kleiner feuerstein - gerät oder abschlag?

Begonnen von stekemest, 28. August 2005, 11:25:39

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stekemest

hallo, ist dieser kleine flintstein nur ein abschlag oder doch möglicherweise ein gerät? ist überhaupt nicht mein gebiet :irre:
auf der einen seite (auf dem bild links) hat er eine art schneide, die andere seite hat eine art "rücken", ist also stumpf.

danke und gruß, stekemest

Silex

servus Steinfreund- auf dem untersten Foto ist am oberen Ende des Teils vermutlich eine sogenannte Kratzerkappe- wenn Du das Dingens nochmal von dieser Geräteseite aus  "bringst" dann wissen wir es. Ausserdem scheinen mir auch an den Längsseiten Retuschen erahnbar.  Für meinen - südlichen Horizont- ist es zumindest ein Kratzer. Die Material- und die Zeiteinordnung dürften die Landsloite problemlos "anhängen"
Für mich ein wunderschönes Teil
Da wo Du es gefunden hast da liegt "Etliches" was den Steinzeitfreund zum Jauchzen bringt

Und das Ding sieht (wie soft ) aus als ob es vor 5 Minuten hergestellt worden wäre.... Das ist der Reiz den steinzeitliche Artefakte  überliefern..
BITTE MEHR
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

stekemest

hi, danke für die antwort. hier nochmal zwei bilder, ich wusste leider nicht genau, was du mit "von der geräteseite" meinst.
ZitatBITTE MEHR
ich würde gern mehr posten, aber leider ist das (noch) mein einziges stück. mein sammelgebiet liegt eigentlich woanders.


Khamsin

Moin!
Vom Flint her mit grosser Wahrscheinlichkeit an der Nord- oder Ostsee oder in Norddeutschland, Polen oder Skaninavien gefunden. Wenn man die Negative auf der Oberseite sieht, dann kann das schon ein Artefakt, d.h. vom Menschen gemacht sein. Allerdings sehe ich das keine intentionelle (bewusste) Zurichtung. Die Ausbrüche an den Rändern sind m.E. natürliche Bestossungen, wenn´s auf ´nem Feld gefunden wurde von landwirtschaftlichen Geräten oder durch die Brandung. Und so scheint mir auch die vermeintliche Kratzerkappe eben genau das, vermeintlich, aber nicht intenionell, sondern auch Bestossung.
Schau doch nochmal an der Fundstelle nach. Wie schon RP und Silex schrieben, dort könnten noch weitere Stücke liegen.
Beste Grüsse 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

stekemest

danke für die antwort.
die fundstelle ist leider nicht gerade bei mir um die ecke, ich werde dort in nächster zeit also nicht mehr nach weiteren stücken schauen können. schade dass du dir nicht sicher bist ob artefakt oder nicht. wo könnte ich denn genaueres herausfinden? von "meinen" Archäologen erwarte ich bei solchen funden keine zufriedenstellende antwort mehr.

gruß, stekemest

Silex

servus stekemest- Fotos sind bei vorgeschichtlichen Funden immer ein letzter Notbehelf. Du hast ungefähr die gleichen Hände als der potentielle Verfertiger dieses Teils. Nimm es einfach in die Hand und in die andere eine Haselnussgerte. Dann sind schon mal die 3 Hauptelemente beisammen die sich seither kaum verändert haben. Homo- Werkzeug- zu veränderndes Objekt. Und schäle die Rinde ab. Oder versuche von einer Schweineschwarte das Fett abzuschaben.Wenn es gut in der Hand liegt  und "arbeitet" d.h. seinen Zweck erfüllt- z.B.liegen die Finger an den nötigen Druckstellen fest und bequem?- dann ist die Wahrscheinlichkeit schon größer. Dass dieses Teil an der Unterseite kaum Abplatzungen und Retuschierungen aufweist- während die Oberseite intentionell wirkt- und die potentielle Kratzerkantenunterseite kleine Ausbrüche erahnen lässt die auf ein "Verwendung" hindeuten.... Es gibt Menschen die wissen mehr .. und das möchte ich auch lernen. Wie Khamsin.... schreibt gibt es endgültige Sicherheit nur wenn Du einen Platz entdeckt hast an dem "etwas geschehen ist" und das ist nicht der Fund "eines Geräts" -sondern Holzkohleflitter- weitere Werkzeuge- Werkzeugabfälle-Kerne- der Blick über die Landschaft- die erdgeschichtliche Entwicklung des Fundorts- etwaige Bodenverfrachtungen...... Du musst mit dem Bauern sprechen- die geologische Karte wälzen.....wenn Du Dich dafür interessierst...
Alles Gute und viele Funde wünscht
"ES"
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

