Dechselklinge! Neu!

Begonnen von szeletien, 10. Januar 2009, 17:32:34

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szeletien

Hallo Forum
Hallo allerseits

Möchte Euch schon wieder eine Dechselklinge die ich vor vielen Jahren gefunden habe vorstellen. Sie war seit aufräumarbeiten in meinem Archiv verschollen. Nun ist sie wieder ans Tageslicht gekommen. Begleitfunde  sind Endneolithische Keramik und  wenige Silexabschläge.
Material ist warscheinlich Amphibolit. Sie ist an der dorsal und ventralseite überschliffen. An den Längsseiten nur an den erhabenen Punkten. Die Schneide ist schön geschliffen. Leider ist das gute Stück nicht mehr ganz unversehrt. Vermutlich auch aus einem Abschlag hergestellt. Ob aus einer Grundform hergestellt, kann ich nicht beurteilen. Es war eines meiner ersten dieser Art. Ich möchte J.Weiner Fotos oder das Original senden, denn in unserem Amt ist keine Hilfe zu erwarten. Wurde auch nicht mal gezeichnet!  Bis bald.

Grüße Szeletien

tristan

Hi Szeletien,

schöner Fund,
aber ich denke man kann aus Felsgestein keine Abschläge, wie es
mit Silex möglich ist herstellen...

Die Bearbeitungsmöglichkeiten bei Felsgestein sind:  Bohren, Picken , Schleifen und "Sägen"
                                                                            Wobei Sägen eine Art des Schleifens ist . :irre:  Oder ??

Grüße Tristan




Kelten111

Halllo weis nicht aber du weist ja ich bin kein Dechselklingen Experte!
Hast du es schon an Weiner zugesendet?

Silex

Ja, das schaut schon sehr nach Dechsel aus- trotz aller Beeinträchtigungen- so wie ich es von RP gelernt habe. Denn hier in meinem Suchgebiet - und weit über diese Grenzen hinaus- sind diese Dinger  quasi unbekannt, da kein neolithisches Kernsiedelland.
Gratulation, szeletien!
Mich würde noch interessieren was Eure Archäologen dazu ausströmten und verlauten ließen.


Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Kelten111

Unsere Archeologe ist eher nur besorgt das der Fund den anderen zugesprochen wirde ( Erstmeldung)
Hat mich gleich nach der Meldung meiner Dechselklinge aus einer Grundform angerufen und sagte,
ob wir das nicht gezeichnet haben? wenn ja wann ? und ich soll Herrn Weiner ja sagen das sie es schon als Artefakt erkannt haben, nicht das der Landkreis leer ausgeht!
Und das sie gemeint haben es sei ein Trapezrohling.

Pinky

Hallo,

tolles Stück. :super:

Pinky

rolfpeter

Servus,

ich würde das Gerät auch als Dechselklinge ansprechen.
Das Gerät ist natürlich aus einer Grundform entstanden - jedes Artefakt ist aus einer Grundform entstanden. Die Grundform könnte auch evtl. ein Abschlag sein; das zu erkennen, stelle ich mir aber schwierig, wenn nicht gar unmöglich vor. Bei amorphem Material, wie beispielsweise Feuerstein, ist das möglich, bei Schiefergestein wie Amphibolit, habe ich meine Zweifel.
In seiner Arbeit von 1999 faßt J. Weiner Geräte, die als "untypische Beile, Flinthacken, Meißel, beilähnliches Werkzeug" usw. in Sammlungen und Veröffentlichungen irrlichterten zu einer eigenen Klasse zusammen. Er erkennt, daß es sich ausnahmslos um quergeschäftete Beilklingen, also um Dechselklingen handelt. Weiners Arbeit heißt im vollständigen Titel übrigens: "Neolithische Dechselklingen aus Feuersteingrundformen? Anmerkungen zu einem kaum beachteten, einzigartigen Gerätetyp". Und darauf sollten wir unsere Erkenntnisse aufbauen.
Wenn das Objekt aus einem amorphen Material besteht, das die Definition "Abschlag" ermöglicht, UND, wenn aus diesem einwandfrei zu erkennenden Abschlag eine Dechselklinge hergestellt wurde, dann handelt es sich um eine Dechselklinge aus einem Abschlag - sonst nicht!
Ihr mögt mich jetzt für bekloppt halten, in einem Beitrag x-mal das Gleiche zu schreiben. Aber ich wollte es in aller Deutlichkeit herausstellen!

HG
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Moin!

@tristan: !...ich denke man kann aus Felsgestein keine Abschläge, wie es
mit Silex möglich ist herstellen..."

Das trifft so nicht ganz zu! Es ist durchaus möglich, Felsgestein in Schlagtechnik, bei der ja u.a. auch Abschläge anfallen, zu bearbeiten. Dafür liegen vom Ältestpaläolithikum bis zum Endneolithikum ungezählte Beispiele vor.

