Gebänderte Pfeilspitze

Begonnen von rolfpeter, 13. März 2009, 17:25:38

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rolfpeter

Servus,

Die Pfeilspitze stammt als Einzelstück von einer LBK-Stelle. Einzelstück, weil das ja bestimmt keine Spitze aus der Bandkeramik ist.

Die Pfeilspitze ist 37mm lang und 4,2g schwer. Sie ist dorsal und ventral nicht ganz flächenfüllend retuschiert, die Basis ist leicht konkav und auch dorsal und ventral retuschiert. Von der Form und Größe her hätte ich sie normalerweise ins Michelsberg datiert, aber jetzt kommen die Ungereimtheiten.
Das Material habe ich im Rheinland noch nie gesehen. Es handelt sich um einen fahlbraunen, gebänderten Feuerstein, an dünnen Stellen leicht transluzid.
Die Negative der Retuschen glänzen wesentlich intensiver als die Oberfläche der ehemaligen Grundform, einer Klinge. Es könnte sein, daß der Stein vor Bearbeitung getempert wurde. Sowas tut der rheinische Michelsberger normalerweise auch nicht.
An der Fundstelle ist der Boden zwar feucht und lehmig-tonig, aber die LBK-Funde in direkter Nachbarschaft sind nicht patiniert.  Das nächste Vorkommen von gebändertem Feuerstein liegt in der Champagne....oder ist es vielleicht sogar Hornstein aus Süddeutschland?

Habts irgendwelche Hinweise, die mich weiter bringen könnten?







HG
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Marienbad

Hey RP,
super Stück, habe so ein Teil mit den Retuschen bis zur Hälfte noch nie gesehen.
Glückwunsch  :winke:
HG MB

steinsucher

Hallo Forum, hallo RP,

erst mal vorweg: Ein tolles Stück!

Von der Form und Größe her würde ich sie auch sofort der MK zuordnen. Nach dem Foto zu urteilen hat das Material Ähnlichkeit mit Rijckholt bzw  mittelgrauem Maasfeuerstein, bis auf den hellen Streifen. Ist das eine echte Bänderung oder so etwas wie eine Einlagerung? Auch in den Maasschottern kommen ja ziemlich viele Farbspiele vor.

Gruß,

Fritz.

Khamsin

Moin!

Junge RP, das ist ja eine Sensation, mit der Du uns hier konfrontierst! Und damit meine ich natürlich weder die Lage noch die Länge der Retuschierungsnegative.

Die wirkliche "chose étonnante" liegt in der Ausprägung dieser Negative, was glücklicherweise auch in den - wieder einmal - exzellenten Bildern rüberkommt.
Denn mit diesem Fund liegt offensichtlich ein intentionell getempertes Artefakt vor, und solche Funde kennt man aus Deutschland nur aus dem Süddeutschen Mesolithikum. Im Rheinland jedenfalls ist heat treatment bislang nach meiner Kenntnis zumindest offiziell, also in publizierter Form, nicht nachgewiesen, sieht man einmal von einer kolportierten Pfeilspitze aus der Sammlung vom Haberg ab, und das wäre dann übrigens MK. Ein faszinierendes Stück, RP, das Deinen Ampf begeistern dürfte.

Die Herkunft von einem LBK-Platz spielt keine Rolle; das Projektil hätte auch in der Füllung eines merowingerzeitlichen Grabes auftauchen können, ohne uns zu irritieren!

Zum Material nur soviel: der helle Streifen zeigt eine Struktur, die mir von Romigny-Lhéry-Flint bestens bekannt ist. Allerdings ist die Restfarbe ungewöhnlich. Es ist aber bekannt, dass es ein breites Farbspektrum dieses Flints gibt. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen.

Gerne gratuliert man zu einem derart aussergewöhnlichen und mehr als erstaunlichen Fund und freut sich zugleich, dass er hier im Forum erstmals präsentiert wird!