stekemest

hallo silex, freut mich, dass du auch "versöhnliche" postings schreiben kannst :zwinker:
nichts für ungut im anderen thread.

wie gesagt kenne ich mich mit steinwerkzeugen leider kaum aus und kann daher wohl auch kaum beurteilen, ob ein vermeintliches werkzeug gut in der hand liegt oder nicht. ich glaube, auch mit einem unbearbeiteten feuerstein könnte ich ganz gut fett abschaben. darauf allein kann ich mich mangels erfahrung eben kaum verlassen.
den fund habe ich sozusagen auf der durchreise gemacht, da blieb mir auch kaum zeit, mich nochmal genauer umzusehen. und bei mir in der gegend habe ich trotz vielen jahren feldbegehungen noch keine silexwerkzeuge gefunden. gerade deshalb hätte ich es nett gefunden, wenigstens so ein repräsentatives stück in der sammlung zu haben.

danke und gruß, stekemest

Khamsin

Salve amici!
@caro selce: Bei aller gebotenen Zurückhaltung und Höflichkeit: Die Steinzeitarchäologie ist ja schon lange - und Du schreibst das ja auch in einer anderen mail sehr gut im Zusammenhang mit der zeichnerischen Darstellung solcher Objekte - über das intuitive Stadium der Erkennung, Beschreibung und letztlich Zuweisung des Artefaktcharakters hinaus! Eine endgültige Ansprache kann eben nur über eindeutig erkenn- und somit nachvollziehbare Merkmale erfolgen, und dabei spielt die "gute Lage in der Hand" natürlich - wenn überhaupt - nur eine untergeordnete, eigentlich aber keine Rolle.
Selbstverständlich stimmt unser anatomischer Körperbau mit demjenigen der Menschen seit dem frühen Jungpaläolithikum, d.h. seit gut 40000 Jahren überein. Und trotzdem: was wir im Hinblick auf Handhabung mancher Stücke empfinden, muss keinesfalls die prähistorische Realität widerspiegeln, denn wir kennen prinzipiell die Handhabung solcher Stücke nicht.
Ein in diesem Zusammenhang hervorragendes Beispiel ist - nach wie vor - der sog. Faustkeil! Diese Bezeichnung ist lediglich forschungsgeschichtlich zu verstehen, nicht aber im Hinblick auf die Ergologie, d.h. die Handhabung von Faustkeilen.  Im Begriff "Faustkeil" manifestiert sich, wie in kaum einem anderen, die typische eurozentrische Sicht der frühen "Archäologen" (diesmal im Sinne von Menschen, die sich für steinzeitliche Objekte interessierten!). Dies wird besonders deutlich bei frühen "Rekonstruktions"zeichnungen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert (z.B. Bölsche). Tatsächlich werden die Faustkeile dort von der Faust umschlossen, Spitze nach unten, Arm zum Schlag erhoben. Hätte nur einer der frühen Archäologen mal einen Faustkeil - besonders die symmetrisch und mit umlaufend scharfer Kante versehenen sog. MTA-Keile - in dieser vermeintlich originalen Art und Weise in die Hand genommen und damit dann auf einen Tierkadaver geschlagen, prost Mahlzeit Handinnenfläche!!! Leider hat das keiner jemals gemacht, obwohl doch "die Stücke so gut in der Hand liegen".
Beste Grüsse   
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"