Richtig ist, dass die Säge- und die Bohrtechnik ausschliesslich bei der Bearbeitung von Felsgestein zum Einsatz kommen konnten. Bei der Picktechnik verhält es sich schon nicht mehr ganz so, denn es tauchen immer einmal wieder - und bezeichnenderweise - Schneidenabschnitte von zerbrochenen geschliffenen Beilklingen aus Feuerstein auf, deren Bruchfacetten an beiden Schmalseiten durch Picken zapfenförmig reduziert worden sind, um sie wieder schäften zu können. Aber das sind Ausnahmen. Prinzipiell stimmt es aber, dass die Picktechnik DIE Technik zur Überarbeitung von Artefakten aus Felsgestein ist. Und die Schleiftechnik schliesslich wurde bei beiden Materialhauptgruppen, dem Kiesel- und dem Felsgestein nach Belieben angewandt! Lasst Euch diesbezüglich nicht kirre machen durch gelegentliche Meldungen von "gebohrten/durchlochen" Artefakten aus Flint! Obwohl es die tatsächlich (sehr, sehr selten) gibt, handelt es sich in allen Fällen um Stücke mit natürlichen Löchern, die eventuell etwas nachgearbeitet worden sind (partielles Picken und Schleifen).

Herzliche Grüsse KIS
   
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Khamsin

Moin!

Vielleicht noch folgende Ergänzung zu RPs grundlegenden Feststellungen.

Unterschieden wird generell zwischen "Abschlaggeräten" und "Kerngeräten".

- "Abschlaggeräte": sie wurden nicht durch Modellierung (Reduktion) aus einem gegebenen Rohstück herausgearbeitet, sondern immer aus Abtrennprodukten von einem Rohstück hergestellt. Diese Abtrennprodukte nennt man Grundformen. Prinzipiell handelt es sich bei allen Grundformen um Abschläge. Sie werden aber unterteilt per Definition in 1. Absplisse (kleiner/gleich 10 mm Breite), 2. Abschläge, und 3. Klingen/Lamellen (Längen-/Breitenverhältnis grösser/gleich 2:1). Definitionsgemäss gelten auch Kernsteine (Abschlag- und Klingenkerne) als Grundformen.
Klassische Abschlaggeräte sind z.B. Stichel, Kratzer, Schaber, Lateralretuschen, Pfeilspitzen. Bei letzteren auch alle vollständig flächenretuschierten Stücke. Die sehen zwar aus wie winzige "Kerngeräte", aber es wäre töricht anzunehmen, sie seien durch kontinuierliche Reduktion aus grösseren Rohstücken modelliert worden! Auch wenn bei diesen Stücken somit die Ausgangsform nicht mehr erkennbar ist, darf man getrost davon ausgehen, dass sie aus Klingen oder Abschlägen bearbeitet worden sind.

- "Kerngeräte": sie wurden exklusiv durch Modellierung aus einem gegebenen Rohstück herausgearbeitet, so dass am Ende die Kernregion des Rohstückes als gewünschtes Artefakt übrigbleibt. Klassische Kerngeräte sind z.B. Chopper/chopping tools, Faustkeile, Blattspitzen, nordische Dolche, Beil-/Dechsel- und Axtklingen sowie ausgesplitterte Stücke (solange sie noch Rindenreste aufweisen). Bei Letzteren wird es aber schon etwas problematisch, denn es kann sich einmal um keilartig verwendete Stücke handeln, es können aber auch Kernsteine aus bestimmten Rohformen sein (z.B. Maaseier/Litoralgerölle), und dann würde es sich umn Grundformen per Definition handeln! (das nur am Rande).
Die Problematik bei "Kerngeräten" allgemein ist aber, dass sie auch aus Grundformen - hier in allererste Linie zumeist massiveren Abschlägen - angefertigt worden sein können. Zahlreiche Faustkeile, Flintbeil- und Flintdechselklingen weisen Reste von ehemaligen Ventralflächen mit Schlagwellen, vollständig oder partiell vorhandenen Schlagflächenresten und Bulbusregionen auf, die eindeutig auf die verwendete Grundform "Abschlag" verweisen. In solchen Fällen handelt es sich bei diesen Geräten dann selbstverständlich um "Abschlaggeräte", auch wenn diese z.T. erhebliche Grössen aufweisen können!

Deshalb würde ich: "jedes Artefakt ist aus einer Grundform entstanden" dahingehend modifizieren: die überwältigende Mehrzahl aller Artefakte ist aus Grundformen entstanden mit Ausnahme solcher, die sich auf die Verwendung von Rohstücken (Rohformen) zurückführen lassen.

Bei dem vorliegenden Fund habe ich den Eindruck, dass seine Ventralfläche (Bild 2) auf der linken Seite stärker gewölbt ist als auf der rechten (in Blickrichtung). Diese Wölbung könnte auf einen Bulbus, damit auf die Natur des Ausgangsstückes als Abschlag und folglich auf eine Schlag-/Abtrennrichtung von links
hindeuten. Dass es sich um eine Dechselklinge handeln dürfte, scheint mir nach den Seitenansichten evident.

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

szeletien

Hallo rolfpeter, hallo Khamsin.
Danke Euch nochmal herzlich für die ausführliche und detaillierte Beschreibung.

Grüße Szeletien

tristan

Genau, vielen Dank für eure Ausführung !