Ein neolithischer Mikrokratzer mit kräftigen Gebrauchsspuren

Begonnen von thovalo, 25. Februar 2014, 07:29:48

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thovalo


  :-)


Der Fundplatz liegt am rechten Niederrhein.

Es handelt sich bei der Fundstelle um einen seit der "Bischheimer Kultur" bis zum Endneolithikum besiedelten Standort auf eng begrenzter Grundfläche.

Der Platz hat eine enorm reiche Fundüberlieferung, darunter Dutzende solcher extrem kleinen Kratzerformen.

An diesem Exemplar eines vollständig und unbeschädigt erhaltenen, intensiv retuschierten Mikrokratzers aus einem Abschlag lassen sich bemerkenswerter weise Spuren intensiver Nutzung erkennen.


Die größte Weite beträgt 1.9 cm


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin Thomas,

so kann man auch mit kleinen Sachen...

Glückwunsch  :Danke2:  und danke fürs Zeigen, ich mag diese Kleinteile sehr.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

neolithi

Ganz wunderschön!
Ist eigentlich bekannt, wofür diese Minis verwendet wurden? Handlich ist ja etwas anderes. Auch für kleine Feinarbeiten würde man sich doch sicher besser greifbare Werkzeuge  herstellen?

HG
neolithi

thovalo

#3
Zitat von: neolithi in 25. Februar 2014, 15:38:48
Ganz wunderschön!
Ist eigentlich bekannt, wofür diese Minis verwendet wurden? Handlich ist ja etwas anderes. Auch für kleine Feinarbeiten würde man sich doch sicher besser greifbare Werkzeuge  herstellen?

HG
neolithi


Es gibt dazu keine näheren Untersuchungen.

Deutliche Absplitterungen wie an dem Neufund lassen sich am ehesten durch die Bearbeitung flexibler fester Materialien wie Knochen und Geweih erklären. Im Bereich der Fundstelle und auf dem gesamten Fundgelände finden sich Mikrokratzer in deutlichen Konzentrationen.
Der Bedarf an solchen Stücken und an den durch ihre Nutzung entstandenen "Produktionsergebnissen" scheint hoch gewesen zu sein.
Vielleicht waren es recht spezialisierte Arbeitsvorgänge für die diese Kleinformen hergestellt und verwendet worden sind.

Die bestandene Sammlung des Platzes ist an das Land NRW übergegangen.
Vielleicht werden die Auswertung nähere Erkenntnisse bringen.

Die Kleinformen scheinen mit dem gleichzeitigen konzentrierten Auftreten von Pfeilschneiden kombiniert zu sein.


Als Zeitstellung kommt insbesondere das späte Neolithikum in Betracht.
Es wurde zur Herstellung dieser Mikrokratzer sehr häufig Feuerstein aus dem Hespengau in Belgien verwendet.


lG  Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Birk

Moin Thomas. Das Stück sieht wirklich klasse aus. :super: Da hat sich aber wirklich mal einer mühe gegeben. Deine Fotos sind auch super. Fotografierst du mit Kunstlicht? Schon komisch das die Bilder am schärfsten werden , wenn man die Stücke in der Hand hält.

   Gruß
  Thomas

neolithi

Hallo Thomas,

vielen Dank für die Informationen!
Wenn das Land NRW neue Erkenntnisse zu den Kleinwerkzeugen bringt, halt uns bitte auf dem Laufenden.

Herzlich
neolithi

thovalo

#6

Mach ich gerne!


Seit dem Herbst letzten Jahres laufen

die Inschutzstellungen
die Bodenbeprobungen
und die Auswertung eines der Hauptfundplätze im Gelände.

Das wird wohl noch ein "Weilchen" dauern!


Noch eine kleine Horde von derselben Stelle ...................  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: Birk in 25. Februar 2014, 19:31:58
Moin Thomas. Das Stück sieht wirklich klasse aus. :super: Da hat sich aber wirklich mal einer mühe gegeben. Deine Fotos sind auch super. Fotografierst du mit Kunstlicht? Schon komisch das die Bilder am schärfsten werden , wenn man die Stücke in der Hand hält.

  Gruß
 Thomas


Ja,
ich fotografiere bei Kunstlicht.

Mit zwei einfachen Zimmerlampen von zwei Seiten.


Alles mit viel Ruhe und Zeit, dann gehts halt meistens gut aus!  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Hallo Thomas,

ein interessanter Beitrag. Du schreibst:
"...auf dem gesamten Fundgelände finden sich Mikrokratzer in deutlichen Konzentrationen."

Diese Beobachtung kann ich im NW Küstengebiet nicht teilen.
Hier tauchen die Winzlinge nur recht sporadisch auf.

Schöne Grüße

Jan


thovalo

#9

:-)

Dieses besondere Phänomen ist im Rheinland bislang auch einzigartig.
Diese Stücke stammen von der ersten umfassend beobachteten, kartierten und komplex dokumentierten Flußufersiedlung im Rheinland.

Spuren einer solchen Tradition führen über die nahen Niederlande, Belgien bis nach Frankreich.


Hier hat die Gelegenheit der kontinuierlichen, über 10 Jahre hinweg durchgeführten Prospektion in nur einer Hand dieses Phänomen erst deutlich werden lassen.
Solche Kleinstformen werden sonst von Sammlern oft übersehen oder einfach liegen gelassen, weil die kleinen Stückchen nicht zum Bücken anregen,
wenn man sich auf das Sammeln "schöner Stücke" ausgerichtet hat.


So eine Wahrnehmung gelingt nur bei einer generellen und allumfassenden Übersicht und Aufsammlung und führt dann zu einem Zugewinn an wissenschaftlichen Erkenntnissen.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.