Klinge mit Buckel

Begonnen von Steinkopf, 16. April 2024, 20:00:56

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Steinkopf

Vor längerer Zeit konnte ich im Flachwasserbereich einer zur Ostsee führenden Bucht
einige sehr fein gearbeitete Klingen(-fragmente) aus feinem Baltischen Flint bergen.
Eine Zusammenstellung mag einen Eindruck der Technik geben.
Wenn Flintartefakte längere Zeit im Salzwasser dem Licht ausgesetzt sind, gibt es
diese hellgraue Patina, die für Fotos ungünstig ist.

Besonders herausragend ist jedoch eine Klinge, die Buckel auf der Ventralseite hat.
Manchmal ist ein Fehler in der Schlagtechnik, der zu einem ähnlichen Effekt führt.
Auch Fehler im Material können die Ursache sein. Länge: 97 mm

Ich hoffe, die Bilder machen es sichtbar.

LG
Jan

thovalo

#1

Moin!


Die letzte, "bucklige" Klinge zeigt ventral eine Form der "fracture en nacelle". Wie du schon geschrieben hattest ein Schlagunfall.



lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin,

da kann ich Thomas zustimmen, ist ein Schlagunfall in der Klingenherstellung (Bordes 1970).

Irgendwo in den Tiefen meines Archivs muss ein Bild existieren.  :weise:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo


Moin!

Hier ein Vergleichsstück für diese Art des Schlagunfalls, das von einem Fundplatz bei Duisburg in NRW stammt. Der Fundbeleg besteht in diesem Fall aus maasländischen Feuerstein aus den Lanayeschichten der Region um Rijckholt in den Niederlanden.

In diesem Fall hat man die Klinge trotz des Schlagunfalls als jungneolithische "Spitzklinge" retuschiert und genutzt, da die Fundregion rechts des Rheinlaufs auf solche Importe angewiesen war und man die Form  selber nicht reklamieren sondern trotz allem offenbar auch gut nutzen konnte.

Fundbeispiele für diesen spezifischen Schlagunfall sind nur sehr selten zu finden und von daher auch sehr interessant. Häufig brachen die Klingen in dem ausgedünnten Bereich und damit ging dann auch die Gesamtansicht davon verloren.



lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

N'abend,

dank Euch Thomas und Jürgen für die schnellen Antworten.
Die hier von Thomas eingestellten Fotos zeigen ein wunderschönes Schaustück - ein echter Hingucker!.

Ich habe auch noch eine Klinge entdeckt, die wohl auch dazugehört.

LG
Jan

Fischkopp

Hallo Jan,

schönes Thema und tolle Beispiele sind hier zu sehen. Bemerkeswet ist ausserdem das die Klingen nicht abgerollt aussehen. Ich frage mich daher wie schnell eine solche Patina entstehen kann. Sind unter den anderen Artekakten viele abgerollter oder kommen sie alle so markkellos aus dem Wasser?

LG Fischkopp

Steinkopf

Moin Fischkopp,

Artefakte, die in steinigen, sandigen Strandpartien mit Wellenschlag geraten werden 'abgerollt'.
Das ist ein mechanischer Vorgang - wie beim Trommeln von buntem Gestein.

Auch ohne diesen Vorgang wirken Sonnenstrahlung (UV) in Verbindung mit Salzwasser und evtl.
vohandenen chemischen Einträgen auf die Oberfläche ein. Die Oberfläche wird zunehmend porös.
Dies bewirkt zunächst eine leichte (oft bläuliche) Verfärbung und im weiteren Verlauf wird
die Oberfläche weiß.
Flint (Silec) Gestein, der sich über Hunderttausende von Jahren halten kann, wird
inbedeckt im Salswasser in wenigen Jahren aufgelöst und kann zu weicher Kreide werden.

Das alles hängt sehr von den lokalen Bedingungen ab. Durch Meeresspiegelanstieg und/oder
tektonische Senkung sind mancherorts die Artefakte aus mesolithischen Siedlungen
unter Wasser geraten. Bleiben diese z. B. durch Seegraswiesen geschützt, bleiben sie geschützt.

Durch natürliche Umlagerung und auch bauliche Eingriffe wie Ausbaggerung von Fahrrinnen,
neue Hafenanlagen auch Freizeithäfen usw. ist hier eine große Dynamik.

Auch wurde schon beobachtet, dass in strengen Wintern dicke Eisschollen anhaftendes Gestein
transportierten und ortsfremd ablagerten.
Die Küstenverläufe sind jedoch nicht so statisch wie der Schulatlas sie zeigt.
Unter     
https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1907828116
wird von einem interessanten Fund aus den Niederlanden berichtet.

LG
Jan

Wiedehopf

ZitatDas alles hängt sehr von den lokalen Bedingungen ab. Durch Meeresspiegelanstieg und/oder
tektonische Senkung sind mancherorts die Artefakte aus mesolithischen Siedlungen
unter Wasser geraten. Bleiben diese z. B. durch Seegraswiesen geschützt, bleiben sie geschützt.

In sogenannten Moorlinsen die durch tektonische Bewegungen unter Wasser gerieten blieben selbst Haselnüsse und Blätter über Jahrtausende konserviert.

Viele Grüße
Michael