Herzliche Grüsse KIS 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rentner

Geiler Fund...geile Fotos.....

Khamsin

Moin!

"Geiler" Kommentar!

Grüsse KIS

"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Jau Jungs, das ist geil wa?

Wie so häufig, handelt es sich auch hierbei um einen Glücksfund.
Ich hatte mich eigentlich nach einem Abschlag gebückt und auf dem Weg nach unten kreuzten sich meine Blicke mit einem winzigen Detail der Pfeilspitzen-Dorsalfläche, die gerade mal aus dem Dreck lugte. Da haben wohl sie Sucherzellen im Oberstübchen mal richtig fest gerappelt und siehe da, die rechte Hand ging nicht zum Abschlag, sondern zum gesteiften Fleckchen....den Rest kennt ihr ja.

Danke für die Einschätzung Khamsin! Ich treffe mich ja von Zeit zu Zeit mit dem AmV und werde ihm die Spitze zur Begutachtung geben. Die Fotos sind übrigens ziemlich farbtreu. Wenn das Material tatsächlich getempert oder vor Zurichtung der Spitze auf sonstige Weise erwärmt wurde, dann könnte sich ja auch hierdurch die Farbe verändert haben, was eine Materialbestimmung zusätzlich erschweren würde.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Salaam!

RP, Du magst es glauben oder nicht, aber das lag mir ja auch noch auf der Pfanne, aber ich wollte da nicht weiter elaborieren und bin deshalb ausgesprochen froh, dass Du das jetzt machst.

Und schliesslich: Wenn ich das mit den Beiträgen Deines AmV in "Archäologie im Rheinland" auch nur halbwegs richtig verstanden habe, dann sind es ja wohl nicht immer nur schöne, sondern auch oder sogar in erster Linie ungewöhnliche, mit einem Wort: besonders spannende Stücke, die da von ihm vorgestellt werden. Deshalb würde es mich nicht eine Sekunde wundern, wenn Deine Pfeilspitze in einem der nächsten Bände erscheinen würde.

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

steinsucher

Hallo Allerseits, oder wie man hier bei uns so melodisch sagt: "Tach".

Nachdem ich mir heute die Spitze (die ja wirklich spitze ist) noch einmal angesehen habe sind mir ein paar Dinge aufgefallen. Ich musste nur noch mit dem Hund zwei Stunden durch den Nieselregen gehen, der wollte Ballspielen, sonst wäre der Beitrag schon früher gekommen. Khamsin's und RP's in der Zwischenzeit gemachte Kommentare passen so ein klein wenig dazu.

Auf der Spitze gibt es ein paar Zonen im dickeren Bereich (siehe Bild), in denen es aussieht, als sei das helle Band nur oberflächlich. Durch die Retuschen scheint das helle Material dort abgetragen worden zu sein. Es ist mir auch klar, dass es auf beiden Seiten vorhanden ist.



Ich bin ja nicht so fit wenn es um das Tempern geht. Wie muss ich mir das eigentlich vorstellen? Sitzt da der Hersteller des Stückes mit einer Bratwurstzange am Feuer und hält eine (vielleicht) vorbearbeitete Klinge in oder über die Flammen/Glut? Oder sieht der Prozess ganz anders aus?

Das Band zieht sich auch ziemlich parallel zu den Retuschen über die Spitze hin. Deshalb meine naive Frage: Kann es sein, das dieses helle Band auf beiden Seiten durch das Tempern entstanden ist?

