Ein Abschlagkratzer aus importierten Maasfeuerstein vom Niederrhein

Begonnen von thovalo, 31. März 2019, 14:51:08

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thovalo



Hallo zusammen!

Gestern fand ich einen der Hauptfundplätze auf dem großen Fundareal am rechten Niederrhein frisch bearbeitet vor. Der trockene Boden machte kaum Hoffnung auf Funde. Dennoch fand sich u.a. ein sehr gut erhalten gebliebener Abschlagkratzer aus Maasfeuerstein der Lagerstätte bei Sint Geertruid nahe Rijckholt in den Niederlanden.

Anders als in der linksrheinischen Lößzone benötigten die Menschen an diesem Ort einen deutlich längeren Weg zu dem intensiv aufgesuchten  Rohgesteinvorkommen als die Menschen in der linksrheinischen Lößzone. Man muss mit etwa drei Tagesreisen alleine für den Hinweg rechnen. Umso mehr verwundert die Tatsache, dass an diesem einen und bislang einzigen Ort am rechten Niederrhein, erstaunliche Mengen (einige tausend Artefakte) an großformatigen Abschlag- und Klingengeräten aus der Zeit des jüngeren Neolihtikums, in meist noch besten Gebrauchszuständen unbeschädigt zurück geblieben sind.

Der Schlagpunkt der Grundform ist umlaufend facettiert, der Bulbus wirkt verrundet, was auf eine mögliche Schäftung des Kratzers als Geräteeinsatz in einer Handhabe hindeuten kann.

Auch dieses Artefakt gehört zu den hell weißlich patinierten neolithischen Artefakten. Die Patinierung trat erst NACH der Bergung im Verlauf der zunehmende Dehydrierung nach der Entferung des Artefakts aus dem noch wenig feuchten Boden auf. Legt man das Stück wieder in Wasser tritt die charakteristische Färbung des verwendeten Silex auf und verschwindet wieder mit der zunehmenden  Austrockung der Oberfläche.

Nicht allzu häufig finden sich solche Kratzer mit derart fein gesetzter Retuschierung entlang des in diesem Fall recht schmalen Fundktionsendes. Die "taillierten Seitenlinien sind flach retuschiert und könnten, sofern das Stück nicht geschäftet gewesen ist, auch eine schneidende Funktion besessen haben.

Für das Fundgelände wird vermutet, dass es sich um den zentralen Distirbutionsort für Feuersteingrundformen aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich für den weiteren Austausch in Ausrichtung auf die Hellwegzone handelt. Das Fundgebiet selber hält keine eigenen primären Feuersteinlagerstätten vor und war auf den Bezug von Rohfeuerstein bzw. von ausgetauschten Grundformen angewiesen.


Die Länge des Kratzers beträgt 6.7 cm.

Als Datierung ist die Zeit der "Michelsberger Kultur" anzunehmen (ca. 4.300 bis 3.700 v. Chr.) für die Gerätschaften in diesem Format und Bearbeitungsweise im Rheinland als ausgesprochen charatkertistisch gelten.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiesenläufer

Moin Thomas,

wenn er gewaschen ist, sieht er bestimmt noch schöner aus  :super: als in diesem Fundzustand und würde hier bei uns im Norden,
schon unter "Löffelschaber" laufen ?

Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo

Zitat von: Wiesenläufer in 31. März 2019, 15:36:34
Moin Thomas,

wenn er gewaschen ist, sieht er bestimmt noch schöner aus  :super: als in diesem Fundzustand und würde hier bei uns im Norden,
schon unter "Löffelschaber" laufen ?

Gruß

Gabi



Ja, das würde er!  :super:


Es fand sich auch noch ein großer Präparationsabschlag mit Kortexrest aus Rijckholtfeuerstein. Warum man den über 1ßß Kilometer hinweg hierher geschlepopt hatte bleibt etwas schleierhaft, denn mit diesem Stück häte man nicht allzuviel anfangen können.




Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#3

Auf dem Radweg bin ich an dieser historischen Raststation und Station zum Pferdewechsel für das Treideln der Schiffe entlang des Rheins aus dem 18. Jh. und an den schönen uralten und frisch beschnittenen Kopfweiden in der Rheinaue vorbei.


Hier, am großen Fluss, mit seiner Naturidylle im Wechsel mit Schwerindustrie und dem Ballungsgebiet vieler Großstädte im Ruhrgebiet ist es immer wieder auch unendlich schön.


lG Thomas  :winke:


Ein schöner und regional passender link zum Thema "treideln"

https://www.rhein-magazin-duesseldorf.de/treideln-die-aelteste-transportmethode-auf-dem-fluss/?cn-reloaded=1#prettyPhoto
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin,

sehr schöner, eindeutiger Abschlagkratzer  :Danke2: Glückwunsch.

Mir ist auch sofort "Löffelschaber" in den Sinn gekommen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf


Danske

Hallo Thomas,

ein wirklich toller Kratzer in imposanter Größe, typisch für MK.  :super: Das Stück zeigt die sehr gute Versorgung dieses Kulturkreises mit hochwertigem Silexmaterial und zeugt vom Fernhandel mit Flint in dieser Zeit.

Einen schönen Ausflug hattest du an dem Tag. Schade nur, dass die Treidelstation keine Gaststätte beherbergt. Nachdem du den kompletten Acker abgelaufen warst, hätte ein kühles Blondes sicher gut getan  :prost:

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.