in das Eigentum des Landes übergegangen
ist laufen das Fundaufkommen weiter auf.


Hier exemplarisch einige der neu gefundenen Pfeilschneiden aus dem Jahr 2016


Die Pfeilschneide mit der weißlichen Oberfläche ist aus einem Abschlag von einer weiß patinierten Beilklinge gearbeitet worden.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Der linke obere Fundbeleg ergänzt die Gruppe der großen Exemplare.
Das Projektil aus nordischen Feuerstein ist ausführlich fein retuschiert worden.

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Zitat von: thovalo in 02. Dezember 2016, 21:24:49

Auf einem rechtsrheinischen Fundareal am Niederrhein häufen ich einzigartiger weise neben Pfeilspitzen ebenso viele Pfeilschneiden.
Obschon die extrem umfangreiche Sammlung zur neolithischen Archäologie des Platzes bereits in das Eigentum des Landes übergegangen
ist laufen das Fundaufkommen weiter auf.


Hallo Thovalo,

was meinst du mit "einzigartiger Weise"?

Querschneider und Pfeilspitzen wurden doch auch zeitgleich verwendet, abhängig davon, welches Wild bejagt wurde bzw. ob Pfeil und Bogen zur Jagd oder bei kriegerischen Auseinandersetzungen Verwendung fanden.

Gruß
Holger
Das Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen

Birk

Da ist ja von jedem Kaliber etwas dabei. :-) Klasse Stücke. :super: Die große ist aber echt ne Nummer.

 Gruß
 Thomas

thovalo

Zitat von: Danske in 02. Dezember 2016, 22:48:04
Zitat von: thovalo in 02. Dezember 2016, 21:24:49

Auf einem rechtsrheinischen Fundareal am Niederrhein häufen ich einzigartiger weise neben Pfeilspitzen ebenso viele Pfeilschneiden.
Obschon die extrem umfangreiche Sammlung zur neolithischen Archäologie des Platzes bereits in das Eigentum des Landes übergegangen
ist laufen das Fundaufkommen weiter auf.


Hallo Thovalo,

was meinst du mit "einzigartiger Weise"?

Querschneider und Pfeilspitzen wurden doch auch zeitgleich verwendet, abhängig davon, welches Wild bejagt wurde bzw. ob Pfeil und Bogen zur Jagd oder bei kriegerischen Auseinandersetzungen Verwendung fanden.

Gruß
Holger

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#5


was meinst du mit "einzigartiger Weise"?


Hallo Holger!  :winke:


Die Überlegungen zu möglichen unterschiedlichen Einsatzbereichen von Pfeilspitzen und Pfeilschneiden haben keine archäologisch evident belegte Grundlage zu einer Klärung unterschiedlicher Anteile von Pfeilspitzen und Pfeilschneiden auf unterschiedlichen Plätzen und/oder in unterschiedlichen Kulturen.

Menschen wurden mit Pfeilspitzen UND Pfeilschneiden getötet. Wild wurde mit Pfeilspitzen UND Pfeilschneiden getötet. Eine bevorzugte Jagd von Vögeln mit Pfeilschneiden ist facharchäologisch in keinem Fall nicht einmal im Ansatz belegt worden jedoch eine lange Zeit bestehende und immer wieder gehaltene Hypothese. Es gibt dazu auch keine experimentalarchäologischen Nachweise die ggf. mit ausgestopften Präparaten nachvollzogen werden könnten (das zu überprüfen wäre mal ne Herausforderung!  :zwinker: ).

Für die Vogeljagd gab es hölzerne (alternativ Knochen, Geweih) nicht schneidende Pfeilköpfe.

Pfeilschneiden haben eine heftige und eindringende Aufprallwirkung, die sich nicht von Pfeilspitzen unterscheidet. Auch mit Pfeilschneiden besetzte Pfeile treffen rotierend auf ihr Ziel auf, würden dabei Federn verschieben und sehr wahrscheinlich auch tiefer in einen Vogelbalg eindringen oder diesen sogar durchschlagen können.


Für den Niederrhein gibt es insbesondere durch das archäologische Langzeitprojekt im linksrheinischen Brankohletagebaugebiet ein sehr klares Bild dazu, dass am Niederrhein der Gebrauch von Pfeilspitzen die absolute Regel, der Gebrauch von Pfeilschneiden dem gegenüber definitiv sehr weit zurück gestanden hat. Erklärt wird das aus kulturell gebundenen Traditionen.

Im Bereich der nordischen Trichterbecherkultur ist das Verhältnis z.B. umgekehrt.

So bildet das Fundgelände unmittelbar am Flusslauf des rechten Rheinufers erstmalig einen Schnittpunkt mit einer erstaunlich klar ausgewogenen Balance zwischen diesen Projektiltypen von ca. 300 : 300, wobei überhaupt der Fundbestand von ca. 600 Silexprojektilen
allein aus Oberflächenbegehungen von einem einzigen Fundgelände für das gesamte Rheinland einzigartig ist. Selbst aus Grabungen kam ein annähernd vergleichbar konzentriertes Fundaufkommen nicht zustande.

Dass es hier anders ist liegt eher wahrscheinlich daran, dass hier verstärkt Traditionen der Maasregion mit Einfluss genommen haben in denen Pfeilschneiden gleichfalls eine höhere Bedeutung hatten. Dieser Einfluss scheint sich nicht vergleichbar auf die linksrheinische Siedlungskammer auf der Aldenhovener Platte und deren weiteres Umfeld ausgewirkt zu haben.


Deshalb ist das Fundaufkommen bezogen auf diesen Platz in der differenzierten Betrachtung auf facharchäologisch gesicherte kulturelle Traditionen in Bindung an bestimmte Landschaften tatsächlich im wörtlichen Sinn einzigartig.


Das aus weitester Entfernung an den Ort gelangte Projektil ist eine höchst fein "glattretuschierte" Sonderform die in einer skandinavischen Werkstatt angefertigt worden ist.


Der Platz, der auch den Beleg eine Beilklinge aus Jade als am weitesten aus dem Süden stammenden Austauschobjekt geliefert hat, war anscheinend ein nicht unbedeutender neolithischer Zentralort an dem extrem viele Einflüsse und Traditionen aus verschiedenen Himmelsrichtungen zusammen getroffen waren.


Zu berücksichtigen bleibt allerdings noch das horizontale chronologische Verhältnis, das noch nicht klar definiert werden kann. Erste Annahmen gehen dahin, dass das Aufkommen von Pfeilschneiden des Platzes ggf. überwiegend in den Abschnitt des späten Neolithikums datieren kann. Bemerkenswert ist noch das sowohl "nordischer" wie "westlicher" Feuerstein verwendet worden ist und auch Beilklingenabschläge mit einbezogen worden sind. Es ergibt sich daher auch kein besonderer Hinweis aus den genutzten Materialvarietäten.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.