Gruß aus Heinsberg,

Fritz.

rolfpeter

Keine Ahnung Fritz, ich bin auch nur aufmerksam geworden, weil mir Die Tatsache bekannt ist, daß an vorher wärmebehandeltem Material die Oberfläche des Rohmaterials matt ist und die nachher angebrachten Modifizierungen fettig glänzen. Ansonsten bin ich absoluter Temper-Laie!
Ich habe mir die Spitze nochmal unter der Lupe angesehen. Die Punkte, die Du markiert hast, sehen wirklich so aus wie auf dem Foto. Besonders deutlich ist das ja bei dem oberen Zahnrad. Andererseits geht der helle Steifen quer durch das Material. Die Basis ist ja auch retuschiert, dort ist der Streifen auch auf dem Retuschennegativ zu sehen. Besonders gut ist das ventralseitig zu erkennen.

Rätselhaft.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

steinsucher

Hallo RP,

dann warten wir mal ab, wie unser Altvater in Nideggen das Objekt analysiert. Er hat ja auch in der experimentellen Archäologie einen extremen Erfahrungsschatz. Feuerstein und Feuer sind ja ein gravierender Teil seines Lebens. Meine Kinder sind heute 32 und 28 Jahre alt. Seine Vorführungen beim Tag der Offenen Tür in Zülpich Anfang der 1990'ger sind noch oft ein Thema bei uns, sie waren begeistert. Die Tochter ist heute selbst Lehrer am Gymnasium (Physik und Chemie) und ist immer noch begeistert von der Art und Weise, wie er damals die beteiligten Schüler fasziniert hat, und ein paar Lehrer dabei gar nicht gut aussahen.

Ich freue mich schon auf die Veröffentlichung. Glückwunsch nochmal.

Gruß, Fritz.



Khamsin

Moin und Tach in den Süden!

Was ich noch zu bemerken vergass: der Fund wäre ein Paradebeispiel in jeder Ausstellung zum Thema "Minimal Art" (auch wenn ich die Herstellung von Steingeräten a priori nicht als Kunst, sondern als das, was sie im besten Sinne des Wortes ist, nämlich als Handwerk, verstehe!). Wenn ich die Spitze nun doch unter "Minimal Art" subsumiere, dann deshalb, weil hier mit einfachsten Mitteln der Kern des Gestaltenwollens unter funktionalen Gesichtpunkten erreicht worden ist: die klassischste der klassischen Pfeilspitzenformen, dreieckig, langschmal, Längskanten durch einfachste, d.h. randliche Retuschierung angelegt, voilà! Und doch ist alles da, was man sowohl vom eigentlichen Zweck, aber eben auch im Hinblick auf die Schäftung benötigt: eine Spitze, divergierende geradlinige Längsseiten und eine im rechten Winkel zur Schussrichtung stehende Basis.
Und vor diesem Hintergrund ist es übrigens interessant, sich einmal zu fragen, warum es z.B. Pfeilspitzen gibt, die völlig flächenretuschiert sind, und - um das noch zu toppen - dies nicht selten sogar mit feinsten parallelen Drucknegativen, die den Oberflächen ein ausgesprochen apartes Finish verleihen! Denn - so attraktiv dies auch sein mag - ist es doch aus funktionaler Sicht schlicht überflüsslig!

Also, das Tempern wurde natürlich rein zufällig entdeckt, bzw. und präziser: die materialverändernden Eigenschaften der Hitzeeinwirkung auf Kieselgestein. Erst nachdem dies verstanden war, wurde daraus der Vorgang entwickelt, den wir auf Deutsch "Tempern" nennen. Da aber dieses Phänomen bei uns kaum bekannt ist, gibt es dazu auch so gut wie nichts zu lesen. Bis heute ist das letztlich nur eine kommentierte Literatursammlung von RPs Ampf, die leider auch an etwas entlegener Stelle publiziert worden ist:
Weiner,J., Die Verbesserung der Bearbeitungseigenschaften von amorphen Gesteinsarten durch kontrollierte thermische Behandlung. Eine Literaturliste. Mitteilungen Archaeologia Venatoria 9, 1985, 39-47 (Tübingen).
Eine erweiterte Fassung soll im mittlerweile überfälligen Floss-Werk erscheinen, so der grosse Kulissenschieber denn will...

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"