Großer Kratzer oder Multitool?

Begonnen von queque, 06. März 2016, 20:08:31

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queque

 :-),

das Stück fand sich heute beim sprichwörtlichen "letzten Schritt" vom Acker. Es ist ein massives Flintgerät, das in der Länge ziemlich genau 10 cm misst. Das recht glasige Material scheint mir Schotterflint zu sein, aber da lasse ich mich gern eines Besseren belehren.

Mir hat es einige Mühe bereitet, das Stück "eindeutig" abzulichten. Ich hoffe, ihr könnt euch ein wenig an der dorsalen Kortexpartie orientieren. Sorry!!!

Mit Sicherheit hat es eine grob zu retuschierte konvexe Kratzerstirn. Sie zeigt auch ausgeprägte Untersteilungen. Die dieser Kratzerstirn gegenüberliegende "Spitze" könnte aber auch zum groben(!!!) Bohren verwendet worden sein. Die lateralen Grate zeigen Abnutzungs- bzw- Zerrüttungsspuren. Können diese auch auf eine Schäftung hindeuten? Bis auf einen kleinen rezenten Ausbruch scheint das Stück komplett erhalten zu sein.

Von den Dimensionen her könnte es spätneolithisch datieren, allerdings sind die Kratzer ähnlichen Formats, die ich vor allem von einem MK-Platz kenne, irgendwie "sorgfältiger" gearbeitet.

Die Form erinnert mich fast schon an die bronzezeitlichen "Löffelschaber" der nordeutschen Bronzezeit ...

Ich bin ziemlich ratlos, vor allem weil das Stück von einem mutmaßlich bandkeramischen Platz stammt, was ja nichts heißen muss, das mischt sich dort alles.

Was denkt ihr? Ich hoffe, die vielen Fotos nerven euch nicht allzusehr.

LG
Bastl

lapillus

Zitat von: queque in 06. März 2016, 20:08:31
...eine grob zu retuschierte konvexe Kratzerstirn.
...Die dieser Kratzerstirn gegenüberliegende "Spitze" könnte ...auf eine Schäftung hindeuten?

Bastl

Hi,

der "Kratzer" liegt uns so nahe, weil er so sehr geläufig ist.

Das Fettmarkierte soll zu ein paar Gedanken einer beilartigen Verwendung animieren.

cu

Furchenhäschen

Hallo Bastl,
meiner Meinung nach erinnert die halb gerundete vermeintliche Kratzerkappe
wenn überhaupt eher an den Arbeitsbereich eines sogenannten Gezähe.
Der Spezialist für Gezäheartefakte wäre der J.W.

Wenn es sich um ein Werkzeug handelt dann um ein Werkzeug für das Grobe.
Für einen Kratzer oder eine grobe Beilklinge fehlen mir ehrlich gesagt die "Argumente".

Gruß
Peter

steinwanderer

Moin Bastl,
wo der Peter von Gezähe spricht denke ich das die spitze Seite in einem Schaft steckte.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

queque

Hallo zusammen,

ein Gezähe ist meines Wissens ein Werkzeug für bergmännische Tätigkeiten. Für diese gab und gibt es in dem Fundgebiet keinen Grund, da steht nichts an, was abgebaut werden könnte. Ich werde J. W. bei Gelegenheit deswegen konsultieren, der Weg ist ja kurz, aber ich bin skeptisch.
Ich denke mittlerweile eher an ein spätneolithisches bis metallzeitliches Kratzerdings ...

LG
bastl

queque

Ich habe nochmal ein paar Bilder bei besserem Licht gemacht. Ob sie helfen, weiß ich nicht. Rezent ist an dem Stück nur ein kleiner Ausbruch, den ich auch versucht habe einzufangen. Der ganze Rest ist mit einer leicht trüb-milchigen Patina überzogen ... wirkt jedenfalls so.

Bei den ersten vier Bildern habe ich das Stück einmal um die eigene Längsachse gedreht.
Das fünfte Bild zeigt den rezenten Ausbruch.
Bilder 6 bis 8 zeigen den Flint bzw. den Kortex mit Fossil in Großaufnahmen.
Das letzte Bild lichtet die Kratzerstirn dorsal ab. Hier wird vielleicht deutlich, was ich mit trüb-milchiger Patina meine.

Vielen Dank für Euer Interesse und Eure Geduld.

Bastl

queque

Die ersten beiden Bilder zeigen die Kratzerstirn von ventral. Hier sind die Untersteilungen / gestaffelten Ausbrüche gut erkennbar.
Auf den letzten drei Bildern sind Details der der Kratzerstirn gegenüberliegenden Spitze zu sehen, mit der eventuel gebohrt wurde (?).
LG
Bastll

queque

Das Material ist geklärt: Silex à grain fin de Hesbaye. Scheint hier vor allem im Spätneolithikum vorzukommen.

LG
Bastl

Pipin

Moin Bastl,

das Teil sieht mir stark nach einem "groben" Bohrer aus. Die " Kratzerstirn" ist in meinen Augen eher eine zugerichtete Druckpunktfläche für den Ballen der Hand.
So nun ist diese Theorie frei zur Diskussion gestellt.
Ein Beil oder eine Schäftung sehe ich aber nicht.

Die Zuordnung in Spätneolithisch/Bronzezeit gehe ich mit.

Gruß Christian  :winke:

queque

Hallo Christian,

hab Dank für deine Gedanken zu dem Teil. Sie sind nachvollziehbar, allerdings zeigen sich ventral an der "Kratzerstirn" deutliche Untersteilungen bzw. gestaffelte Ausbrüche, die für Kratzer typisch sind. Es ist auch eine leichte "Nasen-Bildung" an der Kratzerstirn zu erkennen, wie ich sie beispielsweise von MK-Funden kenne.

Viele Grüße
Bastl

Pipin

Moin Bastl,

vergleich mal bitte genau den Abbauwinkel, und die Kratzerkante der MK Kratzer und deines hier vorgestellten Artefakte ... Ich vermute du wirst hier auf Unterschiede stoßen und feststellen, dass die Kratzer eine weiter nach vorn gerichtete Kratzerkante haben.

Gruß Christian  :winke: